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Holger Artus

Mit der Entwicklung bei der Erinnerung an Laura Rosenberg hatte ich nicht gerechnet

Am 31. August 2024 soll vor der Thadenstraße 79-81 an fünf Sinti*zze erinnert werden, die in Auschwitz 1943/1944 ermordet wurden. Die Kundgebung findet vor ihrem damaligen Wohnort bis zur Deportation am 11. März 1943 statt.

Zu den Ermordeten habe ich recherchiert. In meiner Naivität dachte ich, damit wäre die Geschichte für die Kundgebung zu Else Rosenbach, Wilhelm Lutz und deren Kinder (Rudolf, Johann, Joseph) in Stichworten zu erzählen. Aber dann schaute ich genauer auf die acht Geschwister von Wilhelm Lutz aus der Thadenstraße 83.

Alle sieben Töchter und Söhne seiner Geschwister wurden im November 1944 und Januar 1945 wie sein Bruder Karl zwangssterilisiert. Seine „kleine“ Schwester Anna wurde 1940 ins KZ Ravensbrück verschleppt und ermordet, ein Sohn seiner „großen“ Schwester Anna wurde wegen eines angeblichen Brötchen-Diebstahl 1940 erst ins KH Langenhorn und 1943 nach Hadamar verschleppt und ermordet. Diese komplette Familie sollte nicht mehr bestehen.

Ausgangspunkt meiner Ausgangsrecherche 2021 und die Frage, was sich daraus ergibt, war die Suche nach Laura Rosenberg, einer Schülerin bis 1943 aus der Schule Schanzenstraße. Sie wurde damals von der Schulleiterin diffamiert, weil sie eine Sintizza war. Ihre Mutter, Anna Rosenberg – eine Schwester von Wilhelm Lutz – floh 1943 mit ihr und ihren Kinder, Laura, Martin und Emilie nach Celle. Da sie in die Schule Schanzenstraße ging und zeitweilig in der Vereinsstraße 18 wohnte, kam es im März 2023 zu einer Kundgebung in der heutigen Ganztagsgrundschule Sternschanze.

Auf der Kundgebung sprachen mich die heutigen Eigentümer der Thadenstraße 79-81 an, wo Anna mit ihren Kindern Ende November 1944 hingezogen war, dass sie sich gerne an einer Patenschaft zu den Lutz aus der Thadenstraße beteiligen würden. So kam es am Ende zur Kundgebung am 31. August 2024.

Da Laura Rosenberg im November 1944 in der Frauenklinik des AK Altona in der Bülowstraße 9 zwangssterilisiert wurde, sollte ursprünglich dieses Thema in die März-Kundgebung 2021 integriert werden. Das scheiterte vor allem, weil die Verantwortlichen von Asklepios sich weigerte als Rechtsnachfolger, sich überhaupt zu dem Thema zu positionieren. Sie verwiesen einfach auf die Stadt. Es gab einen Neustart, in dessen Ergebnis aus den drei zwangssterilisierten Kinder von Anna Rosenberg jetzt 13 im November 1944 und Januar 1945 ergaben. Am 11. November 2024 soll mit eine Kundgebung am Ort der Zwangssterilisation, der Bülowstraße in Altona, das Schicksal der insgesamt 13 damals Verstümmelten in der NS-Zeit erzählt werden. Mit den Nachbarn vor Ort wollen wir auch Haltung zeigen.

In der Diskussion steht noch eine Erinnerung an Willi Rosenberg, dem Bruder von Laura Rosenberg, der in Hadamar 1943 ermordet wurde. Ersten Partnerschaften habe ich etabliert.

Das beide Aktivitäten am 31.08.2024 und 11.11.2024 einen unmittelbaren auch familiären Bezug haben, wurde mit erst nach einem Besuch im Staatsarchiv bewusst. Dabei wollte ich einige Sätze über die „kleine Schwester“ von Wilhelm Lutz, Anna, schreiben und dabei die Fakten klären. Gewissermaßen sah ich rudimentär dann eine „Saga“ (dieser) Familie Lutz in der NS-Zeit vor mir und die Vernichtungsstrategie der Nazis gegenüber den Sinti und Roma.

Ich habe natürlich auch die Vorgänge zu den „Lutz“ nach 1945 wahrgenommen, die mich tief erschüttern, wie der Rassismus verankert war und welche Folgen es für die Betroffenen mit sich brachte, persönlich, familiär, sozial, gesundheitlich, wirtschaftlich und finanziell.

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