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Holger Artus

Deportationen am 25. Oktober 1941 nach Lodz – auch aus dem Weiden- und Schanzenviertel

Anlässlich des 80. Jahrestages der ersten Deportation jüdischer Menschen aus Hamburg nach Lodz am 25. Oktober 1941 haben wir bei uns im Weiden- und Schanzenviertel in den Häusern eine Nachbaschaftinfo verteilt, aus den 1941 jüdische Mieter/innen deportiert wurden. So im Kleinen Schäferkamp 16:

Heute, vor 80 Jahren, mussten sich Berta, Herbert, Marion, Ruth und Tana Lesheim aus dem Kleinen Schäferkamp 16, Haus B, auf dem Platz an der Moorweide in der Nähe des Dammtor Bahnhof einfinden. Aber auch andere jüdische Mieter/innen aus dem Weidenviertel in der Agathenstraße 3, Kleiner Schäferkamp 32, Schäferstraße 31 und der Schäferkampsallee 61 erhielten ihre Deportationsbefehl – per Post. Im Schanzenviertel handelt es sich um die Bartelsstraße 72, der Juliusstraße 8 a, der Parallelstraße 13/heute Eifflerstraße oder der Schanzenstraße 119. Insgesamt mussten sich an diesem Tag über 1.000 jüdische Menschen aus Hamburg hier einfinden. Es war der erste Deportationszug aus unser Stadt ins Getto von Lodz,Litzmannstadt, im besetzten Polen. Die Hamburger Polizei hatte am 21. Oktober 1941 eine namentliche Liste erstellt. Von den 1.035 verschleppten überlebten 15. Aus Hamburg gab es bis 1945 insgesamt 20 Deportationen jüdischer Menschen in Orte ihrer Vernichtung. Die größte erfolgte am 15. und 19. Juli 1942 über die damalige Volksschule Schanzenstraße, heute die Ganztagsgrundschule Sternschanze, am Bahnhof Sternschanze.

Das Getto in Lodz/Litzmannstadt

Im September 1939 überfiel die Wehrmacht Polen und besetzte auch die zweitgrößte polnische Stadt Lodz. Später erhielt sie den Namen Litzmannstadt und wurde Hamburgs Partnerstadt. Gleich nach dem Einmarsch begannen die deutschen Besatzer mit der Schikanierung und Entrechtung der Juden. Im Februar 1940 bestimmten sie einige Stadtviertel zum hermetisch abgeriegelten Getto und pferchten 164.000 Menschen bei katastrophalen hygienischen Verhältnissen darin ein. Da die Getto- bewohner ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten mussten, herrschte bald extremer Hunger. Durch die Lebensumstände starb etwa ein Viertel der Bewohner. Bis 1944 entstanden zahlreiche Werkstätten, in denen für die Wehrmacht und für private Betriebe, darunter das Hamburger Alsterhaus, produziert wurde. Ab Dezember 1941 begannen im 55 km entfernten Vernichtungslager Chelmno die Massentötungen in Gaswagen.

Erinnerung an Deportationen bei uns im Stadtteil

Am 9. November 2021, anlässlich der November-Pogromen 1938, wollen wir eine Stolperschwelle vor der Ganztagsgrundschule Sternschanze in der Schanzenstraße verlegen. Sie soll an die Schülerinnen und Schüler der Israelitischen Töchterschule aus der Karolinenstraße 35 erinnern, die am 15. und 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße verschleppt wurden. Es handelt sich um 13. Sie hatten am 30. Juni 1942 ihr Abgangszeugnis bekommen. Die Israelitische Töchterschule selber war bereits zum 14. Mai 1942 geschlossen wurde. 

Um 18 Uhr findet eine Kundgebung gegenüber dem Sternschanzen-Bahnhof statt. Dort wird auch ein Sohn eines Schülers der jüdischen Schule sprechen. Um 18.30 Uhr wollen wir vom Vorplatz des Vereinshaus des SC Sternschanze zur Schule gehen, um die Stolperschwelle für die 13 Schülerinnen und Schüler der Öffentlichkeit zu übergeben. Stolpersteine in den Hamburger Gehwegen erinnern an einzelne NS-Opfer, die Schwelle will das Schicksal einer größeren Gruppe aufgreifen.

Mehr über die Kundgebung, die Stolperschwelle, die Schülerinnen und Schüler, zu ihren Geschichte, finden Sie auch etwas auf der Web-Seite www.sternschanze1942.de.

Die Namen der deportierten jüdischen Menschen aus unser Nachbarschaft am 25. Oktober 1941

Kleiner Schäferkamp 16, Haus 1, ParterreAgathenstraße 3
Berta Lesheim22.06.1901Leopold Drutowski19.10.1878
Herbert Lesheim09.08.1904Margarethe Conu01.06.1878
Marion Lesheim14.10.1936Aron Königsbuch21.04.1893
Ruth Lesheim27.05.1930Elisabeth Königsbuch12.04.1896
Tana Leisheim12.07.1939Elsa Kohls19.11.1894
Kleiner Schäferkamp 32Berthold Rappaport19.09.1932
Boris Förster09.07.1936Ella Rappaport20.02.1925
Rosa Förster10.04.1887Fanny Rappaport30.05.1900
Schäferstraße 31Leib Rappaport20.04.1885
Alexander Herzberg13.08.1893Rosa Cahn07.09.1862
Kurt Herzberg16.10.1922Schäferkampsallee 61
Riecke Herzberg03.04.1894Gertrud Meyer26.03.1891
Elli Drutowski13.12.1877Johanna Meyer09.10.1887
Martha Meyer12.03.1887

Die Namen der deportierten jüdischen Menschen aus unser Nachbarschaft 25. Oktober 1941

Schanzenstraße 110Bartelsstraße 72Haus 3 Parterre
Jenny Eckstein02.10.1876Frieda Beer24.01.1926
Paralellstraße 13*bei RosenbergAlfred Beer24.01.1896
Henny Brückmann04.04.1910Eduard Beer10.10.1893
Willy Brückmann31.12.1889Lotte Beer04.07.1927
Inge Grimberg01.12.1933Frieda Beer13.12.1893
Juliusstr 8 aMartin Beer08.12.1924
Sally Katz03.04.1878Moritz Beer08.01.1922
Alice Katz31.07.1884Siegfried Beer13.02.1929
Bartelsstraße 61, II. Stock
William Rundstein26.08.1868
*heute EifflerstraßeLouise Rundstein25.03.1883

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