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Holger Artus

Filippo Faustinelli, ein italienischer Arbeitsmigrant in der NS-Zeit in Hamburg

Auf einem Rundgangs der Stiftung Wasserkunst Kaltehofe zur „NS-Zeit und Krieg in Rothenburgsort“ im Rahmen der Woche des Gedenkens in Hamburg Mitte am 28. April 2024 war der Billhorner Deich 76 eine Station.

Der Rundgang begann vor dem Mahnmal für die NS-Zwangsarbeiter auf Kaltehofe, führte u.a. zum Stolperstein für Italo Carlini am Billhorner Deich 2, zum ehemalige Kinderkrankenhaus Rothenburgsort in der Marckmannstraße, dem Feuersturm Denkmal und zum Schluss zur Gedenkstätte Kinder vom Bullenhuser Damm. Hier meine Stichworte:

In dem bis heute bestehenden Gebäude am Billhorner Deich 76 war nach Angaben von Friederike Littmann ein „Ostarbeiterlager“ mit eigener Küche und nachgewiesenen (83) Essensteilnehmenden. 1941 waren hier Italiener, 1943 polnische Bürger durch die Reichsbahn untergebracht.

Einer der bekannt gewordenen Namen war Filippo Faustinelli,  ein italienischer Arbeitsmigrant, der nach den bisherigen Unterlagen 1941 nach Hamburg kam. In Dokumenten wurde er erstmals im März 1941 aufgeführt. Er lebte im Lager der Reichsbahn am Billhorner Deich 76. Er kam am 3. Dezember 1944 in KZ Schandelah ums Leben.

Filippo Faustinelli war Arbeitsmigrant in Hamburg ab 1941

Deutschland und Italien waren politisch und militärisch Verbündete. Ab 1938 gab es ein Abkommen der beiden Staaten, das den Einsatz italienischer Arbeitskräfte in Deutschland regelte. Damals wurden 31.000 deutschlandweit, vor allem in der Landwirtschaft, eingesetzt. Sie wurden schwerpunktmäßig in Mitteldeutschland, Niedersachsen, Hessen, Südwestdeutschland und Bayern eingesetzt. 

Im Juni 1940 gab es in eine weitere Vereinbarung über den Einsatz von 20.000 gewerblichen Arbeitskräfte aus Italien. Sie kamen u.a. auch in Wolfsburg und den VW-Werken in Fallersleben zum Einsatz. Ihre Beschäftigung  war auf ein Jahr befristet. Im Februar 1941 wurden den Bedarf an Arbeitskräften von 200.000 gegenüber Italien eingefordert.

Ende April 1941 war entgegen allen Ankündigungen die Zahl der für den Nordmark-Bezirk angeworbenen Italiener verhältnismäßig gering. Die 1.898 Männer und 109 Frauen machten nur 1,8 Prozent aller im Landesarbeitsamtsbezirk Nordmark arbeitenden Ausländer aus. Für Hamburg existieren Zahlen der Anfang 1941 in der gewerblichen Wirtschaft eingesetzten Ausländer, nach denen 531 Italiener als gewerbliche Kräfte arbeiteten. Einer von ihnen war Felippo Faustinelli. Da die Unterlagen des Hamburger Arbeitsamt für diese Zeitspanne im Hamburger Staatsarchiv immer noch gesperrt sind, kann man keine genaueren Angaben machen.

Ende Juli 1941 war die Zahl der italienischen Arbeitskräfte in Hamburg auf 1.984 angewachsen. Sie waren der Reihenfolge nach am stärksten im Baugewerbe, in Rüstungsbetrieben und im Verkehrsbereich, insbesondere bei der Deutschen Reichsbahn, beschäftigt. Bis Anfang 1943 stieg die Anzahl der Italiener nach Schätzung von Friederike Littmann unter den Ausländern die „stärkste Gruppe mit einem Anteil von 20 Prozent. Dies entsprach etwa 6.200 Personen.“

Reichsbahnlager am Billhorner Deich 76

Das Lager am Billhorner Deich 76 war eines der Reichsbahn, so dass er zu diesem Zeitpunkt mit anderen Landsleuten für die Bahn gearbeitet hatte. Nachweislich gab es hier Zwangsarbeiter aus anderen Ländern. Hier waren damals u.a. der Verschiebebahnhof und die Bahnmeisterei Rothenburgsort.

Filippo Faustinelli wurde spätestens seit Oktober 1943 von einem Bauunternehmen, Max Giese, in Hamburg beschäftigt. Er musste im Lager „Millerntorplatz“ wohnen. Heute würde es sich auf Höhe des „Zwicks“ befinden. Er gehörte zu den rund 500 Italienern, die im Sommer 1943 noch in Hamburg arbeiten und nicht nach Italien zurück fuhren. Tausende Italiener aus Hamburg  beendeten ihr Arbeitsverhältnis angesichts der Zerstörungen der Stadt im Juli 1943.

Mit dem 8. September 1943 änderte sich der Status der Italiener in Deutschland, da das Land mit den Alliierten einen Waffenstillstand bekannt gegeben hatte und im Gegenzug die italienischen Soldaten von der deutschen Wehrmacht entwaffnet und gefangen genommen wurden. Wer nicht bereit war, weiter als Soldaten an der Seite Nazi-Deutschland zu kämpfen, wurde Zwangsarbeiter. Die einst Verbündeten wurden zu „Verrätern“.

Bisher kann man zu den Arbeitsstationen und Lager in Hamburg von Filippo Faustinelli in Hamburg nichts weiter sagen. Dokumente aus Ende der 1940er Jahre legen nahe, dass er seit dem  22. Septenber 1943 beim Bauunternehmen Max Giese bis zu seiner Inhaftierung im KZ Neuengamme im Juni 1944 bei hatte.

Ums Leben gekommen im KZ Außenlager Schandelah

ÜberBekannt ist nur, dass er im Juni 1944 ins KZ Neuengamme verschleppt wurde und von dort im Juli 1944 ins Außenlager des KZ Neuengamme Schandelah, in der Nähe von Braunschweig kam, mit weiteren Inhaftierten Italiener aus Neuengamme. Hier kam er am 3. Dezember 1944 ums Leben.

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