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Holger Artus

Dritten Nazis als Schulleiter nach 1945 in der Schule Schanzenstraße gefunden

Nach 1945 war nicht alleine die Volksschule Schanzenstraße eine Sammelstelle für Nazi-Lehrer:innen in Hamburg. Dennoch erschreckt es, wenn man an der Schule vor Ort weitere von ihnen findet. Neben Emma Lange (1946–1957) und Ingrid Möller (1957 – 1982) sind jetzt weitere Namen von Schulleitern aus der Schule Schanzenstraße aufgetaucht, die vor 1945 in der NSDAP waren, verantwortliche Stellung hatten und nach 1945 unbehelligt als Schulleiter weiter arbeiten konnten. Das Besondere: Sie waren Schulleiter der Sprachheilschule Schanzenstraße, die in den Räumen der Volksschule Schanzenstraße eine Sonderschule verantworteten.

Adolf Lambeck, Schulleiter bis und nach 1945 der Sprachheilschule

Adolf Lambeck (geboren am 19. November 1887), ein völkischer und rassistischer Lehrer, war seit dem 1. März 1935 Schulleiter der Sprachheilschule Altonaer Straße/Schanzenstraße und bis zu seiner Pensionierung Schulleiter der Sprachheilschule in der Karolinenstraße. “Als Mitglied des ‚Nationalsozialistischen Lehrerbundes’ (NSLB) und Fachschaftsleiter der Gaufachschaft V (Sonderschulen) in Hamburg organisierte er Fortbildungsveranstaltungen, trat in seinen umfangreichen Veröffentlichungen beispielsweise für die „Aussonderung von minderwertigem Menschenmaterial aus der Sonderschule“ ein und redete der Sterilisation von ‚Erbkranken‘ das Wort.”(Krämer-Kilic, Inge K.In: Behindertenpädagogik, 39 (2000) 4, S. 421-442). Er war seit 1937 Mitglied der NSDAP und gehörte zum Korps der Politischen Leiter in der NSDAP. Das „Korps“ wurde 1946 zur verbrecherischen Organisation erklärt. Für schuldig gesprochen wurden damals alle Reichsleiter, Gauleiter und Kreisleiter, sofern sie nach dem 1. September 1939 tätig gewesen waren. Nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 waren damit Strafen vom „teilweisen Verlust der bürgerlichen Rechte“ bis zur Todesstrafe möglich. Diese Rolle von Alfred Lambeck in der NSDAP war in seinem Entnazifizierungsverfahren kein Gegenstand. Die Stadt Hamburg bedankte sich anlässlich seiner Pensionierung 1952 für seine Arbeit.

Heinrich Witthöft, NSDAP und verantwortlich für den HJ-Aufbau in den Sprachheilschulen

Heinrich Witthöft (geboren am 10. Januar 1902) war seit 1928 Lehrer an Sonderschulen, von 1937 bis 1939 verantwortlich für den Haufbau der Hitler-Jugend an den Sprachheilschulen in Hamburg. Ab 1937 war er in der NSDAP. Heinrich Witthöft war nach 1945 Schulleiter an der Sprachheilschule Schanzenstraße, mit dem gleichen rassistischen Gedankengut aus der NS-Zeit, wie spätere Dokumente belegen. Die Rahmenbedingungen hatten sich natürlich grundsätzlich geändert und als Nazi wollte keiner mehr auftreten.

Hamburger Abendblatt, 17.3.1964

Witthöft blieb bis 1964 Schulleiter der Münzstraße, wohin die Sprachheilschule Schanzenstraße 1952 umgezogen war. Nach 1945 hatte er immer wieder irgendwelche dümmlichen Geschichten über die NS-Schulzeit angeboten, aber seine NSDAP-Mitgliedschaft und seine Rolle verschwieg er tunlichst. Er war von 1937 bis 1939 u.a. verantwortlich für den Aufbau der HJ in den Hamburger Sprachschulen. Das Abendblatt schrieb 1964 von Witthöft über einen “in der Fachwelt anerkannten Leiter der Hamburger Volks- und Mittelschule für Schwerhörige.” Unreflektiert ergänzte das Blatt: “Seit 1937 ist er unterbrochen an dieser bewährten Schule tätig, nach 1945 wurde er mit der Leitung betraut.”

