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Holger Artus

Karl-Heinz Roth – von den Nazis wegen „Unzucht“ 1938 zur Gefängnisstrafe verurteilt

Karl-Heinz Roth war ein entfernter Cousin von mir und ich habe erst vor kurzem erfahren, dass er mein Verwandter ist. Nach meiner Recherche wurde er 1938 wegen homosexueller „Handlungen“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er eine Beziehung mit Clemens Albrecht, einem Friseur in Harburg, hatte.

Die Nazi-Justiz ging vor allem gegen ihn noch vor: Er wurde 1939 auf Grundlage des § 175 Reichsstrafgesetzbuch zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt und nach seiner Verlegung ins Gefängnis Orlesleben schwer misshandelt. In dem Verfahren gegen Albrecht wurde alles herangeholt, u.a. auch ein gegen ihn laufenden Verfahren aus der „Kaiserzeit“, dem er sich durch Flucht entzogen hatte.

Karl-Heinz Roth war zum Zeitpunkt des Strafverfahrens 19 Jahre alt. Seine Eltern, Charlotte und Josef, lebten mit vier weiteren Kindern im Meisenweg 2 in Wilhelmsburg/Harburg. Die Straße heißt heute „Flutende“. Der Vater, geboren 1880, war jahrelang arbeitslos, einige der Schwestern arbeiteten bei der „Phönix“ und gewährleisteten den Familienunterhalt. 

Geboren war Karl-Heinz Roth am 25. Januar 1919. Mit 14 Jahren, 1933, verließ er die Schule und setzte sich ohne Wissen der Eltern nach Berlin ab. 1937 lebte er, zumindest zeitweise, auch in Hannover. Er hatte verschiedene Arbeitsstellen, unter anderem ebenfalls bei Phoenix, aber auch beim Harburger Unternehmer Hartmann.

Früh wurde er in den über ihn geführten Akten willkürlich kriminalisiert: In einem Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft aus seinem Strafregister ist zu lesen: „angebl. nicht vorbestraft“. 

Auch im Verfahren gegen ihn werden Vorwürfe ohne Beweisführung erhoben, etwa eine Zechprellerei in einer Kneipe in der Schmuckstraße in Höhe von 6 RM 1935 sowie ein angeblicher LKW-Diebstahl 1936.

Am 8. April 1938 wurde vor dem Landgericht in Harburg, in der Buxtehuder Straße 9, gegen ihn verhandelt. Die Staatsanwaltschaft beantragte sechs Monate Haft, das Gericht urteilte auf drei Monate. Karl-Heinz Roth saß da bereits seit dem 25. März im Untersuchungsgefängnis. 

Nach der Verurteilung konnte er noch wenige Tage zu Hause wohnen. Am 9. Mai 1938 wurde er wieder inhaftiert – bis zum 9. August 1938.

Meine Mutter erzählte mir vor einigen Wochen, dass sie ihren Cousin einmal 1938 kennengelernt hatte. Er muss gerade aus dem Gefängnis gekommen sein und ihre Mutter wollte sich etwas um ihn kümmern. In ihrer Erinnerung sah er schrecklich verhungert aus.

Auch hier gilt wie bei Hellmuth Lubowski, dass ich noch nicht viel mehr weiß. Gefunden habe ich, dass sein Vater 1961 gestorben ist. Er wohnte bis zu seinem Tod im Alter von 81 Jahren in Flurende in Wilhelmsburg. Das war ein Jahr vor der schweren Sturmflut, ich war ich fünf Jahre alt.

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