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Holger Artus

Keine Haltung ist auch eine Haltung

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Im Januar 2009 erklärt der Vorsitzende der SPD-Medienkommission, dass es einer Änderung im Pressefusionsrecht bedarf. In ver.di will das niemand kommentieren. Von oberste Stelle wird argumentiert, wir sind in einer Krise und es sei nötig, sich als Gewerkschaft zu der Krise der Printmedien zu verhalten. Den Verlegern muss durch staatliche Hilfe zur Seite gesprungen werden. Ziel wäre eine Förderung der gedruckten Medien, damit sie überleben. Die Änderung des Kartellrechts und den Printmedien kommt sowieso, jetzt müsse man den besonderen gewerkschaftlichen Standpunkt in der Gestaltung suchen, wenn man den Grundprozess schon nicht mehr aufhalten kann  – immerhin müssen wir doch einsehen, dass wir in der Krise sind. Soviel Blödsinn konnte ich nicht ertragen, also gab es einen „Offenen Brief“ an den SPD-Medienkommissionsvorsitzenden durch ehrenamtliche ver.di-Vorsitzende aus den Bundesländern, wenn schon die Verantwortliche keine Haltung beziehen wollen. Klar gab es auch eine Kopie an ver.di. Später habe ich im März auf einer ehrenamtlichen Tagung in Berlin auch zum Thema der Verteidigung der Demokratie und Pressevielfalt in der Krise gesprochen. Nachdem die SPD die Einigung unter den Verlegern massiv vorangetrieben hatte, gab es dann auch eine  Presseerklärung von ver.di gegen eine Veränderung beim Pressefusionsrecht. Das ver.di-Führungspersonal: Wir hatten nie eine andere Haltung.

Offener Brief an Jan-Eric Eumann (SPD)

Sehr geehrter Kollege Eumann,

anlässlich der Übernahme der deutschen Mecom Betriebe durch die Mediengruppe DuMont Schauberg haben Sie am 13.Januar 2009 als Sprecher der SPD-Medienkommission u.a. erklärt, es sei jetzt an der Zeit, Pressefusionen zu erleichtern. Diese Ihre Grundposition halten wir als Gewerkschafter/innen und Betriebsräte in Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen für falsch, für einen Irrweg mit Kollateralschäden für die Demokratie. Uns geht es dabei nicht um Details, von denen Sie etwa am Beispiel von Vertriebskooperationen sprechen. Uns geht es um den Kern, um die Richtung Ihrer Aussagen.

Wir erinnern daran, dass die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) es grundsätzlich ablehnt, Pressefusionen zu erleichtern. In dem entsprechenden Grundsatzbeschluss unserer Gewerkschaft heßßt es: „Sowohl medien- wie beschäftigungspolitisch kommt dem Erhalt von Tageszeitungsverlagen als eigenständige Unternehmen große Bedeutung zu. Insbesondere die Lokal- und Regionalzeitungen sind für die überwiegende Mehrzahl der Bürger in Deutschland die erste und wichtigste Informationsquelle. Angebotsvielfalt ist auch durch Anbietervielfalt sicher zu stellen, um den bereits stark ausgeprägten Monopolisierungstendenzen auf den regionalen Zeitungsmärkten entgegen zu wirken. Die anhaltende Krise in der Medienwirtschaft hat aber zu einer Beschleunigung der Konzentrationsprozesse insbesondere auf den Printmärkten geführt und erhöht damit den wirtschaftlichen Druck auf die noch unabhängigen Zeitungsverlage. Darüber hinaus fordern einflussreiche Verlagsgruppen eine weit gehende Deregulierung der kartellrechtlichen Sonderbestimmungen zur Pressefusionskontrolle im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB). Dagegen fordert ver.di den Erhalt der kartellrechtlichen Fusions und Kooperationsbeschränkungen für Zeitungs- und Zeitschriftenverlage im GWB.“ (Beschluss ver.di Bundesvorstand).

Würde der Gesetzgeber, wie Sie in Ihrer Erklärung fordern, Fusionen erleichtern, würden nur die Großverlage die Gewinner sein. Letzte Reste publizistischer Vielfalt gingen durch einen noch beschleunigterem Konzentrationsprozess verloren. Nach aller Erfahrung haben die großen Verlagsgruppen kein Interesse, kleinen Zeitungsverlagen unter die Arme zu greifen oder ihnen auf Teilgeschäftsfeldern großherzig die Kosten zu reduzieren. Wenn sie sich an kleineren Unternehmen beteiligen, verfolgen sie in der Regel das Ziel, die Mehrheit der Anteile zu übernehmen, die Geschäftspolitik sowie die publizistische Ausrichtung zu bestimmen. Statt ordnungspolitisch dem Druck der Großverlage auf das Kartellrecht nachzugeben, sollte die Politik das Signal aussenden, dass sie weiterhin gewillt ist, die bereits stark eingeschränkte Angebotsvielfalt auch durch kartellrechtliche Maßnahmen zu sichern.

Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Umsatzrückgänge bei den Tageszeitungen im Anzeigenmarkt droht die Gefahr, dass die Unabhängigkeit und die Arbeitsbedingungen der Redaktionen von den Verlagsführungen weiter unter Druck kommen werden. Dies kann dazu führen, dass die Redaktionen ihre für die Demokratie unverzichtbaren publizistischen Aufgaben unter noch prekäreren Bedingungen als bereits heute erfüllen müssen  ohne sie noch vollständig erfüllen zu können.

Wir fordern deshalb von der Politik auch energische ordnungspolitische Schritte, um redaktionelle Unabhängigkeit und demokratische Beteiligung der Beschäftigten in allen Medienunternehmen zu stabilisieren und auszuweiten. Dazu gehören:

1) Auch in Medienunternehmen sollten künftig Vertreter der Beschäftigten in die Aufsichtsgremien entsandt werden.

2) Auch in Medienunternehmen sollten Betriebsräte in Wirtschaftsausschüssen Einblick in die wirtschaftliche Situation ihrer Unternehmen erhalten können.

3) Vor allem sollten die Redaktionen gesetzlich verbindliche Mitbestimmungsrechte erhalten, um die von Marktprozessen stark reduzierte Informations und Meinungsvielfalt durch innere Pressefreiheit wieder beleben zu können. Entsprechende Redaktionsstatute sollten in den Landespressegesetzen zur Pflicht gemacht werden. Wir haben die große Sorge, dass ein Abbau kartellrechtlicher Hürden die Konzentrationsprozesse im Medienbereich noch beschleunigen würde. Dem sollten Sie sich verweigern und stattdessen auf eine Demokratisierung der Medien von innen drängen im Interesse von mehr Informations- und Meinungsvielfalt, ohne die unsere Demokratie Schaden nehmen wird.

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