Zu den weniger beleuchteten Themen der Zwangsarbeit in der NS-Zeit in Hamburg gehört die Beschäftigung jüdischer Menschen in den Unternehmen und den daran beteiligten staatlichen Einrichtungen. Man kann vermutlich verschiedene Perioden und Zwecken der Zwangsarbeit jüdischer Menschen unterscheiden.
Zum einen ist da die so genannte „Pflichtarbeit“ vom Menschen, die von der Fürsorgen abhängig waren. Die Maßnahmen wurden auch als “Notstandsarbeiten” bezeichnet, eine gesetzliche Regelung, die es vom Grundsatz schon vor 1933 gab, aber später von den Nazis massiv verändert.
Zwangsarbeitseinsätze über die Fürsorge von jüdischen Menschen in Hamburg ab 1937
In Hamburg wurde ab September 1937 von der Fürsorge ein Projekt zur Einrichtung isolierter Arbeitsstellen die Pflichtarbeit fürsorgeunterstützer Juden geplant. Es wurde im Frühjahr 1938 eingerichtet. Damit begann auf der Basis der „Notstandsarbeiten“ der Prozeß der Kasernierung. Insgesamt wurden bei diesem Projekt etwa 100 Juden in Wohlerst und Örsdorf in der Nähe von Stade, in Röbke bei Buxtehude in Lagern untergebracht. In Buxtehude wurden 44 Juden in Herberge “Zur Heimat” der Inneren MIssion zur Wandererfürsorge untergebracht. In welchem Lager im Wohlerst (36) und Örsdorf (24) die jüdischen Menschen leben mussten, ist zur Zeit nicht bekannt. Einer von ihnen war Ewald Markowitz, der für das Unternehmen Müller & Sohn„Erdarbeiten“ ausführen musste. In Stade wurden sie von den Firma Damamm und Emil Schmidt eingesetzt. Tausende jüdischem Menschen in Hamburg waren im Übrigen über die „Notstandsarbeiten“ in vielen Hamburger Unternehmen zur Pflichtarbeit gezwungen, hierbei handelt es sich um die sogenannten „Notstandsarbeiten“, zu denen sie die Hamburger Fürsorge gezwungen/verpflichtet hatte. U.a. waren es die Firma Berkmann in der Emilienstraße 65, die Chemischen Fabrik Heldmann und die Pyrotechnischen Fabrik Buchholtz in Bahrenfeld, der Buchdrucker Karl Laufenberg im Herrengraben 29, Otto Schulz in der Dammtorstraße, das Saftunternehmen Vitaborn in der Hallerstraße, die Gewürzfabrik Christian Wolf am Grünen Deich in Hammerbrook und Emil Fenzelmann in der Alsterkrugchaussee 550.
Mit 1938 veränderte sich das Herangehen der Nazis an die jüdischen Menschen weiter. Deutschlandweit wurden im Rahmen „Arbeitsscheu Reich“ der in zwei Verhaftungswellen am 14. und 18. Juni 1938 über 10.000 Männer verschleppt, unter denen sich auch 2.300 Juden befanden. In Hamburg wurden insgesamt 700 Menschen willkürlich verhaftet. Auf Anweisung von Hitlers sollten „zur Erledigung von wichtigen Erdbewegungsarbeiten im gesamten Reichsgebiet asoziale und kriminelle Juden festgenommen werden.“
In einer Besprechung in Berlin wurde im Oktober 1938 die Erwartung geäußert, das durch den erzwungenen Arbeitseinsatz auch der Auswanderungsdruck auf die jüdischen Menschen gesteigert werde könnte. Ihnen sollte jede wirtschaftliche Grundlage entzogen werden. In „arieschen“ Unternehmen wurden sie vertrieben, wurden entlassen oder fanden keine Einstellung. Ewald Markowitz, der zu den jüdischen Arbeitern gehörte, der von der Fürsorge zu Notstandsarbeiten bei der Firma Müller & Sohn in der Nähe von Stade gezwungen wurde, hatte bei Karstadt gearbeitet, wurde aber bereits 1933 Opfer des Antisemitismus in den deutschen Unternehmen. Es fand danach immer wieder Beschäftigung in jüdischen Unternehmen, denen aber mit dem Machtantritt der Nazis der Umsatz zusammenbrach. Mit der organisierten „Arisierung“ ab April 1938 wurde auch hier die Beschäftigung zerstört. Jüdischen Unternehmen wurde die wirtschaftliche Existenz entzogen, sie mussten sie an „Arier“ verkaufen oder wurden geschlossen.
