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Holger Artus

Drei Beispiele für Rausschmiss von Lehrerinnen und Lehrer im Hamburger Karolinenviertel 1933

Im Zuge der Recherche zur Schule Kampstraße 58 und 60 über das Zwangsarbeitslager für italienische Militärinternierten und eines geplanten Rundgangs durchs Karolinenviertels war ich natürlich über die Schwerhörigenschule in der Kampstraße 58 gestolpert.

Zu deren Geschichte wurde prominent geschrieben. Ich halte mich nur exemplarisch an drei Personen fest, da sie auch in den Schulen im Schanzen- und Karolinenviertel gewirkt haben. Vor allem aber geht es mir darum, dass ihre Namen gefunden werden. Was ich über sie gefunden habe, soll hier aufgeschrieben stehen: Marta Nathan, Dorothea Elkan und Louis Satow.

Unmittelbar mit der Übernahme der politischen Macht in Deutschland gingen staatliche Stellen in Hamburg daran, deren menschenverachtende Auffassung zum Inhalt des Schulunterrichts zu machen. Dazu gehörte der Rausschmiss der politischen Gegner unter den Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst. Sehr früh wurden jüdische Lehrkräfte aus den Schulen vertrieben. Noch im April

1933 ging die Behörde daran, sich eine Übersicht über die jüdischen Lehrerinnen und Lehrer zu verschaffen, um sie bis zum 30. September 1933 rauszuschmeißen.

Die Ideologie des Nazis beruht auf der Tatsache der Rasse und Vererbung, so die damaligen Haltung der Hamburger Schulbehörde. Der “Hamburger Plan” von 4. Februar 1933 aus der Hamburger Schulbehörde sah die Erblehre und Rassenkunde als Leitlinie für de Unterricht vor. Am 15. Dezember 1933 erließ die Hamburger Schulbehörde Richtlinien für die Volksschulen. Sie ging von einer “Gefahr einer Verjudung Deutschlands durch fremdrassige Vermischung” aus.

Mit dem “Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” vom 7. April 1933 und dem “Gesetz über die Widerrufung von Einbürgerungen und Aberkennung der Staatsangehörigkeit” von Juden, politischen Gegner und Emigranten vom 14. Juli 1933 war eine Voraussetzung für die Durchsetzung der faschistischen Unterrichtsinhalte in den Schulen geschaffen worden. Am 27. April 1933 ordnete die Schulbehörde eine Erhebung über die Lehrkräfte “nicht arischer Abstammung an. “Als nicht arisch gilt, wer nicht von arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt. Es genügt, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil nicht arisch ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil der jüdischen Religion angehört.” Am 25. April 1933 wurde die Aufnahme “nichtarischer” Schülerinnen und Schüler auf 1,5 Prozent festgelegt. Mit Gründung der Reichskulturkammer im September 1933 wurden Juden aus der Presse sowie aus künstlerischen und freien Berufen ausgeschlossen. 

Das Gesetz diente als Handhabe zur Gleichschaltung des öffentlichen Diensts und der Entlassung von Gegnern des NS-Regimes. Davon betroffen waren auch alle Beamten und Angestellten jüdischen Glaubens. Der in diesem Gesetz erstmals ausformulierte „Arierparagraph“ (Paragraph 3) verbot die Beschäftigung von „Nichtariern“ im öffentlichen Dienst, die in den sofortigen Ruhestand zu versetzen waren. 

Über Martha Nathan, Schule Laeiszstraße 12

Martha Nathan war am 18. Oktober 1884 in Hamburg geboren und lebte mit ihrer 1887 geborenen Schwester, Recha und ihren Eltern,  Anton Nathan, geb. 29.6.1860, und Bianca, geb. Michelsen, in der Hoheluftchaussee 115. Später zogen sie in die Wrangelstraße 1. Sie wurde Lehrerin und war ab 1. April 1906 im Hamburger Volksschuldienst beschäftigt. 1909 wurde sie fest eingestellt und arbeitete der Schule Schanzenstraße 103/Altonaer Straße 58. 1923 wechselte sie in die Schule Laeiszstraße 12. Anfang 1933 wurde sie ihr Jüdin aus der Schule geschmissen. Seit April 1933 galt das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” 

Zusammen mit ihrer Schwester, die auch Lehrerin war, waren sie ab 1933 ohne jegliche Einkunft und müssen kärglich gelebt haben. 1936 verstarb Martha Nathan. 

