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Holger Artus

Wilhelm Lutz, Else, Rudolph, Johann und Josef Rosenbach aus der Thadenstraße 79

Im Vorfeld der Kundgebung am 13. März 2023 zur Erinnerung der Deportation von Sinti und Roma am 11. März 1943 habe ich die heutigen Bewohner:innen in der Thadenstraße 79 über fünf damaligen Nachbarn informiert, die an diesem Tag zu den Deportierten gehörten.

Am 11. März 1943 wurden über 330 Sinti und Roma von Hamburg nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten. Zu den damaligen Opfer des NS-Terror gehörte auch der Sinto Wilhelm Lutz. Er wohnte in der Thadenstraße 79, die vorher noch Große Brunnenstraße (in Altona) hieß. Er wurde am 12. Oktober 1943 in Auschwitz ermordet. Mit ihm wurden Else, Rudolph, Johann und Josef Rosenbach aus der Thadenstraße 79 deportiert. Sie überlebten nicht. 

Um was geht es?

Wilhelm Lutz und die Rosenbacha gehörten zur Volksgruppe der Sinti und Roma, die durch das NS-Regime verfolgt und zehntausendfach ermordet wurden. Ich möchte an die Sinti und Roma erinnern, die in der NS-Zeit bei Ihnen in der Nachbarschaft wohnten oder zur Schule gingen.  Ab 1933 begann die Diskriminierung und Ausgrenzung von “zigeunerischer Personen” auf staatlicher Ebene, gepaart mit rassistischer und völkischer Ideologie. 1935 wurden Sinti und Roma in den Nürnberger “Rassegesetzen” den jüdischen Menschen gleichgestellt. “Zu den artfremden Rassen gehören alle anderen Rassen, das sind in Europa außer den Juden regelmäßig nur die Zigeuner”, erklärte der damalige deutsche NS-Innenminister, Wilhelm Frick. Man sprach von einer „deutschen Wesensart“, die den Sinti und Roma fremd sei. Man bezeichnete sie als „asozial“ und „arbeitsscheu“. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs durften Sinti und Roma ab Mitte Oktober 1939 ihre Wohnorte nicht mehr verlassen. Ende 1939 plante die Stadt, alle in Hamburg lebenden Roma und Sinti in einem Lager in Billstedt-Öjendorf zu internieren: „Das Lager darf nur zur Arbeit verlassen werden,“ stand in der Lagerordnung. Die Pläne wurden fallen gelassen, da man sich für die Deportation und Vernichtung der Sinti und Roma entschieden hatte. Am 20. Mai 1940 wurden über 1.000 Roma und Sinti aus Hamburg ins polnische Belzec verschleppt. Am 11. März 1943 wurden über 330 deportiert. Die letzte Deportation von Sinti und Roma aus Hamburg war am 18. April 1944, beide nach Auschwitz. Bis zu 500.000 Roma und Sinti wurden während der NS-Zeit ermordet. 

Was gibt es an Informationen über Wilhelm Lutz, Else, Rudolph, Johann und Josef Rosenbach?

Wilhelm Lutz wurde am 20. August 1909 in Schönebeck an der Elbe geboren. Seit 1924 lebte die Familie in der Hamburger Vereinsstraße 18. Seine Mutter war Maria Franzen, die mit Joseph Lutz verheiratet war. Das Paar hatte acht Kinder, Anna (geb. 4. August 1899), Dorothee (geb. 7. April 1902), Anna (31. Dezember 1904), Karl (20. Dezember 1907), Wilhelm, Ludwig (geb. 1. Mai 1912), Adam (2, Januar 1914) und Olga (4. Januar 1917). 

Ende Mai 1939 zog Wilhelm in die Thadenstraße 79, wie eine Notiz auf der Hamburger Meldekartei vermerkt. Seine Schwester, Anna, zog mit ihren vier Kinder dafür in die Vereinsstraße 18. Ihr Sohn Johann wurde im Oktober 1943 im hessischen Hadamar ermordet. Ihre weiteren Kinder, Laura, Martin und  Emilie wurden 1944 zwangssterilisiert. Die jüngste, Laura, ging von Ende 1939 bis 1943 in die Schule Schanzenstraße, wo sie rassistisch von der Schulleiterin beschimpft und denunziert wurde.

Wilhelm Lutz war Arbeiter und war bis zum 8. März 1943 bei Blohm & Voss auf der Werft beschäftigt. Auf der Meldekartei steht “abgeholt”. 

Seine und die Deportation von über 330 Sinti und Roma erfolgte am 11. März 1943 über den Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity, hinter dem SPIEGEL-Gebäude) nach Auschwitz, wo er am 12. Oktober 1943 ermordet wurde. In Auschwitz gab es ein so genanntes Zigeuner-Lager.

Bei der Recherche zu Wilhelm Lutz fand ich auf der Meldekartei die Namen von Else, Rudolph, Johann und Josef Rosenbach. Als Einzugsdatum  steht der 12. Mai 1939 und hinter allen ist vermerkt: “verstorben im KZ Auschwitz”. Bei Else Rosenbach ist als Todestag der 23. Mai 1944 aufgeführt. Gefunden habe ich die vier Namen der Rosenbachs auch auf der Deportationsliste vom 11. März 1943. Leider kann ich im Moment nichts weiter über sie erzählen.

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