Die Sprachheilschule Schanzenstraße, ab 1939 in der Felix-Dahn-Straße

Die Sprachheilschule (Schanzenstraße) war ursprünglich seit 1922 in der Schule Seilerstraße 42 angesiedelt. Seit 1925 wurde der Sitz der Sonderschule an die Schanzenstraße/Altonaer Straße verlegt (mit einer einjährigen Zwischenstation 1924 in der Eckernförder Straße 83). 1939 zog Lambeck mit der Schule in die benachbarte Schule in der Felix-Dahn-Straße 7.

Ursprünglich lautete der Straßenname Anna Wohlwill-Straße. Die Nazis hatten 1938 den Namen der Straße, zwischen Hohe Weide und Moorkamp gelegen, geändert, weil sie eine jüdische Pädagogin war. Die Wahl fiel auf den völkischen Historiker und rassistischen Schriftsteller Felix Dahn.

Schwerhörigenschule Kampstraße 58, ab 1939 in der Felix-Dahn-Straße

In die Schule in der Felix-Dahn-Straße zog im April 1939 auch die Schwerhörigenschule aus der Kampstraße 58. Das ergibt sich u.a. aus den Personalunterlagen von Lehrerinnen wie Maria Jeffe u.a. Bisher war eine Annahme, dass Teile der Gehörlosenschule aus der Bürgerweide 21 damals mit eingezogen waren. Die Schwerhörigenschule Kampstraße 58 war ursprünglich im Capellenstraße 5 in St. Georg (heute Ellmenreichstraße) gegründet worden.

Ehemalige Rumbausche Schule in der Flora-Neumann-Straße

1920 erfolgte deren Umzug in die Rumbausche Schule im Karolinenviertel, damals Grabenstraße (es folgte die Bezeichnung Kampstraße, dann Am Schlachthof, heute Flora-Neumann-Straße). 1928 ging es in die gegenüberliegende Kampstraße 58. Zum April 1939 zog eine Hilfsschule mit über 170 Schüler:innen in deren Räumlichkeiten ein, so dass die Schwerhörigenschule Kampstraße 58 in die Felix-Dahn-Straße umziehen musste. Insgesamt wurden ab 1939 aus den beiden Sprachheilschule in der Felix-Dahn-Straße 258 Schüler:innen in 12 Klassen unterrichtet.

Der Auszug aus der Felix Dahn-Straße 1942

Im Mai 1942 mussten die beiden Sprachheilschulen wieder aus der Felix-Dahn-Straße ausziehen. Sie wurden wieder auf zwei Standorte verteilt: Einmal zurück in die Schule Schanzenstraße 105, wo im 3. Stock Klassenräume leer standen und zum anderen in die Israelitische Töchterschule, in der Karolinenstraße 35. Diese wurde der jüdischen Gemeinde im April 1942 von der Stadt Hamburg geraubt. Die Verlegung der Sprachheilschule in die Israelitische Töchterschule war seitens der Schulbehörde kein abschließendes Ziel, es wurde zum damaligen Zeitpunkt als Zwischenlösung angesehen. Ursprüngliche Pläne, die Sprach- und Gehörlosenschule in Hamburg stärker zu vereinheitlichen, wurden 1939 wegen des Weltkrieges zur Seite gelegt.

Der beginnende Prozess des Enteignung der Israelitischen Töchterschule über deren Turnhalle

