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Holger Artus

Rosa Stern, Schlüterweg, Haus 6

Heute habe ich im Grindelhof 81 und im Schlüterweg zwei Infos über eine ehemalige Nachbarin verteilt, die über die Bundesstraße 1942 nach Theresienstadt/Terezin in der CSR deportiert. Es gibt eine umfassende Biographie über sie auf den Stolperstein-Seite. Ich wollte den Nachbarn etwas über sie erzählen, verbunden mit der Absicht, sie auf die Kundgebung am 14. Juli 2022 vor der Bundesstraße 43 hinzuweisen. Den Schlüterweg gibt es heute nicht mehr, die Adresse lautet Rothenbaumchaussee 101/103.

Rosa Stern wurde am 14. Juli 1942 von dem so genannten Judenhaus in der Bundesstraße 43 über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt/Terezin deportiert wurde. Im Juli 1942 mussten sich hier vermutlich über 1.600 jüdische Menschen einfinden, um die Fahrt in den Tod oder die Ermordung anzutreten. Anlässlich des 80. Jahrestages dieser Massendeportationen aus Hamburg gibt es mehrere Aktivitäten in unserer Stadt.

Wer war Rosa Stern?

Sie war an 17. Juni 1870 in Hamburg geboren. Rosa Gumpel hatte Moritz Stern 1899 in Hannover geheiratet, wo sie bis zu seinem Tod 1907 lebte. Sie war das Kind von Julie genannt „Fanny“ geb, Beer (geb 31. August 1845 in Hamburg) und des jüdischen Schlachters und Geflügelhändlers Gottschalk Abraham Gumpel (geb. 17. September 1838). 

Aus der Ehe von Rosa und Moritz gingen die Kinder Hans Stern, geb. 8.Juli 1900 in Hannover, und Margarete, genannt „Greta“, geb. 12. Juni 1902 hervor. Am 13. Mai 1911 wurde ihr Sohn Fred Stern geboren. Sie kehrte nach dem Tod ihres Mannes mit den Kindern nach Hamburg zurück und zog zuerst in den Grindelhof 81. Zu diesem Zeitpunkt übte sie den Beruf der Schneiderin aus. 

1917 zogen sie in den Schlüterweg, Haus Nummer 6. Ein Zimmer hatten sie bis zu deren Tod am 14. November 1925 an Jeanette Ascher untervermietet. Die Zeit ab 1917 im Schlüterweg waren die Jahre, wo ihre Kinder groß wurden, eigene Familie gründeten und eine eigene Berufsbiographie begann, zu schreiben. 

Anfang der 1930er Jahre befand sich die Weimarer Republik in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. In Hamburg waren 30 Prozent der Menschen arbeitslos. Als arbeitslose und kranke Frau gab es für Rosa Stern nur das Minimum an Existenzsicherung über die öffentliche Fürsorge. Als sie im Schlüterweg wohnte, waren ihre größeren Kinder arbeitslos. Die Nazis nutzten die wirtschaftliche Krise und politischen Instabilitäten der bürgerichen Notstandsregierungen für ihre antisemitische Hetze und zum Aufbau eines inländischen Feinbildes.  Rosa Stern geriet 1931 (36 RM) in Mietrückstände und wurde, wie sie schrieb, aus der Wohnung am Schlüterweg „ausgesetzt“. Für ein halbes Jahr kam sie im Oktober 1931 zunächst bei ihrer Schwester Olga Wolf und deren Kindern in der Schäferkampsallee 28 unter, dann zog sie im April 1932 zu ihrer weiteren Schwester, Betty Worms, in die Wilhelminenstrasse 63 (heute Hein Hoyer-Strasse). Im  Oktober 1932 konnte Rosa Stern für einige Jahre zur Untermiete bei der Familie Henschel, in der Isestraße 32, wohnen. Im Alter von 65 Jahren galt Rosa Stern ab 1935 aus gesundheitlichen Gründen als erwerbsunfähig. 1936 bezog sie bei ihrem jüngsten Bruder, Ely Liebreich und dessen Familie, in der Klosterallee 100, ein Zimmer für 18 RM im Monat Miete. Heute erinnern zwei Stolpersteine an die beiden vor der Klosterallee 100. 

Ab 1939 war den jüdischen Menschen in unserer Stadt das Wohnrecht genommen worden, sie konnten einfach aus ihrer Wohnung vertrieben werden. Von der NS-Fürsorge wurden die Leistungen für sie von Jahr zu Jahr reduziert. Die Maßnahmen sollten mit zur Vertreibung beitragen. Dazu gehörte auch der ständige Stress um die Miete durch die Fürsorge. Rosa zog 1941 kurzfristig in den Oppenheim-Stift, in der Kielortallee 22, einem jüdischen Stift, ein. Am 8. März 1941 zog sie weiter zu ihrer Schwester, Betty Worms,  die in der Bundesstraße 43 eine kleine Wohnung hatte. Die Bundesstraße 43 war ebenfalls ein Stift. 

Was wurde aus Rosa Stern und ihrer Familie?

Am 14. Juli 1942 wurden sie zusammen mit den 120 jüdischen Bewohner/innen der Bundesstraße 43 nach Theresienstadt/Terezin in der CSR deportiert. Sie verstarb 72-jährig am 9. Januar 1943 in Theresienstadt als letzte der drei zusammen deportierten Geschwister, Betty Worms und Siegfried Liebreich –  angeblich an Herzmuskelentartung, Herzschwäche und allgemeinem Kräfteverfall.

Ihr Sohn Fred nahm sich vor der Verhaftung durch die Gestapo in Hamburg am 23. März 1944 das Leben. Ihre Tochter Margarete zog 1937 nach Siegelsbach bei Mannheim und konnte mit ihrem Ehemann, Julius Grötzinger und dessen drei Kindern 1938 in die USA fliehen. Sie starb im Alter von 103 Jahren in Aventura/Florida. Rosas Sohn Hans überlebte das Getto Theresienstadt/Terezin. Er starb am 17.November 1974 in Dade/Florida.

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