Neuregelung zur Zwangsarbeit jüdischer Menschen ab Januar 1939
Am 19. Oktober 1938 ordnete Friedrich Syrup, der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, an, alle erwerbslosen Juden zu erfassen. Am 1. Dezember 1938 nahm eine Zentraldienststelle für Juden beim Arbeitsamt ihre Tätigkeit auf. Das Amt wies erwerbslose Juden in schlecht bezahlte und körperlich belastende Tätigkeiten ein. Am 20. Dezember 1938 gab Syrup „mit ausdrücklicher Billigung“ Görings einen Erlass für den Arbeitseinsatz der Juden heraus. Alle erwerbslosen Juden sollten von den Arbeitsämtern zum “Geschlossenen Arbeitseinsatz” gezwungen werden. Es sei „anzustreben, alle arbeitslosen und einsatzfähigen Juden“ beschleunigt zu beschäftigen. In dem Schreiben wurde hervorgehoben, dass Juden stets abgesondert von der übrigen Gefolgschaft einzusetzen seien. Im Hamburger Gauarbeitsamt wurde eine Sonderdienststelle „B“ geschaffen, die von Willibald Schallert geleitet wurde. Die „Judenkolonnen“ wurde reichsweit über das Arbeitsamt organisiert. Die Zuständigkeit von der Fürsorge änderte sich zum Arbeitsamt.
Seit 1939 wurden wurden systematisch jüdische Menschen in Industrieunternehmen zur Zwangsarbeit eingesetzt. Zu den bisher bekannten Unternehmen gehörten z. B. die Sternwoll-Spinnerei in Ottensen, die Hamburger Wollkämmerei in der Wilhelmsburg, die Hanfspinnerei Steen & Co. in Hamburg-Lokstedt oder Rasch & Jung“ in den Großen Bleichen. Bisher wurde nur ein Namen aus diesem Zwangsarbeitseinsatz in der Sternwoll-Spinnerei in Altona gefunden, Hedwig Cohn. Sie verdiente 1940 gerade einmal 18 RM pro Woche brutto und musste davon noch ihren Sohn und ihre Mutter unterstützen, deren Hinterbliebenenrente 35 RM monatlich betrug. Am 15. Juli 1942 wurde sie mit ihrem Sohn und ihrer Mutter nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebten nicht. Bezogen auf Hamburger Wollkämmerei wurden bisher drei Namen gefunden: Lilly Windmüller, Hugo Levinson, Alfons Ganser und Else Ganser. Bei den Gummi-Berufsschuhwerk-Großvertrieb Rasch & Jung“ in den Großen Bleichen 31 drei Namen jüdischer Zwangsarbeiter gefunden worden. Harry Krebs, Ludwig, Louis Bermann und Walter Hess. Es sind bisher rund 40 weitere Unternehmensnamen bekannt, aber hier ist eine Zuordnung der jüdischen Menschen, die zuerst zur Arbeit über die Fürsorge oder später dem Arbeitsamt gezwungen worden, noch nicht möglich.
Mit der Ausweitung des Krieges 1940 drängte besonders das Problem fehlender qualifizierter Arbeitskräfte in den Privatunternehmen der Rüstungsindustrie. Sollten dort Juden angelernt und leistungsfähig im Sinne der Unternehmer eingesetzt werden, konnte man ihnen nicht nur Minimallöhne zahlen und alle Sozialzuschläge kürzen. Daher sollten die Juden zunächst von einzelnen Sozialleistungen ausgeschlossen werden. Das Reichsarbeitsministerium ermächtigte Anfang Juni 1940 die Reichstreuhänder der Arbeit, regionale Anordnungen zu erlassen, die u.a. der Wegfall der Lohnzahlung an Feiertagen, die Streichung sämtlicher Zulagen und Beihilfen und bei auswärtiger Lagerarbeit die Gewährung einer einzigen Familienheimfahrt im Jahr beinhalteten. Unter diesen Bedingungen arbeiteten Juden nun in zunehmender Zahl in Rüstungsbetrieben, daneben auf kriegswichtigen Straßen- und Gleisbaustellen und im Transportwesen, wie die Namen der Unternehmen verdeutlichen. Da z.B. Mitte 1941 rund 90 Prozent aller einsatzfähigen “reichsdeutschen” Juden zum Zwangseinsatz herangezogen worden waren, muss man vermuten, dass in Hamburg auch die “üblichen Verdächtigen” Großunternehmen sie eingesetzt haben. Für diese Annahmen spricht die ab 1944 geplante Kasernierung der jüdischen “Mischlinge”.
