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Holger Artus

Gewerkschaftsausschlüsse in der MOPO – Unternehmen, Gewerkschaftsführung und SPD in einem Boot

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Das gerade in der Druckerei der Hamburger Morgenpost Mitte der 1970er Jahre linke Betriebsräte und Vertrauensleute aus der Gewerkschaft ausgeschlossen oder verdrängt wurden, ist ein sehr bitteres und nicht zu vergessenes Kapitel der MOPO-Geschichte. Im Zusammenspiel von Unternehmensleitung und Chefredaktion der MOPO mit dem Senat sowie von SPD und Gewerkschaftsführung wurden aktive und engagierte Gewerkschafter aus der Redaktion vertrieben. In der IG Druck und Papier, einer Vorgängergewerkschaft der heutigen ver.di, wurden Gewerkschaftsmitglieder wegen ihrer Haltung politisch diffamiert – bis zum Gewerkschaftsausschluss.

Das die sozialdemokratische Unternehmensleitung der MOPO im Zusammenhang mit dem Gewerkschaftsausschluss auch noch dem Arbeitnehmer kündigte, war besonders übel. In meiner 30 jährigen Betriebsratszeit in der MOPO hatte ich wiederholt mit verhaltensbedingten Kündigungen zu tun. Aber so dreckig wie die SPD-MOPO sich verhielt, dass ist mir in der Zeit nicht untergekommen. Da ich selber auch von einer verhaltensbedingt gekündigt war, möchte ich nur laut zu diesem Gewerkschaftsverhalten schreien: PFUI! Was noch sehr freundlich ist für das miese Verhalten.

Bereits damals war die MOPO einer schweren wirtschaftlichen Lage. Die Unternehmensleitung täuschte die Beschäftigten über die reale Lage. Sie phaselten von einer tollen Zukunft, aber Ende der 1970er Jahre beschloss die SPD sie die Schließung von Redaktion, Druckerei und Verlag, die Verluste waren in den Millionen DM. Noch einmal ein Pfui-Pfui der Kumpanei von SPD, Gewerkschaftsführung und Politik in dieser Zeit gegen Belegschaftsinteressen. Ich weiß, warum ich mit diesen Herren in der Gewerkschaft, als IG Druck oder IG Medien, Zeit meines Lebens nicht paktiert habe. Sie waren auch in den 1990er Jahren genauso so übel, nur dass die Ausschlussphase komplett passe war. Das vorab zur Kommentierung.

Berufsverbote im öffentlichen Dienst

Anfang 1972 hatten die SPD den “Radikalenerlass” in Bund und Ländern mit initiiert, um linke Kräfte, in der Praxis vor allem Mitglieder aus der DKP, aus dem öffentlichen Dienst auszuschließen. In der Anfangszeit des Radikalenerlasses erfolgte eine Regelanfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz, wenn jemand sich für eine Stelle im öffentlichen Dienst bewarb. Allein vom 1. Januar 1973 bis zum 30. Juni 1975 , kam es laut Bundesministerium des Innern zu 450.000 Anfragen bei den Nachrichtendiensten. Die Initiative „Weg mit den Berufsverboten“ sprach für die Zeit 1972 von 1.250 Ablehnungen einer Einstellung, 2.100 Disziplinarverfahren und 256 Entlassungen aus dem Dienst. Hamburg war das erste Bundesland, unter dem damaligen SPD-Bürgermeister Peter Scholz, das die Berufsverbote praktizierte. 

Wie im Öffentlichen Dienst, so auch in den Gewerkschaften- Unvereinbarkeitsbeschlüsse in der Gewerkschaft

ver.di, damals unter dem Namen  IG Druck und Papier (DruPa), war die erste deutsche Gewerkschaft, die einen so genannten “Unvereinbarkeitsbeschluss” fasste. Wer sich gemein machte mit revolutionären Zielsetzungen, “durch Äußerungen in Wort und Schrift beziehungsweise durch aktive Mitwirkung unterstütze”, verstoße gegen die Satzung und kann ausgeschlossen werden. Als “revolutionäre Zielsetzungen”‘wurde definiert, wer sich zur “Revolutionären Gewerkschaftsopposition oder Gruppen gleicher bzw. ähnlicher Zielsetzungen bekenne”. 

Bereits Ende der 1960er Jahre hatte die Gewerkschaftsführung den Beschluss gefasst, dass die “Sicherung der Demokratie zu achten und bedingungslos gegen Linksradikalismus zu kämpfen” sei. Der damalige DruPa-Vorsitzende, Leonhard Mahlein, sprach sogar von “linksfaschistischen” Gruppen, die man bekämpfen müsse. 

