Ansichten

Holger Artus

Rückblick 2022

Mein Rückblick auf 2022 entspricht dem Ansatz, auf dem Blog zu schreiben, was ich mir vorgenommen habe, wie die Umsetzung sich gestaltet hatte und ob es umgesetzt wurde, wie geplant. Meine Planungen für 2023 sind in einem Stadium, dass man sie angehen kann.

Mein Maßstab ist vom Grundsatz, das anzugehen, was mir realisierbar erscheint. Im Vorfeld findet bereits immer eine Sondierung statt, ob es möglich und was das Ziel ist. Manches, was ich denke, anzugehen, weil … lasse ich fallen. Zum Grundvorgehen gehört, dass ich Partner:innen gewinnen möchte und ich mich mit ihnen abstimme. Es geht mir um Vernetzung oder dem Aufbau von neuen Beziehungen in Form des kennenlernens in einer Aktivität. Inhaltlich geht es um Themen, die sich m.E. lohnen, zu treiben, weil es im Sinne der Vernetzung einen Beitrag leisten kann oder weil aus der Diskussion heraus darum geht, Haltung einzubringen. Bei der Planung weiß ich nicht, ob etwas realisierbar ist, ich erarbeite mir Kriterien. Wenn ich eine Basis im „realen Leben“ haben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man das geplante erreicht.

Nicht alles läuft so, wie ich es mir inhaltlich und zeitlich erhoffe, da vielleicht ein unrealistischer Ansatz oder die falsche Fragestellung durch mich. Am Beispiel der Themen „Judenkolonnen“ oder der sowjetischen Zwangsarbeiter:innen habe ich mich auf der Zeitschiene korrigieren müssen und setzte jetzt auf einen längeren Lauf. Die konkreten Projekte sind formuliert, aber ich bin immer noch in der Sondierung, da ich alleine stehe. Wie in den vergangen Jahren gab es eine Kundgebung am 3. Mai vor der damaligen Sternwolke-Spinnerei, jetzt Marzipanfabrik, zu dem dortigen Zwangsarbeitslager von 1942 bis 1945.

Zum Thema der Erinnerung an NS-Opfer betreibe ich diverse Blogs. Texte davon stelle ich nach dem Erscheinen auf meinen Blog. In diesem Jahr ging es um den 80. Jahrestag der Deportation von 1.700 jüdischen Menschen über die Sammelstelle der Schule Schanzenstraße zum Hannoverschen Bahnhof nach Theresienstadt/Terezin in der CSR am 15. und 19. Juli 1942. Nach zwei Jahren der Erklärung, dass man die Namen der Deportierten doch an der Schule anbringen müsse, wurde es dieses Jahr umgesetzt. Der Verantwortung, die sich daraus für mich ergibt, war ich mir zum Zeitpunkt nicht bewusst. Gemeint ist der Gedanke der Pflege und den sich ergebenden Kontakten. Zwar hatte ich eine Vorstellung, wie es nach der Anbringung der Namen weitergeht, aber die sind nur strukturell (zu welchem weiteren Namen wird etwas geschrieben und Veranstaltungen).

Auch gelang es, das Erinnerungsprojekt zum und vor dem Warburg-Stift in der Bundesstraße 43 umzusetzen. Die Hoffnung, dass der Grundeigentümer die Kosten der Erinnerungstafel übernimmt, erfüllten sich nicht, aber es gab von Anfang mehrere Optionen. Dank der Unterstützung Grünen-und SPD-Fraktion in Eimsbüttel, könnte es erreicht werden, dass jetzt eine Tafel vor dem Gebäude steht, die an den Warburg-Stift erinnern, aber vor allem an die jüdischen NS-Opfer, die im Juli 1942 von hier verschleppt wurden. Die Recherche zu einer zum dem Zeitpunkt noch nicht aufgeschriebenen Erzählung eines NS-Opfers am Beispiel von Berthie Philipp hat mir einen weiteren Blick des Ablaufs der Tage vor der Verschleppung im Juli 1942 verschafft. Durch Absprache mit Angehörigen habe ich eine weitere Form der Bewerbung einer Aktivität für mich erschlossen. Bisher ging es darum, die Erzählungen in der unmittelbaren Nachbarschaft zu verteilen, also am Beispiel der Bundesstraße 43 in den nahegeliegenen Häusern. Am Beispiel von Rosa Stern, Betty Worms und Berthie Philipp habe ich Nachbarschafts-Infos an deren verschiedenen Lebensstationen bis zu ihrer Deportationbverteilt. Das Ergebnis: Es kamen Nachbarn auch aus entfernteren Hamburger Orten zur Kundgebung vor der Bundesstraße 43. Auch bei Hindelchen Kamp wurde nicht nur eine Info über sie an die Mieter:innen der Großen Bergstraße 250 verteilt, sondern auch in der Frickestraße 24 und der Bogenstraße 25/27.