Kasernierung der in Hamburg verbliebener jüdischer Menschen ab Sommer 1944
Im Sommer 1944 sollten auch etwa 1.000 “jüdische Mischlinge” kaserniert und im geschlossenen Arbeitseinsatz zusammengefasst werden. Über die Gruppe aller “Jüdisch-Versippten” und “Nichtarier” existierten Listen der Gauleitung der NSDAP Hamburg, der Gauwirtschaftskammer und des Arbeitsamtes. Die 20-seitige Liste der Gauwirtschaftskammer mit Betrieben, die “jüdische Mischlinge” beschäftigten, war unterteilt nach Betrieben der Gruppen. Zur Gruppe „A“ gehörten die Unternehmen, die bereits im Frieden als Wehrwirtschaftsbetriebe tätig waren und Heeresaufträge ausgeführt hatten, der Gruppe “B”, das waren diejenigen, die bei Kriegsausbruch auf Heeresproduktion umgestellt worden waren, sowie der Gruppe “C”, Betriebe, die nur “mittelbar an der Wehrmittelherstellung” beteiligt waren. Hier waren alle großen Unternehmen und städtischen Betriebe aufgeführt.
Zu den Betrieben der Gruppe “A” gehörten:
Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, Büro Hamburg; Bergedorfer Eisenwerk
AG Astra-Werke;
Beton- und Monierbau AG;
Blohm & Voss;
Gebrüder Böhling-Maschinenbau;
CONZ Elektrizitätsgesellschaft mbH;
Deutsche Werft;
Hanseatische Kettenwerke;
Harburger Eisen- und Bronzewerke AG;
Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix AG; Drägerwerk Heinrich und Bernhard Dräger, Lübeck;
Grün & Bilfinger AG;
Harburger Schiffbau-Versuchsanstalt GmbH;
Heidenreich & Harbeck;
Philipp Holzmann AG;
Howaldtwerke AG;
Kampnagel AG;
Kurbelwellenwerk GmbH Glinde;
H. Maihak AG;
Menck & Hambrock;
Deutsche Messapparate GmbH »Messap«;
Rudolf Otto Meyer;
Motorenwerke Hamburg GmbH;
Norddeutsche Leichtmetall- und Kolbenwerke GmbH;
Norm- und Gewindeteile GmbH, Schwarzenbek;
Photo Copie GmbH;
C. Plath Fabrik nautischer Instrumente;
Schiffswerkstätten Afrika GmbH;
Richard Seifert & Co.;
Siemens-Schuckertwerke AG;
W. Steenbeck & Co.;
Hans Still Motorenfabrik;
H. C. Stülcken Sohn;
Technischer Betrieb der Hamburg-Amerika-Linie GmbH;
Wagner Hochdruck-Dampfturbinen KG;
Theodor Zeise;
Reichsstelle für Hochfrequenzforschung e.V. Max Wien Institut.
Zu den Betrieben der Gruppe “B” gehörten
Albert Bauer & Söhne,
Klischeeanstalt;
Dennert & Pape;
C. H. E. Müller AG;
Ottensener Eisenwerk AG;
Radioröhrenfabrik GmbH;
Theodor Rose KG;
E. H. Schule GmbH;
Studiengesellschaft für Elektronengeräte mbH;
Triton-Werke AG.
der Gruppe “C”, Betriebe, die nur »mittelbar an der Wehrmittelherstellung beteiligt waren.
Chemische Fabrik Billwerder AG; Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft;
Deutsche Vacuum Oel AG;
Deutscher Benzol-Verband;
Hamburger Hafen-
und Lagerhaus AG;
Hanseatische Teerproduktenfabrik Haltermann & Co.; Harburger Oelwerke
Brinkmann & Mergell;
Norddeutsche Affinerie;
Phrix-Werke AG;
Rhenania Ossag;
Zentralbüro für Mineralöl GmbH
Zu den Betrieben der Gruppe “C” gehörten
Beiersdorf & Co. AG;
Hamburger Gaswerke GmbH;
Julius Berger Tiefbau AG;
Hamburger Werft Hamann & Spiessen;
Hamburgische Elektrizitätswerke AG;
ferner Betriebe der Seeschiffs-Reederei.
(Quelle: Littmann, Ausländische Zwangsarbeiter in der Hamburger Kriegswirtschaft 1939 -1945,Seite 606)
Arbeitsamtunterlagen aus der NS-Zeit liegen ungesichtet im Staatsarchiv
Es ist bedauerlich, dass die Akten des Hamburger Arbeitsamtes aus der NS-Zeit bis heute nicht angefasst wurden, so dass die Geschichte um die jüdischen Zwangsarbeit vor der Deportationen nicht aufgeklärt werden kann. Sie würden nicht nur die Namen aller der davon profitierenden Unternehmen zu Tage fördern, es würde auch die beteiligen staatlichen Einrichtungen und den Personen sichtbar werden.