Rausschmiss linker Sozialdemokraten aus der MOPO-Redaktion

Die Studierenden-Bewegung Ende der 1960er Jahre gegen den universitären Mief, ihr Aufbruch gegen die Darstellungshoheit des politischen Geschehens durch die herrschenden Meinung, der Vietnam-Krieg, die Hetze der bürgerlichen Medien gegen die Studierenden-Bewegung, u.v.a.m. fand seine Nachfolge in der Neuorganisation linker Bewegungen Anfang der 1970er Jahre. Es kam zur Gründung der DKP, linke Gruppen bildeten sich vielerorts und formierten sich regional und überregional. In den Betrieben kam Ende der 1960er Jahre wieder eine  größere Streikbewegung. Was bisher von den Tarifparteien am Tisch ausgehandelt wurde, brach immer mehr auf und die Verteilungsfrage wurde mehr über Streiks ausgetragen. Die 1. Mai-Demonstrationen fanden wieder auf der Straße statt und nicht im Saal. Alle diese Entwicklungen machten vor den Unternehmen nicht halt, sondern fanden ihren Niederschlag in den Betriebsräten und Gewerkschaften.

Die seit Ende der 1960er Jahre aufgebrochene wirtschaftliche Krise der Auer-Druckerei und dann dem Gesamtunternehmen führte mehr und mehr zum Aufbruch auch der Loyalität in der sozialdemokratischen Redaktion. Massenentlassungen in der Auer-Druckerei Anfang der 1970er Jahre auf Grund von Sanierungsmaßnahmen des SPD-Eigners führten zu Unzufriedenheit und Ablehnung der Sozialpartnerschaft auch in der Arbeiterschaft. Da Redaktion und Druckerei keine getrennte Einheiten am Speersort waren, fand die Arbeiter-Debatte auch ihren Widerhall in der Redaktion. Eine Parteizeitung und ein sozialdemokratische Senat, dass führte zu zusätzlichen Spannungen, da der Senat immer wieder in die Redaktion hinein regierte, was Gegenkräfte formierte. 

Der Unternehmensleitung und der  MOPO-Chefredaktion ging es in die dieser Zeitspanne darum, diese linke Formierung und Meinungsbildung zu unterbinden. Man war in erster Linie Parteizeitung. Die SPD regiert Hamburg und die Redaktion muss Senatsmeinung abbilden. In einer Auseinandersetzung um die sozialdemokratische Wohnungspolitik in Hamburg 1973,  an der die gewerkschaftseigene Wohnungsgesellschaft “Neue Heimat” beteiligt war, brach dieser Konflikt vollends auf. Am 19. April 1973 kam es zur Besetzung von Häuser in der Ekhofstraße 39.. Dabei ging es um eine Immobilie der  gewerkschaftseigene Hausbesitzerin „Bewobau“, eine Tochter der „Neuen Heimat“. In Hohenfelde sollten Altbauten großflächig plattgemacht  und unter anderem ein 19-geschossiges Hochhaus mit bis zu 600 ‚Komfortwohnungen gebaut werden. Ziel des damaligen SPD-Senats sei es gewesen, einkommensschwache Hamburger in gesichtslose Stadtrandsiedlungen zu verdrängen. Die redaktionelle Berichterstattung der MOPO über diese Hausbesetzung wurde von der Hamburger Polizei und dem Innensenator massiv denunziert. Die SPD verfolge den Rausschmiss von zwei Redakteure, u.a., dem Lokakchef.  25 SPD- Bundestagsabgeordnete solidarisieren sich mit den beiden. Andreas Conradi (Lokalchef) hatte nach der Räumung kommentiert, dass das Problem des Wohnraums im Hamburg nicht gelöst sei. Das Problem sei, dass intakte Wohnungen abgerissen werden, um daraus Eigentumswohnungen zu machen. Weithart Otto, MOPO-Betriebsratsvorsitzender und Reporter vor Ort während der Besetzung wurde massiv angegangen. Er hatte die Nase voll von der durch regierende Regierungs-SPD in der Redaktion und verließ die Zeitung.