In den Monaten Oktober bis Dezember 1941 fanden die ersten großen Massendeportationen tausender jüdischer Menschen aus Hamburg statt. Die Strategie der Nazi war nicht mehr ihre Vertreibung aus Deutschland, sondern ihre Vernichtung. Mit den ersten Deportationen von Oktober 1938 und den Novemberpogromen 1938 war die antisemitische Hatz massiv auf die Spitze getrieben worden. Ab 1938 begann der Raubkauf jüdischer Unternehmen und Immobilien. In dieser antisemitischen Hetzwelle wollte sich jeder am jüdischen Eigentum bereichern und in Szene setzen, sowohl privat als auch gesellschaftlich. Seit 1941 begann die Wende an der sowjetischen Front vor Moskau und die deutsche Wehrmacht wurde zurückgetrieben, auch Hamburg wurde von der britischen Armee bombardiert, der Weltkrieg war auch in Hamburg angekommen. So wurde die Turnhalle der Israelitischen Töchterschule ein Objekt dieser Bereicherungs-Begierde und eine Reflektion der sich verändernden militärischen Lage. Die (Volks)Schule aus der Schule Kampstraße 58/60 wollte sie haben, weil ihre Turnhalle durch ein Angriff der britischen Armee zerstört wurde.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Die Hamburger Schulverwaltung schrieb am 13. Dezember 1941 an die Kämmerei (heute Finanzbehörde) einen üblen antisemitischen Brief, in dem sie die Enteignung der Turnhalle der Israelitischen Töchterschule forderte: “Nichts kann näher liegen als der Gedanke, diese Turnhalle in den Dienst der benachbarten Volksschule zu stellen. Selten ist eine Gelegenheit so günstig gewesen, der Judenschaft zu zeigen, dass keine Schuld auf Erden  ungerächt bleibt. Wenn die Turnhalle der deutschen Volksschule in der Kampstraße durch englische Bomben zerstört wurde, dann ist es recht und billig, dass die Juden, die englischen Freunde und Kriegstreiber, dafür Ersatz schaffen. Es ist auch nicht einzusehen, dass deutsche Kinder auf turnerische Übungen verzichten müssen, während Judenstämmlinge sich in unmittelbarer Nachbarschaft derer erfreuen dürfen. Die Schulverwaltung stellt deshalb den Antrag, die Enteignung der Jüdischen Turnhalle zugunsten der Mädchenvolksschule Kampstr. 60 betreiben zu wollen.”

Die Kämmerei erklärte sich einverstanden mit der Einleitung von Ankaufsverhandlungen. Ein paar Tage später, am 22. Dezember 1941, wandte sich die Kämmerei an die jüdische Gemeinde, dass sie die Turnhalle kaufen wolle. Im Zuge der Übernahmeplanung der Turnhalle wurde die Gestapo einbezogen. Nach Rücksprache mit dem “Juden-Referat” der Gestapo erklärt deren Leiter, Göttsche, dass sie “ nur insoweit Interessiert (sind), als die Turnhalle bis zum Januar 1942 für die Lagerung von Judengut benötigt wird.”

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Die jüdische Gemeinde lehnte das Ansinnen der Schulverwaltung ab. Am 6. Februar 1942 schreibt sie, dass die Turnhalle “weiterhin für die noch vorhandenen etwa 100 schulpflichtigen Kinder zur Erteilung des von der Schulbehörde vorgeschriebenen Pflichtunterrichtung der Kinder dringend benötigt wird”. Daraufhin verfügte die Schulverwaltung am 4. März 1942, dass die Israelitische Töchterschule die Turnhalle für Unterrichtszwecke nicht mehr nutzen durfte.

Faktisch war damit die Turnhalle der Israelitischen Töchterschule durch die Stadt Hamburg enteignet worden, auch wenn der Raubkauf später folgte.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Eine Debatte um die Zukunft der Lehrerbildungsanstalt verlagerte die „Begierde“ von der Turnhalle auf die gesamte Israelitische Töchterschule. Hintergrund war eine im Dezember 1941 verfügte reichsweite Anweisung, die Lehrer:innen-Ausbildung in Deutschland künftig auszubauen. Man plante für die Zeit nach dem Sieg …

Am 25. März 1942 wurde auf einer Besprechung über die weitere Entwicklung der Lehrerbildungsanstalt darüber informiert, dass für die Umfangserweiterung die Räume in der Schule Felix-Dahn-Straße 7/Hohe Weide 16 geplant seien.  Schulrat Ossenbrügge schrieb am 28. März 1942. “Die Staatsverwaltung sieht sich gezwungen, mit Beginn des neuen Semester (16.4.42) eine zweite Lehrerbildungsanstalt einzurichten. Die Kriegsverhältnisse gestatten es nicht, zu diesem Zweck einen Neubau zu errichten. Vielmehr musste die Staatsverwaltung die Schulverwaltung bitten, dafür ein in Betrieb befindliches größeres Schulgebäude zur Verfügung zu stellen. In Frage kommt die ehemalige (Aufbauschule) in der Felix-Dahn-Straße.”

