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Holger Artus

Hellmuth Lubowski, jüdischer Architekt aus Hamburg

Dass ein Verwandter von mir die Kita gebaut hat, in die ich 1959 gegangen war, weiß ich erst seit kurzem. Im Alter von drei Jahren besuchte ich den Kindergarten der Christuskirche in Hamburg-Hamm, Carl-Petersen-Straße/Ecke Sahling.

Die Christuskirche wurde 1957 bis 1958 errichtet, Bauherr war die Methodistenkirche, der Architekt Hellmuth Lubowski.

Eigentlich war ich nur auf der Suche nach dem konkreten Verwandtschaftsverhältnis zu Hellmuth Lubowski gewesen, weil meine Mutter kurz von ihm erzählt hatte.

Mit meinem Onkel dritten Grades zusammen wurden bis Juni 1938 70 Hamburger aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen, darunter Kunsthändler, Maler und elf Architekten und Gebrauchsgraphiker.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 351-11_26858

Hellmuth Lubowski wurde am 10. März 1903 in Kattowitz als polnischer Staatsbürger geboren. Er arbeitete nach der Schule als Maurer und Tischler und studierte acht Semester Architektur in Breslau. Im Oktober 1928 zog er nach Hamburg, lebte anfangs in der Körnerstraße 17 und heiratete am 27. Mai 1930 die Nichtjüdin, Lotte von der Heyde. Vor seiner Selbstständigkeit arbeitete er bei dem ebenfalls jüdischen Architekten Karl Schneider. Es muss ein schwerer Start für ihn gewesen sein und sein Einkommen war zu erst gering. Im dritten Jahr seiner Selbstständigkeit hatte er ein Jahreseinkommen vom 1.200 Reichsmark.

Eilfertig hatte sich der Bund der Deutschen Architekten 1933 mit einem „Nationalen Aufbauprogramm“ eine neue Satzung gegeben, die einen Arierparagraph enthielt und den Ausschluss politisch oder „rassisch“ nicht der NS-Ideologie entsprechenden Mitglieder vorsah. So schrieb dann auch am 23. August 1935 der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste, dass Lubowski „nicht die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit” besitze, „an der Förderung deutscher Kultur in Verantwortung gegenüber dem Volk und Reich mitzuwirken.” Ich “untersage Ihnen die weitere Ausübung des Berufs als Architekt und die Führung des Berufsbezeichnung ‘Architekt’.”

Weitere jüdische Architekten in dieser Zeit des Berufsverbot von Hellmuth waren u.a. Rudolf Ladewig, Oscar Louis von Halle oder Albert Curland. Oscar Louis von Halle wurde in KZ Auschwitz ermordet. Rudolf Karl Ladewig wurde im KZ Neuengamme erschossen. Albert Curland starb Ende 1939 an den gesundheitlichen Belastungen der Verfolgungen.

Nach weiteren Dokumenten, die ich im Hamburger Staatsarchiv gefunden habe, bekam Hellmuth Lubowski am 12. Dezember 1936 eine Sondergenehmigung, nach der er mit erheblichen Auflagen doch arbeiten durfte. So etwa Hilfsarbeiten wie die Beaufsichtigung von baulichen Veränderungen, Umbauten, Instandsetzungen bombengeschädigter Häuser. Er schrieb später, dass er auch immer wieder die Umwandlung von Familienhäuser und Mehrfamilienhäuser planen musste, aber nicht in Erscheinung treten durfte.

Auch Rudolf Ladewig muss eine solche Ausnahmegenehmigung gehabt haben. Er arbeitete nach dem Berufsverbot für Rudolf Klophaus (u.a. dem Architekten des Pressehauses am Speersort). Dieser kündigte Rudolf Ladewig aber am 28. Juni 1944 mit „Rücksicht auf die augenblicklichen Zeitverhältnisse“. Ab dem 23. Oktober 1944 wurde er als jüdischer Zwangsarbeiter in der Bauwirtschaft eingesetzt. Zum 27. Oktober 1944 wurde Hellmuth Lubowski im Rahmen des „Sonderkommando J” der Organisation Todt von der Hamburger Bauverwaltung, Abteilung Aufräumungsamt, als jüdischer Zwangsarbeiter eingesetzt.

Hellmuth Lubowski überlebte. Nach der Befreiung 1946 wohnte er in der Marie-Louisen-Straße 37. Im Wiedergutmachungsverfahren gibt seine Rechtsvertretung an,  dass ”sein Einkommen in den genannten Jahren lediglich der freundlichen Einstellung von Kollegen zu verdanken (sei), die ihn nicht dem wirtschaftlichen Elend preisgeben wollten.” Er war nach Kriegsende noch an vielen Bau-Projekten beteiligt, wozu das 1950 erbaute, denkmalgeschützte Wohngebäude Brahmsallee 62, der Wiederaufbau der Repräsentations- und Publikumsräume des Gebäudes der Deutschen Bank in Hamburg, 1964/65 die Schule Tornquiststraße, das Wohn- und Geschäftshaus Fruchtallee 136 und eben auch mein Kindergarten und die dazugehörige Christuskirche in Hamburg-Hamm gehörten. 

Mein Onkel starb am 7. Juli 1986 in Hamburg. Er wurde 82 Jahre alt. Leider habe ich ihn nie kennengelernt, und noch habe ich keinen Kontakt zu möglichen Angehörigen.

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