Seit einigen Jahren gibt es durch uns im Viertel organisierte Aktivitäten und Kundgebungen zu den November-Pogromen von 1938. Die Kundgebung fand am Tag selber an der Namenstafel des Deportierten in der Altonaer Straße 38 statt. Es gab vorher eine kleine Erinnerung mit Nachbarn an der Ecke Vereinsstraße/Fruchtallee. Aus meiner Perspektive war die Verlegung der Stolpersteine für Lea Zlatner, ihrer Tochter Julia und ihrem Partner, Arpad Ende Oktober Teil des Erinnerns an die Novemberpogrome.

Meine Mitarbeit in der “Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg” bleibt für mich ein sehr spannendes Projekt. Bereits zum dritten Mal haben wir am 8. September eine Kundgebung organisiert, um an diese NS-Opfergruppe zu erinnern und die Forderung nach ihrer Entschädigung gestellt. Aus einer Kundgebung zu Beginn sind jetzt mehrere Tage geworden. Wir bewegen uns in einer kleinen Zielgruppe in der Zivilgesellschaft, aber durch den Blick auf die Unternehmen, die die IMI bis 1945 als Zwangsarbeiter einsetzten, kann das Thema auch dort platziert und besprochen werden. In der Vernetzung in andere Zielgruppen und Kontaktkreise kommen wir langsam voran. Da wir kein wirklicher Player sind, nehmen wir nur einen Nischenplatz ein. Das hat seine Vorteile, weil man nicht im Fokus ist und in Ruhe Dinge entwickeln und verfolgen kann. Im Unterschied zu anderen bemühen wir uns um einen sehr breiten politischen Ansatz, der möglichst alle Kräfte berücksichtigt.

Am Beispiel der Entschädigung geht es nicht um die Betonung, dass die damaligen Unternehmen Schuld sind für die Ausbeutung der Zwangsarbeiter:innen und jetzt zahlen müssen. Die meisten noch heute bestehenden Unternehmen, die IMI damals einsetzten, wissen um ihre Verantwortung, dass sollte als Trägerschaft für den heutigen Dialog reichen. Mir ist wichtig, dass die SPD und die Grünen eingebunden sind in diesen Dialog und dass dieser auch die Stadt mit umfassen muss. Unterschiedliche Bewertungen, was es heute bedeutet, sich an diese Ausbeutung zu erinnern muss man vorsichtig beschreiben, um zu wissen, an welchen „Gliederungspunkten“ sich die Argumente trennen. Auch halte ich nicht viel davon, dass erinnerungspolitische Forderungen mit dem Zeigefinger der „Besserwisserei“ erhoben werden. Man kann Geschichte und die Taten nicht „reinwaschen“, Fakten bleiben Fakten, aber im heute muss ich so argumentieren, dass es konkret-historisch gesehen werden muss. Ich habe mich gegen eine direkte Unterstützung des 8. Mai – Bündnisses ausgesprochen, da man m.E. nicht die für unsere heutige Lage angemessene Strategie in den Blick nimmt. Natürlich bin war beim Rundgang dabei, aber die meisten Reden an den Stationen waren nur Anklage bis grenzwertige Erzählungen, die daneben sind und auf der Basis von moralischen Haltungen einfach falsch waren.