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Im Schreiben sagte er weiter, dass man bereit sei, in einem Art Ringtausch der Israelitischen Töchterschule Räumlichkeiten in der Schule Schanzenstraße/Altonaer Straße anzubieten und im Gegenzug die Sprachschule(n) in der Karolinenstraße. Er bat die Gestapo, das Anliegen der Schulverwaltung zu unterstützen. “Die Schulverwaltung ist der Auffassung, die ohne Zweifel auch von den maßgebenden politischen und amtlichen Stellen eingenommen wird, daß unter allen Umständen den 400 deutschblütigen Schülern der Sonderschulen der Vorrang vor den 100 Judenkindern zu geben ist.”

Emma Lange, die Schulleiterin der Mädchenvolksschule Schanzenstraße/Altonaer Straße, lehnte in einem Schreiben vom 2. April 1942, aus „dringlichen Gründen“ die Verlegung der „Judenschule“ in den 3. Stock in einem antisemitischen Schreiben ab. Der „gute Ruf“ der Schule wäre gefährdet. Das enge Zusammensein im Luftschutzkeller der Schule von „arischen Personen mit jüdischen Kindern muss im Dritten Reich als unhaltbar abgelehnt werden“ und schrieb weiteren antisemitischen Müll.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Am 10. April 1942 beantragte die Schulbehörde beim Liegenschaftsamt, den Ankauf der Israelitischen Töchterschule zu betreiben. Das Liegenschaftsamt schrieb seinerseits am 20. April 1942 an den Hamburger NSDAP-Chef, Kaufmann, dass die Gestapo einverstanden sei, die Israelitischen Töchterschule zu übernehmen: “Als Ersatzraum hatte die Schulverwaltung den abgeschlossenen 3. Stock der Volksschule Altonaer Straße 58 vorgeschlagen. .. .Gegen diesen Vorschlag hat aber der Kreisleiter lebhaften Einspruch erhoben. Auch die Schulverwaltung hat gegen die Unterbringung der Judenkinder in diesem Gebäude starke Bedenken geäußert.”

Die Übernahme der Israelitischen Töchterschule durch die Sprachheilschule im Mai/Juni 1942

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Am 29. April 1942 ließ Kaufmann durch die SS mitteilen, dass die Israelitische Töchterschule zu schließen sei. Damit erledigte sich die Unterbringung der verbliebenen jüdischen Schüler:innen in der Schule Schanzenstraße/Altonaer Straße, schrieb Schulrat Ossenbrügge am 13. Mai 1942.  Am 15. Mai 1942 hatte der letzte Schulleiter der Israelitischen Töchterschule, Dr. Alberto Jonas,  den Schlüssel an die Hamburger Schulverwaltung übergeben.

Hans Korf wurde am 19. Mai 1942 als Hausmeister der Schule in der Karolinenstraße mit sofortiger Wirkung die neuen Diensträume in der Karolinenstraße 35 zugewiesen. Am 6. Juni 1942 wurde der Schulbetrieb der Sprachheilschule in der Israelitischen Töchterschule aufgenommen.

Am 20. Juni 1942 wandte sich der Schulleiter der Sprachschule Schanzenstraße/Kampstraße/Felix-Dahn-Straße, Adolf Lambeck, an die Hamburger Schulverwaltung” „Falls eine Einigung mit der Jüdischen Gemeinde über den Kaufpreis nicht zustande kommt, muss ein Enteignungsverfahren eingeleitet“ werden. Die Schulverwaltung unterstützte ihn und forderte am 1.Juli 1942 das Liegenschaftsamt auf, die Enteignung der Schule weiter zu treiben. Dr. Alberto Jonas hatte damals einen Kaufpreis mit 200.000 Reichsmark eingebracht, was die Nazis für die Enteignung nicht bezahlen wollten.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Lambeck sah die Räume für die Sprachheilschule als geeignet an. Nach seiner Darstellung könnte man hier 11 bis 12 Klassen unterbringen. In seinem Schreiben vom 8. Juli 1942 legte er noch einmal nach: „Wenn das Gebäude auf Dauer benutzt werden soll, muss es für das Bedürfnis arischer Schulkinder hergerichtet werden. Es fehlt vor allem an den notwendigen hygienischen Einrichtungen… Die jetzt vorhandene Trinkanlage in den Fluren ist gänzlich verschmutzt und damit unbrauchbar… Es fehlt im ganzen Haus die Möglichkeit, Heißwasser für Reinigungszwecke zu beschaffen.“

Das sollte alles schnell in den Hamburger Schulferien vom 13. Juli 1942 bis zum 23. August 1942 geklärt werden.

