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Holger Artus

Eine KZ-Gedenkstätte an vielbefahrenen Hauptverkehrsstraße in Wedel

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Nach der Beendigung der Arbeitskommandos der jüdischen Frauen aus dem KZ Außenlager im Lagerhaus G am Dessauer Ufer wurden sie auf drei Außenlager verteilt, auf die Lager in Fischbek, Sasel und Wedel. Letzteres entstand aus einem Zwangsarbeitslager an der Rissener Straße in Wedel. Ab dem 13. September 1944 waren hier rund 500 tscheslowakische und ungarische Jüdinnen im KZ in Wedel festgesetzt.

Die Frauen, so schreibt die Gedenkstätte Neuengamme, wurden vor allem zu Aufräumungsarbeiten im Hamburger Stadtgebiet eingesetzt. Zu Fuß oder per Lkw wurden sie an die Elbe und per Schiff weiter nach Teufelsbrück gebracht. Neben der Trümmerbeseitigung mussten sie dort Waggons mit Ziegelsteinen be- und entladen. Eine weitere Aufgabe waren Erntearbeiten bei Wedeler Landwirte.

Nach 14 Tagen, am 27. September 1944 , erfolgte allerdings eine Verlegung in das Außenlager in Eidelstedt, am Friedrichsruher Weg. Heute erinnert ein Gedenkstein an der vielbefahrendenen Rissener Straße in Wedel an das Außenlager des KZ Neuengamme.

Eine der Frauen, die vom Dessauer Ufer ins Außenlager im Wedel verlegt wurden, war Hedi Fried. Sie war als Hedi Szmuk am 15. Juni 1924 im rumänischen Sighet geboren. Zusammen mit ihrer Schwester, Livia Szmuk, geboren am 4. Dezember 1928, war sie am 15. April 1944 aus dem Ghetto Sighet nach Auschwitz deportiert worden. Ihre Eltern wurden noch am Tag ihrer Ankunft ermordet.

Hedi Fried erinnerte sich an diesen Tag: „Wir Auserwählten wurden zu einem anderen Lager gebracht. [..] lch blickte auf den Schornstein und dachte an meine Eltern. Meine Verwirrung war so groß, dass ich die Stimme meiner Mutter zu hören glaubte: Kümmere dich um deine Schwester.“[..] Waren das nicht ihre letzten Worte gewesen? […] Kümmere ich mich so um sie? Indem ich mich selbst rette und sie sterben lasse? Nein, das darf nicht geschehen. Wenn sie sterben muss, werde ich mit ihr sterben. […] Jetzt wusste ich, was ich tun würde. Wenn ich sie nicht herausbekommen konnte, wolte ich zurück in den Block gehen und bei ihr bleiben, ihr Schicksal teilen, was immer es auch sein mochte. […] Als ich vier meiner ehemaligen Blockgefährtinnen…] auf uns zukommen sah, wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich ging ihnen entgegen und fragte, ob eine von ihnen den Platz mit mir tauschen wolle. Nina (die ebenfalls von ihrer Schwester getrennt worden war) sprang sofort darauf. […] Schnell waren wir uns über einen Plan einig. […] Ich zog mein rotgeblümtes Wollkleid aus und Ninas graue Anstaltskleidung an ..] und ging mit den drei anderen durch das Lagertor zurück.“

Von Auschwitz wurden beide im August 1944, wie viele anderen tausende jüdische Frauen, nach Deutschland geschickt, um hier zur Zwangsarbeit eingesetzt zu werden. Die „arischen“ Arbeitskräfte wurden für Hitlers Krieg an der Front gebraucht. Die beiden Schwestern kamen ins Außenlager am Dessauer Ufer, ins Lagerhaus G. Insgesamt waren hier 1.500 jüdischen Frauen festgehalten worden.

„Nach der Räumung des Frauenlagers“, so schreibt die Gedenkstätte Neuengamme, „ wurde das Außenlager Wedel mit männlichen KZ-Häftlingen belegt. Am 17. Oktober 1944 wurden etwa 500 Männer, meist polnische, sowjetische und niederländische Häftlinge, nach Wedel gebracht. Sie wurden zum Bau von Panzergräben für den geplanten Befestigungsring – Projekt Friesenwall – um Hamburg und zudem zu Schanzarbeiten in Hamburg-Sülldorf … eingesetzt. … Am 20. November 1944 wurden die Häftlinge durch die SS in das Außenlager Lager Meppen-Versen des KZ Neuengamme transportiert.“


2002 besuchten Hedi und Livia Szmuk den Gedenkort in Wedel.


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