Gewerkschaftsvorsitzender bei Auer Druck soll rausgeschmissen werden

Dieses Politik der Bekämpfung von linken Bewegungen und deren Formierung in der Gesellschaft durch Berufsverbote, der Unterbindung einer eigenen innerredaktionellen Meinungsbildung in der MOPO, fand sein Abbild auch in den (sozialdemokratischen) Gewerkschaftsbewegung. Was der SPD-Führung nicht passte, wurde denunziert und Gewerkschaftsmitglieder ausgeschlossen. Es ging um  die Einschüchterung von linken und sozialistischen Positionen. Faktisch hatte sich ein Mob von Gewerkschaftsführung und Betriebsrat in Hamburg zusammengetan und war mit denunziatorischer Absicht aufgetreten, um Meinungen und Haltungen in den Dreck zu ziehen und zu diffamieren. Mit dem Scheitern der MOPO-SPD 1979/80 war das alles vorbei. Seit 1987 haben diese Gewerkschafts-“Herren” bei uns im Betriebsrat (und im Unternehmen) keinen Platz mehr gefunden. Ich habe mich aber in der ganzen Zeit immer wieder mit ihnen herumschlagen müssen. Ihre Haltung und Absichten war nicht anders geworden, nur gab es keine Gewerkschaftsausschlüsse mehr. 

Was waren die Hintergründe für den Ausschluss eines engagierte Gewerkschafters aus der IG Druck und Papier in der MOPO?

In Hamburg gab es die ersten Ausschlüsse aus der IG Druck und Papier 1974, es folgten weitere 1976 und 1977. Später hat sie die ausgeschlossenen Mitglieder wieder aufgenommen und verschiedene von ihnen haben später in den Betriebsräten, in der IG Medien oder ver.di verantwortliche Funktionen übernommen. 

Im Kern wollte die Gewerkschaftsführung Meinungen unterbinden. Es sollte keine andere geben als ihre Sichtweise. Die Belegschaft von Auerdruck hatte sich bereits aktiv in der Drucktarifrunde 1973. Über den Abschluss von 10,8 Prozent gab es eine heftige Debatte in den Hamburger Druckbetrieben.  55 Prozent der DruPa-Mitglieder im Norden lehnten damals den Abschluss ab. Es gabe Betriebe wir Bauer Druck Köln, wo es 80 Prozent der Mitglieder waren, die gegen den Abschluss votierten. Bundesweit waren es aber nur 43 Prozent. Im Vorfeld der Streikauseinandersetzung war die politische “Ansage”, dass es keinen Abschluss unter 13 Prozent geben sollte. Allein die Preissteigerung lang 1973 bei 8,8 Prozent. Er wäre beim Streikdruck mehr drin gewesen, so die Haltung in den Betrieben. In Hamburg kam es nach dem Abschluss zu einer spontanen Arbeitsniederlegung und Demonstration zum Gewerkschaftshaus. Mehrere hundert Arbeiter kamen dort zusammen: “ Empört über den Abschluß der Tarifkommission bei 10,8 Prozent hatten sich die Kollegen von Broschek und Lehrlinge von der Berufsschule bei Springer eingefunden. Gemeinsam zogen sie durch die Innenstadt zu Auer und zum Bauer-Verlag, wo die Kollegen bereits auf den Demonstrationszug warteten. Von dort ging es zum Gewerkschaftshaus. Wolf wurde aufgefordert, sich den Fragen der Kollegen zu stellen. Die Demonstrationsteilnehmer waren nicht bereit, irgendwelche Delegationen verhandeln zu lassen, sondern zogen alle in den Saal. Wolf blieb nichts anderes übrig, als sich zu stellen… Die Forderung der Anwesenden nach einer Mitgliederversammlung mit Stimmrecht aller noch vor der Urabstimmung, wurde mit dem in diesen Fällen üblichen Hinweis auf die Satzung abgewiegelt. “ 

Eine weitere betriebliche Konfliktlinie ergab  sich aus den Massenentlassungen von 120 Arbeitern in der Auer-Druckerei im Januar und Februar 1974 sowie das Verhalten der Hamburger Gewerkschaftsführung dazu. Großer Gruppen in der Druckerei waren betroffen, dass ihre Kritik mit dem Argument, lieber 120 statt die Stilllegung des ganzen Betriebes, was 400 Arbeitsplätz bedeutet hätte, abgebügelt wurde. 

Ende April 1974 beschloss der Hamburger Ortsvereinsvorstand der IG Druck und Papier unter Vorsitz von Heinz Wolf und seinem Stellvertreter, Günther Metzinger, den Ausschluss von Karl Heinz Wittrock aus der Gewerkschaft. Es erfolgte genau in der Zeit, in der auch die SPD-Unternehmensleitung der Auer-Druckerei eine Kündigungsabsicht gegen Wittwock betrieb. Auf der Delegiertenversammlung der Hamburger IG Druck und Papier am 25. April 1974 wurde dieses Ausschluss-Anliegen zurückgewiesen und der Vorstand zur Unterstützung von Wittrock bei den Kündigungsabsichten der Unternehmensleitung von Auerdruck aufgefordert.

