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Holger Artus

Zu den ersten Gewerkschaftsausschlüsse 1974 in Hamburg wegen linker Positionen

Am 28. Mai 2024 findet im Gewerkschaftshaus, im „Klub“, eine Veranstaltung von ver.di zu den Ausschlüssen der Hamburger IG Druck und Papier ab 1974. An dem Einladungsschreiben habe ich mitgewirkt. Nicht alles passt mir, aber dass juckt mich nicht mehr besonders, es ist eine Einladung. Ich habe den Prozess getrieben und wirke an der Ausgestaltung des Themas in Hamburg mit. Meine Sichtweise bringe ich ein.

Auf dem Blog habe ich mich zweimal mit dem Thema beschäftigt. Einmal zum Gewerkschafts-Ausschluss in der MOPO und zum Verhalten der DKP in der Periode (und danach). Weiteres wird folgen. Zu den Vermutungen über die Gründe der Ausschlüsse hatte ich bereits in Hamburg auf der Veranstaltung der Hamburger GEW am 22. Juni 2022 dem/der Autorin:en widersprochen, die dass Thema der Ausschlüsse in einem „generationellen Konflikt“ in der Gewerkschaftsbewegung verortete.

Im „roten Jahrzehnt“, den 1970er-Jahren, befanden sich viele jungen Menschen auf der Suche nach politischen Alternativen. Sie schlossen sich den Jusos, der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) oder den zahlreichen linken Gruppierungen an, die damals neu entstanden, den sogenannten K-Gruppen. Diese strebten die Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems an.

Viele dieser jungen Linken engagierten sich in den Gewerkschaften des DGB. Sie kritisierten vermeintliche Kungeleien zwischen „Gewerkschaftsbonzen“ und „Kapital“ und setzten sich dafür ein, dass „klassenkämpferische Kollegen“ – also ihre Mitglieder – in Betriebsräte gewählt würden.

Die IG Metall und die IG Druck und Papier werteten dies als “gewerkschaftsschädigendes Verhalten” und verabschiedeten im Frühjahr 1973 Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die entsprechenden Organisationen. Ein halbes Jahr später, bei einer Sitzung vom 1. bis 3. Oktober 1973, diskutierte der DGB-Bundesvorstand ebenfalls über den Umgang mit dem „politischen Extremismus“. Der Bundesvorstand forderte alle Mitgliedsgewerkschaften auf, den Grundsatzbeschluss in den eigenen Organisationen umzusetzen. Insgesamt wurden auf Grundlage der Beschlüsse bis Anfang der 1980er-Jahre mindestens 850 Mitglieder aus den DGB-Gewerkschaften ausgeschlossen.

Mittlerweile haben sich viele DGB-Gewerkschaften von ihren Unvereinbarkeitsbeschlüssen distanziert. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat zudem diese Geschichte wissenschaftlich aufarbeiten lassen. Sie bezeichnet die Praxis der 1970er-Jahre als Fehler und hat die Betroffenen um Entschuldigung gebeten. Im September 2023 hat auch der Bundeskongress den ver.di Bundesvorstand aufgefordert, die Folgen der Gewerkschaftsausschlüsse für die Kolleg:innen aus den Quellgewerkschaften – also aus der Deutschen Postgewerkschaft, der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, der IG Medien und der ÖTV – aufzuarbeiten.

Im Juni 1974 wurden von der Hamburger IG Druck und Papier die ersten Ausschlüsse gegen Kollegen:innen von Auer Druck (MOPO), Axel Springer, Broschek vom damaligen Ortsvereins- und Landesbezirksvorstand beim Hauptvorstand beantragt, der diese bestätigte. Eine zweite Ausschlusswelle erfolgte 1976. 

Sandra Goldschmidt, ver.di-Landesbezirksleiterin Hamburg, wird in der Thema einführen. Auf Grundlage der Protokolle des Hauptvorstandes, des Hauptausschusses, des Landesbezirks-vorstandes Nordmark und des Ortsvereins Hamburg soll durch den Historiker Dr. Marcel Bois (Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg) ein Überblick gegeben werden, wie viele Menschen in der Hamburger IG Druck und Papier auf Basis des Unvereinbarkeitsbeschluss ausschlossen wurden. Einzelne Fälle sollen zudem exemplarisch vorgestellt.

Im Gespräch mit Martin Dieckmann, Sandra Goldschmidt und damals Ausgeschlossenen soll über ihre damalige Lage und die Folgen für sie gesprochen werden. 

In einer anschließenden Plenumsdiskussion soll die Debatte gemeinsam fortgeführt werden.

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