Der Schulunterricht in der Karolinenstraße 35 endete 1943, als in den ersten bis dritten Stock die Wehrmacht einzog. Für die Schulleitung gab es weiterhin ein Büro (und Wohnung). 1944 zog die Gestapo in das Gebäude ein.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 331-3 I_abl.1981 411-662/1

Der Einzug von Sprachheil-, Gehör- und Taubstummenschule nach 1945 in die Israelitische Töchterschule

Mit der Befreiung Hamburg am 3. Mai 1945 brach das NS-System in Hamburg zusammen. Am 23. August 1945 fand das erste Zusammentreffen der Lehrer aus der Taubstummen-Schule Bürgerweide in der Karolinenstraße 35 statt. “Die Gehörlosenschule ist Gast in der Sprachheilschule, die durch einen Bombenabwurf beschädigt ist.” Adolf Lambeck bleibt Schulleiter für die Sprachheilschule in der Karolinenstraße und wurde für kurze Zeit auch für die Gehörlosenschule aus der Bürgerweide 21 (in der Karolinenstraße) verantwortlich. Deren Schulleiter, Jankowski, wie Lambeck ein Nazi, wurde am 20. Juli 1945 von seiner Funktion als Schulleiter der Taubstummenschule Bürgerweide/Karolinenstraße entbunden. Jankowski konnte aber als Lehrer seiner Tätigkeit nachgehen.

Liest man mit heutigem Blick die Lehrerkonferenz-Protokolle der Schule Schanzenstraße, der Sprachheil-, Taubstummen- und Gehörlosenschulen unmittelbar nach 1945, so liest man, dass sie die alten geblieben waren. Man passte sich schnell an, aber ihr Wohlfühlen-System war der alte Obrigkeitsstaat, der auf gehorchen basierte. Wenn man etwas ausführt, reicht man diese Beherrschung nach unten weiter und kann sich erheben, selber befehlen. Auf der anderen Seite gehorchten die anderen. Aus dem Protokoll ersten Sitzung der Sprachheil- und Gehörlosenschule vom 7. Dezember 1945 kann man lesen: “Bei Offiziersbesuchen sofort Berichte bei der Schulverwaltung einreichen … Persönliches Vorbesprechen ist unerwünscht, z.B. im Fall von Berufungen oder Entlassungen.“ Am Rand wurde noch hingeschrieben: „Keine direkten Schreiben an die Militärregierung.“

Der Schulbetrieb in der Sprachheilschule Schanzenzstraße/Altonaer Straße begann am 6. August 1945 mit 7 Kindern. Zum 1. September 1945 waren es bereits 92 in vier Klassen.

Von der Schanzenstraße in die Münzstraße, von der Karolinenstraße in die Burgstraße

Die Gehörlosenschule in der Bürgerweide 21 war nach ihrer Zerstörung  im Juli 1943 nach Wien in die so genannte Kinderlandverschickung verlegt worden, wo der Unterricht fortgeführt wurde. Die Schüler:innen kehrten im Juli und August 1945 zurück nach Hamburg. Am 27. August 1945 wurde der Schulbetrieb in der Karolinenstraße 35 wieder aufgenommen. Am 24. April 1946 war die Gehörlosenschule (Bürgerweide) in die Schule in der Angerstraße 31 eingezogen. Am 19./20. August 1946 erfolgte ein weiterer Umzug in die Schule Burgstraße 33. 

Die beiden Sprachheilschulen blieben in der Karolinenstraße 35 und der Schanzenstraße 105 getrennt bestehen. Lambeck verantwortete die Karolinenstraße, Witthöft die Schanzenzenstraße. 1952 zog die Sprachheilschule Schanzenstraße 105 in die Schule Münzstraße, während der andere Teil Jahrzehnte in der Karolinenstraße verblieb. 1980 erfolgte der Umzug der ursprüngliche Schwerhörigenschule Kampstraße 58 nach Marienthal in die Schule Zitzewitzstraße. 