Der Ortsvereinsvorstand ignorierte jedoch diesen Delegiertenbeschluss und verfolgte seine Ausschluss-Linie. In diesem zeitlichen Zusammenhang entschieden sich verschieden linke Gewerkschafter/innen aus den Hamburger Druckbetrieben, sich ein gemeinsame Publikation zu verschaffen und gaben Ende April 1974 eine eigene Betriebszeitung, DIE ALTERNATIVE, heraus. In der ersten Ausgabe wurden die verschieden Fälle der von Ausschluss bedrohten Gewerkschaftsmitglieder dokumentiert.

Gegen Karl-Heinz Wittrock hatte die SPD-Unternehmensleitung 1974  insgesamt drei Kündigungen aussprechen wollen.  Am 15. Mai 1974 wurde die dritten Kündigungsanhörung gegen beim Betriebsrat beantragt, die anderen hatte er abgelehnt. Der Vorwurf war, dass er Informationen an die Belegschaftszeitung “Die Alternative” weitergegeben haben soll. Der Betriebsrat hatte mit Mehrheit dieser Kündigung ihres eigens Mitglieds zugestimmt. 

Der erste Kündigungsversuch wurde am 9.4.1974 gestartet. Der Vorwurf an Wittrock war ein angeblicher Betrugsversuchs, der aus einer falschen Aussagen eines Hauptabteilungsleiter bei Auer und DruPa-Vorstand, Walter Domning, konstruiert wurde. Wittstock outete den Vorgang in Form einer “Persönlichen Erklärung” die das Unternehmen als Vorwand für ihrem zweiten Kündigungsantrag nutzte.

Liest mein die Auseinandersetzung um die zweite Kündigung, so kann einem speiübel werden, wie sich der Betriebsratsvorsitzende, Ulrich Heinemann – und AfA-Vorsitzende der SPD in Hamburg – verhielt. Die Unternehmensleitung hatte gegenüber dem Betriebsrat erklärt, dass sie vermuten, dass das Loch bezüglich der Veröffentlichung der Kündigungsanhörung im Betriebsrat selber zu finden sei, da Anhörung gegenüber Wittrock in der der KB-Betriebszeitung DER DRUCKARBEITER veröffentlicht worden sei. Das war in ihren Augen ein Verstoß gegen ein Betriebsgeheimnis. Der Betriebsrat erklärte auf einer Sondersitzung an einem Sonntag, dass sie wüssten,  dass Wittrock derjenige gewesen sein sollte, ohne das es dafür einen Beweis gab. Die Mehrheit des Betriebsrats missbilligte weiterhin die Praxis von Wittrock, die Vertrauenskörperleitung über seine Kündigung in Szene gesetzt zu haben. Sie beschlossen, dass Wittrock künftig keine Dokumente mehr zur Betriebsratssitzung erhalten solle (Druckarbeiter, 9.5.1973). Er selber konnte an der Sitzung nicht teilnehmen, verwahrte sich aber gegen die Absicht, ihm keine Unterlagen zur Verfügung zu stellen und Unterlagen, die nicht als nichtvertraulich bezeichnet wurden, nicht an die Vertrauensleute weiterzugeben dürfen. 

Am 11. Juni 1974 beschloss der IG Druck und Papier  Landesbezirksvorstand Nordmark am gegen elf Kolleginnen und Kollegen, wegen “wiederholter Zuwiderhandlung gegen den Beschluss des Hauptvorstandes vom 9. März 1973 (Abgrenzungsbeschluss)” den Antrag auf deren Ausschluss beim Hauptvorstand der Gewerkschaft zu stellen. Vorgeworfen wurde ihnen “laufende Mitwirkung im Kreis oppositioneller Gewerkschafter” und der Herausgabe einer Zeitung. Einzelnen wurde auch eine “aktive Betätigung auf einer gemeinsamen Maikundgebung der KPD und des KB” 1974 angelastet. Zu den ausgeschlossenen gehörte aus der MOPO  Karl-Heinz Wittrock. 

Der Hauptvorstand der IG Druck und Papier fasste abschließend im Oktober 1974 den Beschluss des Gewerkschaftsausschluss von Karl-Heinz Wittrock. So wie es Wittrock erging, Ausschluss aus der Gewerkschaft und Kündigung im Unternehmen erging es den meisten Betroffenen. 

Quellen:

MAO-Projekt, Materialien zur Analyse von Opposition (MAO) https://www.mao-projekt.de/

Rotbuch zu den Gewerkschaftsausschlüssen j.reents verlag Mai 1978 , S. 454 ff

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