Ansichten

Holger Artus

Über zehn weitere jüdische Mieter/innen in der Hoheluftchaussee 91

Heute, am 80. Jahrestag der ersten Deportation von Hamburg nach Lodz, habe ich auch in den Hoheluftchaussee 91und 93/Ecke Eppendorfer Weg 221 eine Nachbarschafts-Info verteilt. Die Namen von zehn weiteren jüdische Mieter/innen, die hier wohnten und alle deportiert wurden, hatten ich noch in der Hausmeldekartei gefunden.

Zum einen wollte ich noch diesen Fakt bekanntmachen. Zum anderen wurde vier von ihnen am 25. Oktober 1941 nach Lodz verschleppt. Der Jahrestag war für mich der Anlass für das Info. Da auch die ehemaligen Miteigentümer, Else und Lambert Leopold an diesem Tag deportiert wurden, habe ich das auch noch einmal aufgegriffen. Hier die Info:

Die Namen Iwan, Edith, Alice und Gella Streim werden Ihnen nichts sagen. Wir kannten sie bis vor einigen Tagen nicht im Zusammenhang mit der Hoheluftchaussee 91. Es sind weitere jüdische Mieter/innen aus der Hoheluftchaussee 93,  die genau heute vor 80 Jahren nach Lodz/Litzmannstadt deportiert wurden. Iwan und Edith Streim erhielten den Deportationsbefehl in der Hoheluftchaussee 91. Alice und Gella Streim mussten vorher von hier in andere Wohnungen umziehen. Alice war die Tochter von Edith und Iwan Streim, Gella Streim, die Schwester von Iwan. Alle vier mussten sich am 25. Oktober 1941 an der Moorweidenstraße einfinden. 

Die Deportation vom 25. Oktober 1941 war die erste von jüdischen Menschen aus Hamburg, es folgten noch weitere 19 in die Gettos oder gleich in die Vernichtungslager. Von den über 1.000 am 25. Oktober 1941 Deportierten erlebten 15 den Tag der Befreiung im Mai 1945. Übrigens: Die beiden ehemaligen jüdischen Eigentümer der Hoheluftchaussee 93, Else und Leopold Lambert, wurden auch am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert und gehören aus zu den Opfern. 

Bei der Recherche zu Edith Jacobs, für die am 5. Oktober 2021 auch ein Stolperstein verlegt wurde, haben wir noch insgesamt zehn weitere jüdische Mieter/innen gefunden, die in den beiden Häusern 91/93 lebten und später deportiert wurden. 

Die Familie Streim wohnte seit 1938 in der Hoheluftchaussee 91 im 3. Stock des damaligen Hauses. Edith Streim wurde am 11. November 1898 geboren, Iwan am 4. August 1886. Alice, ihre Tochter wurde am 9. April 1926 geboren und ging in die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße 35. Gella Streim war von Beruf Lehrerin.

Leopold Falk (geboren 1914) und Frieda Falk (geboren 1920) wurden nach dem jetzigen Stand am 18. November 1941 nach Minsk deportiert. Leopold wurde in Minsk am 5. November 1942 ermordet, Frieda wurde ebenfalls in Minsk. Cäsar (geboren 1874) und Frieda Jacobsohn (geboren 1888) wohnten ursprünglich in der Grindelallee 176, wurden aber gezwungen,  in die Hoheluftchaussee 91 zu ziehen. Von der mussten sie ins „Judenhaus“ in der Agathenstraße 3 am 2. Mai 1942 ziehen. Am 15. Juli 1942 über beide über die Schule Schanzenstraße nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurden sie am 15. Mai 1944 nach Auschwitz verschleppt und ermordet. 

Über Gertrud und Aron Feibel in der Hoheluftchaussee 93, für die am 5. Oktober 2021 zwei Stolpersteine verlegt wurden. hatten wir informiert. Sie wohnten hier seit 1933. Jetzt haben wir noch zwei weitere Familienmitglieder gefunden. Frances Feibel (geboren 1896) war die Schwägerin von Aron Feibel. Sie wohnte hier mit ihrem Sohn, Edgar Feibel (geboren 1922) seit dem 11. Oktober 1939, mussten dann aber in ein so genanntes Judenhaus in der Eppendorfer Landstraße 30 umziehen. Beide haben den Holocaust überlebt. Frances starb am 1. August 1998 in Aventura/Florida. Edgar starb 2010 in den USA. Er hinterließ Kinder und Enkelkinder. 

Am Dienstag, den 5. Oktober 2021 wurden drei Stolpersteine für Edith Jacobs, Gertrud und Aron Feibel vor der Hoheluftchaussee 91/93 verlegt. Zusammen mit Nachbarn von Ihnen haben wir Blumen an den Stolpersteinen niedergelegt. Anja Blös, Pastorin der ihren Häusern schräg gegenüberliegenden St. Markusgemeinde, war auch dabei.

Die Hamburger Morgenpost und NDR 90,3 haben über die Verlegung berichtet und dabei auch auf das Schild in der Hoheluftchaussee 91 Bezug genommen. Hier dankt die Familie Heinrich Bauer dem Käufer der Häuser von 1938, Alfred Bauer,  für seine Bescheidenheit. Im Zusammenhang mit diesem Haus ist es u.E. zynisch, da er die hoffnungslose Lage der jüdischen Eigentümer zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Sie wurden gezwungen, zu verkaufen. Auch hat er sich beim Erwerb des Kaufhauses Hoheluft Vorteile erschlossen. Es ist moralisch respektlos gegenüber den jüdischen Eigentümern, es ist zynisch, wenn man eine Zwangslage zu seinem persönlichen Vorteil ausgenutzt hat und  dann Alfred Bauer für seine Bescheidenheit dankt. Wir haben uns noch einmal an Kluxen & Co.gewandt, die jetzigen Eigentümer zu bitten, das Schild zu entfernen. 

Edith Jacobs überlebte nicht, ihre drei Geschwister wurden 1945 befreit und überlebten die Deportation und KZs. Ihre 1923 geboren Schwester lebt noch heute in den USA, allerdings führt das hohe Alter dazu, dass sie sich nicht mehr erinnert. Julius Jacobs, der Bruder von Edith, kam nach der Befreiung nach Deutschland zurück und suche nach  Informationen über Verbleib den Verbleib nach seiner Schwester Edith. Nie hat er erfahren, dass sie ermordet wurde. Mit seiner Tochter in Kanada haben wir Kontakt bekommen. Die Familie schrieb uns, dass die Verlegung des Stolpersteins für sie ein sehr emotionaler Moment war. Jetzt wird in Deutschland an Edith Jacobs erinnert. Wir konnten einige wenige Informationen zu ihrem Leben in Hamburg noch übergeben, die ihnen nicht bekannt waren. Dazu gehörte ihr Aufenthalt in der Hoheluftchaussee 91 oder ihre Stationen in Hamburg bis zu ihrer Deportation.

Hier die Nachbarschafts-Info als pdf

Kommentare sind geschlossen.