Während Nazi-Lehrer:innen ihre Pensionen und Vergünstigungen bekamen, wurde den NS-Opfer unter den Lehrer der den Sprachheil- und Gehörlostenschule ihrer Entschädigung bestritten

Der Schulleiter der Sprachheilschule, Adolf Lambeck, wurde 1952 pensioniert. Heinrich Witthöft 1964. Seine schriftlichen Notizen aus den 1950er Jahren über seine Arbeit in der Münzstraße (ehemals Schanzenstraße/Altonaer Straße) verweisen darauf, dass der gleiche Rassist geblieben ist, wie er vor 1945 war. Wie Emma Lange nach 1945, schrieb er zehn Jahre später über seine Beginn in der Sprachheilschule Schanzenstraße, dass die italienischen Militärinternierten, die von 1943 bis 1945 als NS-Zwangsarbeiter leben mussten,  verantwortlich sein für den Zustand der Schule und äußert sich entsprechend über sie.

Während Nazis weiter Verantwortung in den Schulleitungen und NSDAP-Mitglieder als Lehrer:innen wie Elisabeth Brandt/Conrath in den Sprachschulen ungestört arbeiten durften, bestritt zur gleichen Zeit das Personalamt die Entschädigungsansprüche der verfolgten Lehrer:innen der damaligen Sonderschulen: Dorothea Elkan, 1933 aus der Sonderschule in der Kampstraße 58 wegen ihrer jüdischen Identität entlassen, wurde vom Personalamt in den 1950er Jahre ihre Wiedergutmachungs-Ansprüche bestritten. Ihr Kollegen, Louis Satow, 1933 auch aus der Kampstraße 58 rausgeschmissener Lehrer, machte nach 1945 die gleiche Erfahrung. Auch seine Wiedergutmachung wurde zuerst bestritten. Beide setzen sich Jahre später durch.

Fritz Köhne sorgt für die Unterbringung der Nazis nach 1945 im Hamburger Schulwesen

Für die Unterbringung von Nazis an Hamburgs Schulen war Fritz Köhne aus der Hamburger Schulbehörde mit verantwortlich. Selber Oberschulrat in Hamburg bis 1945, am Raubkauf der Israelitischen Töchterschule beteiligt und in der NSDAP, konnte er in dieser Funktion nach 1945 bleiben. Er sorgte jetzt dafür, dass die Täter:innen nicht zur Rechenschaft gefordert wurden und sie einfach als Schulleiter weitermachen konnten. Die Debatte und Entscheidung über Kriterien, wie sich die Gesellschaft für einen Neuanfang des Schulen hätte geben sollen, wurden faktisch durch die Nazis “überschrieben”.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 221-11_Ed 3063

Das Vorgehen von Fritz Köhne nach 1945 ist ein Beispiel, wie pädagogische NS-Täter:innen durch die Stadt Hamburg weiterbeschäftigt werden konnten. Obwohl die NSDAP unter den Hamburger Lehrer:innen eine Kleinstgruppe waren, auf die man gut hätte verzichten können, wurden sie durchgereicht. Rassismus, Antisemitismus, “Erblehre” – alles das war kein Maßstab für den Neuanfang einer demokratischen Schule. Bei der Entnazifizierung von Adolf Lambeck, einem Mitglied einer Verbrecherorganisation, schrieb Köhne handschriftlich auf das Formular: “Ist als politischer Funktionär nicht in Erscheinung getreten, als Fachmann in der Heilung von Sprachgebrächen allgemein anerkannt ud. geschätzt.”

Geschichte der Israelitischen Töchterschule wird durch Ursula Randt neu geschrieben

Was wurde aus der Sprachheilschule in der Karolinenstraße? 1977 wurde Ursula Randt durch Zufall mit der Geschichte der jüdischen Schule konfrontiert: „Wir feierten oft und gern. Im November 1977 gab es wieder einmal ein Schulfest. Da geschah es, dass mich mitten im Trubel eine kleine alte Dame ansprach und sich als frühere Schülerin der „Israelitischen Töchterschule“ zu erkennen gab; unsere Schule war einmal ihre geliebte schulische Heimat gewesen. „Vergeblich hatte sie überall nach einem noch so kleinen Zeichen der Erinnerung gesucht.“ 1983 erschien eine mehrteilige Publikation von ihr, im Mai 1984 ihr Buch über die Israelitische Töchterschule. Heute besteht eine Gedenkstätte im dritten Stock in der Karolinenstraße 35.

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