Egal, was man plant, es kommt immer auch anders. Nicht im Sinne Brechts „Mach nur einen Plan, mach auch einen zweiten Plan. Sie werden beide nichts“ (sinngemäß). Dieses Jahr war es die unerwartete Recherche zu Ilse Wagner und der Besuch von Janny van der Molden und Petty-Lou Middel-Leenheer, die einen Podcast zu Ilse Wagner produziert. Es war sehr anspruchsvolle Tage und auch Recherchen, die erst am Ende des Jahres eine Auflösung zum Schulbesuch von ihr führten. Für mich war es sehr spannend zu erleben, wie eine Podcastgeschichte produziert wird. Ich wollte sie begleiten und bei den Kontakten hier in Hamburg helfen. Es waren mir zu vielen Fragen an mich während des Besuches, die sie mitgeschnitten hatten. Ich sag mich mehr in der unterstützende Rolle. Ich weiß natürlich auch, dass nur Schnipsel davon selber verwendet werden. Die Recherche zum Ort des Schulbesuchs von Ilse Wagner führte mich zu Renate Adler, die über Schule Schanzenstraße im Juli 1942 deportiert wurde. Sie überlebte.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine stellt in der geschichtlichen Wende in der Weltpolitik da. Schaut man vom Dezember 2022 auf den zurückgelegten Weg seit Februar 2022, wird das offensichtlich. Mich hat die Reflexion in unserem linken Spektrum beschäftigt, was an der Entwicklung des „Hamburger Forum“ gezeigt hat. Bisherige politische Grundsätze der Zusammenarbeit und des inhaltlichen Streits wurden verlassen. Mein Post zum Ostermarsch 2022 begründete meine Nichtteilnahme. Zum Zeitpunkt war ich mir deren Rechtsentwicklung, wie sie sich seit dem vollzieht nicht bewusst. Ich dachte, es ist ein Streit unter Freunden, wo man wieder zu alten Gemeinsamkeiten zurück kommt oder sich darüber schrubbt. Die Zugriffe zu meinem Beitrag gingen in die Tausende, was ich nicht gewöhnt bin, höchstens in der Gesamtbilanz. In der Folgezeit habe ich mich auf dem Blog immer wieder mit der Entwicklung des Hamburger Forums beschäftigt und auf der handelnden Seite auch praktisch in ver.di eingebracht, da das auch das antigewerkschaftliche Vorgehen der Träger nicht zu übersehen ist. Es bedarf einer breiten politische Breite in der Friedensbewegung. Kürzlich habe ich einen Antrag zur Aufstellung in der Friedensbewegung und zur Abgrenzung zum Hamburger Forum in den Arbeitskreis Frieden des ver.di Landesbezirksvorstandes eingebracht. Ich war mit bewusst, dass ich scheitere, aber ich habe ihnen mit Kalkül die Debatte aufgezwungen und werde dran bleiben.

Ich kommentiere aus meinem Kirchturm aus mit, Einfluss kann ich bei meinem Grad der politischen Verankerung nicht nehmen, aber ich habe eine Haltung und sage meine Meinung. Man kann sich nur wünschen, dass diese Personen im Hamburger Forum zum Teufel gejagt werden und es wieder zu einer Bewegung kommt, die sie an der Entstehungsgeschichte der politischen Breite orientiert und die im Heute Kräfte zusammen führt.

Ich betreibe mehrere Blog. Manch einer wie der zur Hoheluftchaussee 91/93, zur Bundesstraße 43, der NS-Geschichte der Bauer Media Group, zum Zwangsarbeitslager im Heinrich Bauer Haus, der Funk-Wacht u.a. verfolgen ein statisches Konzept. Mir geht es darum, das die Geschichte im Netz steht. Dazu gehört auch z. B. die zum Streik in der Sächsischen Zeitung 1999 oder dem Streik in der Volksstimme Magdeburg 1997. Andere wie zu den italienischen Militärinternierte in Hamburg, zur NS-Geschichte im Schanzen- und Weidelviertel und zur Sternwoll-Spinnerei sind Blogs, zu den es immer wieder neue Infos gibt und wo ich mich persönlich politisch engagiere. Die meisten Zugriffe auf meine Web-Seiten kommen zur Hälfte über Suchmaschinen, ein Viertel über Facebook und danach über Twitter. Quantitativ sind es die Seiten zu den IMI, mein persönlicher Blog und der zur NS-Geschichte um den Sternschanzen-Bahnhof.

