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Holger Artus

So geht es nicht mehr weiter mit dem „Hamburger Forum“

Mit einem Schreiben an den Trägerkreis des Hamburger Forums habe ich begründet, weshalb ich für einen Neuanfang dieser einstigen breiten politischen Plattform für die Hamburger Friedensbewegung bin. Am Ostermarsch 2022 bin ich nicht mit dabei.

Ich kann den politischen Schwachsinn in der Blase nicht mehr ertragen. Seit 40 Jahren gehe ich mit auf den „Ostermarsch“.

Ostermarsch 1984 vor dem Eichenpark an der Alster

Auch, weil ich meine, das es einer Gegenmeinung in der öffentlichen Debatte und ihrer Sichtbarkeit bedarf. Die Absichtlichkeit einiger im Hamburger Forum, mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine die Wirklichkeit aus dem Wirrsinn zu erklären, hat dass Fass bei mir überlaufen lassen. Ich spreche nur für mich, bin null verankert, habe aber eine Meinung. Also schreibe ich sie auf.

2022 wird man nicht mehr beim Hamburger „Ostermarsch“ sehen. Ausgangspunkt ist die lebensgefährliche Lage, die durch den Überfall der russischen Armee auf die Ukraine für den Weltfrieden, aber auch weit darüber hinaus, entstanden ist. Bezogen auf den furchtbaren Überfall Russlands auf die Ukraine ist eure Positionierung nicht mehr zu ertragen, sowohl von der Argumentation, der Instrumentaliserung wichtiger friedenspolitischer Anliegen, der Absichtlichkeit des Täuschens, um faktisch an der mE. falschen Bewertung nach dem 24. Februar 2022 festzuhalten.

Nach dem 24. Februar 2022 wurde zuerst die Linie vertreten, dass die NATO die eigentliche Ursache für die Lage in der Ukraine ist. Das hat sich vom Grundsatz auch nicht geändert, allein die Worte wurden etwas verdreht. Später bezog man sich auf Positionen von Russland in dem sich abzeichnenden Konflikt, die längst in der Phase der Kriegsvorbereitung Russlands produziert wurden und der Täuschung der Weltöffentlichkeit diente. Und auch jetzt bewegt man sich auf der Lage der “NATO-Ursache”, wie es die ersten beiden Sätze des aktuellen Aufrufs mir verdeutlichen.

Seit langem hat das Hamburger Forum, dass in den 1980 er Jahren entstanden war, einen Weg eingeschlagen hat, der aus der Friedensfrage als Menschheitsfrage eine ideologische Frage und des Antiimperialismus gemacht hat, um faktisch durch politische Position eine Ausgrenzung anderer zu erreichen. Ich habe nichts gegen klare Worte, auch zu politischen Lagen mit einer Meinung präsent zu sein. Wer glaubt,  dass die NATO Frieden schafft, der irrt sich.  Man muss streiten, man muss für Einschätzungen werben, aber beim politischen Ergebnis muss man in der Friedensfrage wieder ein Forum schaffen, das auch die Sozialdemokratie, Gewerkschaften und Grüne mit umfasst und andere Friedenskräfte, denen es um eine Welt ohne Waffen und für Abrüstung, nicht Aufrüstung und Kriegsdrohungen geht  – wie wir es gerade erleben. Das Hamburger Forum ist längst keine bündnispolitische Plattform mehr, die die verschiedenen Zugängen zu Abrüstung, Frieden und Verständigung versucht, zusammen zu fassen. Das ist aber auch heute noch in meinen Augen angesagt. 

Die Kampagne zu den Waffenexporten muss angesicht der neue Lage gestoppt und beerdigt werden. Darüber muss man mit den Träger:innen sprechen, sie zu beenden. Vor Grundsatz ist aber auch hier das gleiche Problem entstanden: Wenn es darum geht, nur eine politische Position in Abgrenzung zu anderen zu platzieren, geht man nicht den Weg eines Volksbegehrens. Seit verschiedenen verloren (und gewonnenen) Volksbegehren gegangenen wissen wir, was trägt und wie. Ein Volksbegehren, wo man weiß, dass man es nicht gewinnt oder noch nicht einmal in eine Gestaltungssituation kommt, täuscht die Unterstützer:Innen, instrumentalisiert aus ideologischen Perspektiven Volksbegehren und schadet den demokratischen und sozialen Bewegungen in Hamburg, da sie nicht gestärkt werden. 

Wenn es eine Zukunft für das Hamburger Forum geben soll, dann macht eine Kehrtwendung und versucht den Start eines Neuanfang auf einer neuen, breite politischen Grundlage, der auch SPD und Grüne, die Gewerkschaften und weitere politische Kräfte mit im Blick hat. Daraus ergeben sich auch Chancen für eine Neuformierung einer Friedensbewegung. Sagt den Ostermarsch einfach ab und startet den Versuch eines Forums, dass um den 1. September 2022 wieder eine Sammlungsbewegung wird, dass viele politische Kräfte und Strömungen umfasst. Es ist Angesicht des Krieges in der Ukraine sicher eine Herausforderung, aber so ist das mit einem Neuanfang, mit dem Beginn setzt man neue Akzente.

Mit dem 24. Februar 2022 ist eine völlig neue Lage entstanden, die man nicht ignorieren oder wegreden kann.  Wer Ursache und Wirkung so fundamental verwechselt wie das bei euch der Fall, der kommt m.E. zu völlig falschen politischen Schlussfolgerungen. Russland ist einmarschiert und alles, was jetzt von den NATO-Staaten die Wochen vorher systematisch geplant wurde, findet jetzt in der breiten Öffentlichkeit ihre Unterstützung. Allein das tut schon weh. Das ändert nichts an der NATO, aber die Ursache ist Russland und deren chauvinistische Kriegspropaganda, die einem aus anderer Zeit bekannt sein sollte. Andere sprechen bei Putins Russland schon vom sowjetischen Volk, dass sich gegen Nazis und den (NATO)Krieg stellt –  und siegen wird. Was für eine politische Schande angesichts der Millionen Opfer und dem Beitrag dieses Landes für den Abrüstungsprozess bis in die 1990er Jahre. DIe Welt hat sich nun mal gedreht. 

Das Hamburger Forum ist schon längst in einer Krise, die sich bisher in seiner Isolierung geäußert hatte. Aber offenbar lebt es sich in der Blase schön – aber das war nicht der Ansatz, als dieses Hamburger Forum in den 1980 er Jahre entstand. Für eure politische Blase reicht ein Stammtisch. 

Also: Absagen des Ostermarsch, Beginn eines Prozess zu einem friedenspolitischen Ratschlag, der zu einer Neupositionierung in der Friedensfrage führt und sich zum 1. September 2022 erstmal niederschlägt.

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