Eine Prognose über die Entwicklung der Druckindustrie besagt, dass die Branche in den kommenden fünf Jahren im Umsatz um 3 % schrumpfen wird, rund 3.500 Unternehmen aufgeben oder fusionieren werden. Neben den Lohndruckereien werden künftig auch die Zeitungsdruckereien von der Konkurrenzauseinandersetzung betroffen sein und es kommt zu einer Konsolidierung. Die Empfehlung für die Arbeitgeber: Baut Kapazitäten ab, optimiert eure Prozesse, überprüft eure langfristige Strategie und klärt, ob man verkauft oder kooperiert. In ver.di wird diese Prognose kaum eine Rolle spielen, höchsten beim Wort Kapazitätsabbau würde sich etwas regen, ist man doch bei diesem Thema im Boot mit den Arbeitgebern und lässt sich von denen an de Nase rumführen. Die drei Berater-Stichorte müssten in ver.di dazu führen, die bisherige Herangehensweise insbesondere im betrieblichen Bereich zu überprüfen und den Versuch starten, die bisherige Praxis zu hinterfragen.
Die Wirtschaftskrise hinterlässt auch in der Druckindustrie ihre Spuren. Die Insolvenzen sind in 2009 um 45 % gestiegen, die Anzahl Unternehmensgründungen betrug per 2009 2.046, davon 153 Ãœbernahmen. Die Abmeldungen lagen bei 2.026. Komplett aufgegeben haben ihr Gewerbe 1.511 Unternehmen (gegenüber 1.577 kompletten Neugründungen). Bezieht man sich auf die Umsatzsteuerstatistik des Druckgewerbes, so kann muss man konstatieren, das die steuerpflichtigen Lieferungen und Leistungen bereits von 2007 auf 2008 von 23.571 Mio. € auf 23.116 Mio. € zurückgegangen sind. Die Anzahl der steuerpflichtigen Unternehmen (mehr als 512 € Umsatz im Jahr) ist seit Jahren rückläufig. Im Zeitraum 2003 bis 2008 stiegt der steuerpflichte Betrag der Druckunternehmen relativ gering um 1.3 Prozent. Die Umsätze des Druckgewerbes liegen um 4,8 Prozent unter denen von 2002.
2008 |
2007 |
2006 |
2005 |
2004 |
2003 |
2002 |
|
Umsatz |
23.116 |
23.571 |
23.775 |
23.228 |
222.746 |
22.812 |
24.348 |
Unternehmen |
14.805 |
14.941 |
15.255 |
15.388 |
15.481 |
15.702 |
16.117 |
Quelle: Statistisches Bundesamt, Steuerpflichtige Lieferungen und Leistungen im Druckgewerbe insgesamt 2002 – 2008
Verfolgt man die Unternehmensübernahmen in der Druckindustrie nach Gewerbeanmeldungen, so wird sichtbar, dass es nach dem durchschreiten der Rezession 2001/2002 im Folgejahr (2003) zu einer vermehrten Anzahl an Ãœbernahmen gekommen ist, die aber danach schnell wieder stagniert, also eine schnelle Marktbereinigung. In der Druckindustrie betrug die Zahl der Fusionen 2008 205, im Jahr 2009 waren es nur noch 153. Neben den Folgen der Rezession sprechen die Druckunternehmen noch von strukturellen Herausforderungen, die sich über einen längeren Zeitraum vollziehen. U.a. wird verwiesen auf die Folgen des Internets für die Verschiebung von Werbevolumen und damit der Druckaufträge bzw. Auflagenhöhe und Umfang; die Konzentration bei den Markenartikler und bei den Lieferanten (Papier, Farbe) für die Druckindustrie. Die in den letzten Jahren aufgebauten Überkapazitäten treffen auf ein überproportional zurückgehendes Druckvolumen.
Es wird zu einer Konsolidierung in der gesamten Druckindustrie kommen, dass ist aber keine neue oder unbekannte Aussage. In ver.di gibt es höchsten die Tendenz, dieses Thema nicht groß zu problematisieren, da man sich nicht mit den Schlussfolgerungen für die gewerkschaftliche und strategische Arbeit in der Branchen beschäftigten will. Gerne verweist man auf andere Branchen oder dem Gesamtdurchschnitt. Auch die Aussage, dass es jetzt bei den Zeitungs-druckereien zu einer Konsolidierung kommt, ist unstrittig. Spätestens mit dem Gemeinschaftsunternehmen von Darmstädter Echo und VRM ist es ein gewerkschaftsöffentliches Thema geworden. Die Schließung der Druckerei des Freien Wort in Suhl und die Auftragsüernahme durch die WAZ in Erfurt und ein anderes Unternehmen in Würzburg hat dieses Problem aktuell verdeutlicht. Aus der konkreten Auseinandersetzung werden die konkret Beteiligten ihre Schlussfolgerungen gezogen haben und in verschiedenen Stabsstellen wird die Dringlichkeit, sich in diesem Bereich zu formieren gesehen, aber als Grundansatz wird es nicht verfolgt.