marxistische linke

Im Zusammenhang mit der Frage, wie wir uns als marxistische Kräfte, die sich mit den bestehenden, kapitalistischen Verhältnissen nicht einverstanden klären, wie wir uns strategisch aufstellen, wie wir darüber in den Diskurs kommen, bin auch aus der marxistischen linken ausgetreten. Es war keine inhaltliche, sondern moralische Frage, das mich unseres gleichen nicht beschimpfen. Für einen Beitrag von mir zur Auseinandersetzung mit der Rechtsentwicklung im Hamburger Forum, warf mir ein Hamburger Mitstreiter vor, ich sei ein „,Krypokommunist“. So sehr ich inhaltlich darüber lache und seine Beiträge auf Facebook hohl und immer diffamierend gegen linke Positionen sind, ich hätte einen anderen Umgang in den „eigenen“ Reihen gewünscht. Längst sind es nicht mehr jene solidarische, kollegialen und auch herzlichen Beziehungen, mit denen ich im der kommunistischen Bewegung groß geworden bin, aber meine Identität mit ihr ist Teil meines Lebens und handeln, auch wenn ich es mir nicht auf die Stirn tätowieren lasse.

Die politisch bedingte Hetze gegen unsere Positionen und Meinungen gehört zum Alltag, ist aber nichts besonderes. Der Streit um Positionen in den eigenen Reihen wird bei dem Stand unserer Strukturen nicht mehr so groß geführt, die ml ist ein kleiner Laden. Über die Jahrzehnte habe ich mich daran gewöhnt, dass man gegen meine Meinungen in der Gewerkschaftsbewegung kachelt. Abwählabsichten aus Führungsstrukturen von ver.di, Ausgrenzungen und Kampagnen, dass ist auch Teil meines politischen Lebens. Ich weiß mich zu wehren und Arschlöcher bleiben Arschlöcher. Da ich mit Absicht und Plan handele, passiert so etwas und ich habe immer Alternativen. Aber diesen unsolidarisch Umgang in den eigenen Reihen, dass lasse ich nicht zu. Dem setzte ich durchs persönliche Handeln eine Alternative entgegen.

Man muss nicht gleich austreten, da nur eine Person, aber es machte mir auch deutlich wie tief unser Bewegung gesunken ist und welchem verschwörerischen Politikansatz auch noch in unseren Reihen present ist. Da bin ich dann eben ganz persönlich. Zu anderen Zeiten hätte ich das Ding an mir vorbei ziehen lassen, aber zu anderen Zeiten hätte man das in unseren Reihen nicht gesagt – bevor der Niedergang Ende der 1980er Jahre begann. Da wurde die Beschimpfung in den „, eigenen“ Reihen zur Regel. Das funktioniert mit mir aber nicht. Bis heute hält der Niedergang der kommunistischen Bewegung an. In Zuge des Russland-Krieges sind aus diesen ehemals „eigenen Reihen“, die völlig deformiert sind und weshalb zur Gründung der marxistischen linken kam, Positionen formuliert worden, die mich nur erschaudern lassen. Allein das Kriterium, aus marxistischen Perspektive den Diskurs zur Klärung zu führen, funktioniert nicht, da es dafür diesen Rahmen nicht gibt. Es ist einfach rechter Müll. Aber in der DKP kann man den heute einfach vertreten. Es macht mir umgekehrt deutlich, dass der Niedergang so tief ist, dass es nichts mehr mit dem „K“ zu tun hat, was dort politisch reklamiert wird. Es zeigt sich die Fratze eines verschwörerischen Politikansatzes, deshalb auch der unerträgliche Müll.

Ich habe meine blauen Bände im Regal, die ich mir immer wieder schnappe und lesen. Aktuell noch gerade „Lohn, Preis, Profit“ von Karl Marx und „Grundsätze des Kommunismus“ von Friedrich Engels. Politisch bin ich Bewegungen vertreten, baue mein Netzwerk aus. Meine gesellschaftspolitischen Positionen sind die alten.

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