Ansichten

Holger Artus

Schulbesuch von Ilse Wagner (1929-1943) in Hamburg endlich geklärt

Eine aktuelle Recherche der Gedenkstätte der Israelitischen Töchterschule hat jetzt die Annahme bestätigt, dass Ilse Wagner von 1935 bis 1939 in die Israelitische Töchterschule gegangen war. Bisher gab es keine Belege dafür.

Es ist zwar nur eine kleinen Zeile aus einem Schulbuch, aber dennoch eine freudige Überraschung. Nach über sechs Monate Recherche-Arbeit war ich dazu übergegangen, ganz grundsätzlich vorzugehen, was eine lange Zeit bedeutet hätte, weil ich nicht mehr nach dem Namen und den Bezügen darauf suchen wollte.

Ilse Wagner war 1929 in Hamburg geboren und lebte mit ihren Eltern, Johanna und Alfred der Schäferkampsallee 11. Sie flohen 1939 vor den Nazis aus Deutschland in die Niederlande. Nach deren Besetzung wurden sie 1942 verhaftet. Ilse, Johanna und ihre Großmutter, Golda, wurden im Vernichtungslager Sobibor 1943 ermordet. Alfred Wagner wurde von den Niederlanden nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Mitte August 2022 waren Janny von der Molen und Paddy-Lou Middel-Leenheer aus den Niederlanden in Hamburg, um für einen mehrteiligen Podcast Aufnahmen zum Hamburger Leben zu Ilse Wagner mitzuschneiden. Sie war eine enge Freundin von Anne Frank, über die bisher so gut wie nichts bekannt war. Vier Tage bin ich mit den beiden durch Hamburg gegangen, immer hoffen, dass es weitere Lebenszeichen gebe.

Gefunden wurde die Heiratsurkunde ihre Eltern, bekomme haben wir mit etwas (zu großen) Aufwand eine Bestätigung ihrer Geburt. Aber das große „Live-Erlebnis“ gab es nicht.

Bisher war nicht klar, in welche Schule die 1929 geborenen Jüdin in Deutschland gegangen war. Monatelang wurden verschiedene Recherche-Ansätze verfolgt, aber zur Lösung führten sie nicht. Es ergaben sich neue Geschichten zu NS-Opfern wie die zu Renate Adler oder neue Unterlagen zu einem (noch nicht erzähltes) Zwangsarbeitslagern für italienische Militärinternierte (IMI) in der Schule Moorkamp. Aber keine Klärung in Sachen Ilse Wagner.

Nach dem August-Besuch in Hamburg waren sie für den Podcast im Oktober in Warschau und weiter nach Sobibor gefahren. Janny schrieb über ihren Besuch des Gedenkort, dass „ die echte Asche über den ganzen Boden verteilt liegt. Es gibt keine Gräber“.

Während ihres Besuch wurden 25 Steine mit den Namen von Juden auf dem umgebauten Gelände gelegt. „Das durfte ich für Ilse, Johanna und Golda Wagner machen. Ich habe zwei kleine Steine für Ilses Onkel Richard und Tante Alice hinzugefügt. Ich durfte bei dieser Platzierung ihre Namen nennen. Ein bewegender Moment für mich,“ schrieb sie.

Jetzt bin ich noch auf den Podcast unter dem Titel „Gelöscht“ gespannt, der im März 2023 in den Niederlanden erscheinen soll. Hier ein kleiner Trailer der Produktionsfirma Audiodroom BV auf deutsch.

Kommentare sind geschlossen.