Das Verhalten von ver.di im Tiefdruck macht das ganze Dilemma der nicht vorhandenen Strategie deutlich. Statt den Konsolidierungsdruck auch gewerkschaftlich aufzugreifen, um sich insgesamt zu formieren, wird im Kern in jedem Betrieb eine Sanierungsvereinbarung geschlossen. Bloß nicht die Belegschaften insgesamt auf die Palme bringen, wenn man für Betrieb von Betrieb vorgeht, hofft man, die Folgen der Wirtschaftskrise zu bestehen. Dies wäre ein völlig falscher wie vernichtender Weg. Die strukturellen und konjunkturellen Herausforderungen für dieses Marktsegment sind umfänglich beschrieben. Die Unternehmer sehen in der Konsolidierung den einzigen Weg der Erleuchtung ihrer Zukunft. Ihr Wettbewerb hat in den vergangenen Jahren fast 2.000 Arbeitern im Tief- und Offsetdruck den Arbeitsplatz gekostet. Arvato hat aus strategischen Gründen in den letzten drei Jahren über 200 Mio. € aus den Büchern abgeschrieben, allein im letzten Jahr über 100 Mio. € . Die Investitionen in den Ausbau der Kapazitäten werden nicht mehr realisiert. bauer druck köln investierte Millionen in die Kölner Druckerei, hat sich aber 2009 für die Schließung eines gerade modernisierten Maschinenparks entschieden.
In der schlott guppe erleben die Beschäftigten dieses europäischen Druckkonzern aktuell, das ein Sanierungstarifrvertrag die beschriebenen Seiten keinen Wert haben. Die Wirkung hat weit über die einzelnen Gruppe Bedeutung. Die Unternehmen demonstieren, was sie von Zusagen halten und machen deutlich, wie man mit ver.-di umspringen kann. Erneut werden hunderte ihre Arbeit verlieren, wird den Arbeiter Entgelt gekürzt. Das alles unter Beteiligung von ver.di, die noch vor einem halben Jahr gesagt hat: Der unterschriebene Sanierungstarifvertrag vom September 2009 stellt einen Kompromiss aus Beschäftigungssicherung und Beschäftigtenbeitrag dar. Es wird sich zeigen, dass es kein Regelung zur Beschäftigungssicherung war, nur der Einstieg in einen Personalabbau. Allein das Wort Beschäftigtenbeitrag ist Hohn!
Verteilungsauseinandersetzung zwischen den Druckunternehmen werden zunehmen
Die Verteilungsauseinandersetzung zwischen den Unternehmen im Druckmarkt um die Kunden und deren Aufträge wird zunehmen. Neben dem Tagesgeschäft/-auftrag werden aber alle größeren auch an ihrer Druckstrategie für die Zukunft basteln bzw. sie weiter umsetzen. Die Unternehmen werden von Annahmen des Druckmarktes, der Auftragsstruktur, der Kosten etc. in den kommenden Jahr ausgehen und daran ihr konkretes Vorgehen prüfen. Aus Beraterkreise wird angesichts des anhaltenden finanzielle Drucks auf die Unternehmen verstärkt die Fragen der Optimierung im Unternehmen und im Verbund eine Rolle spielen. Verkauf des Unternehmens und Kooperationen mit anderen Unternehmen werden an Bedeutung gewinnen. Wie bisher praktiziert, wird die Zahl der tariflosen Druckereien zunehmen und wird in den tarifgebundenen Druckereien an den Arbeitskosten gedreht. Soweit sie tariflich gebunden sind, werden sich die Unternehmen sich zur kommenden Tarifrunde aufstellen. Es wird bei den anderen üblichen Maßnahmen wie OT-Mitgliedschaft, Verbandsaustritt und Leiharbeit bleiben. Sie sind ein politisch wichtiges Druckinstrument, aber nicht die zentrale Steuerungsgröße. Druckereien auf der grünen Wiese, Kooperationen und Fremdvergabe des Druckauftrages sind dabei erfolgreicher. Diese Strategie muss aber finanzierbar sein und strategisch in die langfristige Unternehmensstrategie passen.
ver.di sitzt an einer zentralen Schnittstelle in der Druckindustrie – fängt aber nichts damit an
Der Druck der Unternehmen auf die Arbeitskosten führt dazu, dass die Produkte billiger werden. Dies ist die entscheidende Größere auch für den Wettbewerb am Druckmarkt. An dieser Schnittstelle der eigentlichen Verteilungsauseinandersetzung sitzt ver.di mit seinen zehntausenden Mitgliedern. Faktisch hat sie damit eine große Gestaltungsmöglichkeit. Praktisch wird diese Gestaltungsraum nicht erschlossen, sondern wird die Mitgliedschaft durch eine Bündnis mit den Arbeitgebern desorganisiert. Die Folgen liegen auf der Hand: Keine Ansage, kein Vertrauen. Kein Vertrauen, keine Unterstützung.
Marktbereinigung wird kommen und damit die künftige Rolle von ver.di sich klären
Die Veränderungsprozesse in der Druckindustrie werden sich vollziehen, sie ergeben sich aus den Wertschöpfungsprozessen. Wenn ihr Ergebnis aber eine Reduzierung der Arbeitskosten ist, aber eine Erhöhung Finanzierungskosten und des Anlagevermögen bedeuten, wird bereits jetzt der Nährboden für die nächste Runde unternehmerischen Maßnahmen der Optimierung eingeläutet. Erlebt die Branche auf Sicht nicht, dass mit der Gewerkschaft wieder zu rechnen ist, wird wenig von der ehemals kämpferischen Gewerkschaft IG Druck und Papier/IG Medien (heute in ver.di Fachbereich Medien, Kunst und Industrie) überbleiben. Was bleiben wird, ist die Konkurrenz um die Aufträge und zwischen den Belegschaften, um den sozialsten Unternehmer und was man alles als Belegschaft erreicht hat.