Über Dorothea Elkan, Schwerhörigenschule Kampstraße 58

Dorothea Elkan wurde am 17. September 1895 in Hamburg als Tochter jüdischer Eltern geboren. Nach dem Staatsexamen ging 1917 als Lehrerin nach Frankfurt und unterrichtete an der dortigen Taubstummenanstalt. Nach dem Tod ihrer Eltern zog sie 1920 zurück nach Hamburg und wurde an der Hamburger Sprachheilschule eingesetzt. Sie wurde verbeamtet und nach Zusatzstudien in Berlin zur Taubstummenlehrerin fing sie 1929 in der Schule in der Kampstraße 58 an, die seit 1920 ihren Sitz dort hatte. Dorothe Elkan übernahm eine eigene Klasse und gab auch Schwimm- und Turnunterricht.

Am 29. Juli 1933 erhält Dorothea Elkan das Schreiben der Schulbehörde, hier Landesunterrichtsbehörde, dass sie aus dem Staatsdienst entlassen werden soll.  Zum 31. Oktober 1933 erfolgt ihre Zwangspensionierung.

Das Gesetz zur Wiederherstellung des Beamtentums aus dem April 1933 schuf für den Rausschmiss jüdischer Lehrer/innen die Voraussetzung. Dorothea Elkan wollte sich mit der Situation nicht abfinden und unternahm 1934 den Versuch, weiterbeschäftigt zu werden. Das wurde aber abgelehnt. Im August 1935 zog sie nach Berlin und arbeitete dort als Lehrerin in der Israelitischen Taubstummenanstalt in Berlin-Weißensee. 1938 entschied sie sich, Deutschland zu verlassen. Ohne jedoch die Genehmigung abzuwarten, emigrierte sie am 16. Januar 1939 nach London. 

Seit dem 1. Juli 1940 wurden ihr keine Versorgungsbezüge mehr gezahlt. Dorothe Elkan arbeitete jetzt stundenweise in der jüdischen Taubstummenschule in London und anderen Gehörlosenschule. Ab November 1941 wurde allen jüdischen Menschen, die im Ausland lebten, von den Nazis die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Sie bekam 1947 die englische Staatsbürgerschaft.

Seit März 1949 lebte Dorothea Elkan in Australien, wo sie als Lehrerin an dortigen Taubstummenschulen arbeitete. 1951 kehrte sie wieder nach England zurück. Ab 1957 lebte sie wieder in Hamburg. Sie starb, mit 80 Jahren, am 18. September 1975 in einer „Heil- und Pflegeanstalt für nerven- und gemütskranke Frauen“‘auf dem Land bei Schleswig.

Über Louis Satow, Schwerhörigenschule Kampstraße 58

Louis Satow wurde am 20. Juni 1880 in Lübeck geboren. 1900 bestand er das erste Staatsexamen als Lehrer. Ab 1902 arbeitete er in einer Gehörlosenschule. 1904 legte er sein zweites Staatsprüfung in Hamburg ab und wurde nach einer Spezialausbildung für den Unterricht für Sprach- und Hörgeschädigten verbeamtet. Seine Arbeitsstelle wurde die damalige Taubstummenschule in der Bürgerweide (21) in Hamburg Hamm. Vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 trat er der Altonaer Ortsgruppe der Deutschen Freidenker Gesellschaft bei, 1918 der SPD und wurde Mitglied der Freireligiösen Gemeinde.  1930 wurde er Vorsitzender der Norddeutschen Arbeitsgemeinschaft der DFG. 1931 trat Louis Satow aus der SPD aus, da diese einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur DFG und SPD beschlossen hatte, schreibt Iris Groschek in ihrer Veröffentlichung “Die Hamburger Gehörlosenschule im ‘Dritten Reiche’”.

Zwischenzeitlich war Satow als Lehrer in der Schwergehörigen-Schule in der Kampstraße 58 verwetzt worden, die hier seit 1920 ihr Hause hatte. Am 27. Juli 1933 schrieb die Polizeibehörde Hamburg an die Landesunterrichtshörde/Schulbehörde Hamburg mit dem Vermerk „Eilt“, „betreffend Satow wegen des Verdacht staatsfeindlicher Einstellungen“.  Am 19. September 1933 wurde Satow auf Basis des im April 1933 beschlossenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Beamtentums aus dem Schuldienst entlassen und wurde vorzeitig pensioniert. „Da mir auch jede anderweitige Tätigkeit wurde, traf mich die vorzeitiger Pensionierung mit verminderter Pension besonders hart“, schrieb er 1951. 

Louis Satow war Sprecher der Freireligiösen Gemeinde Hamburg, die 1935 wegen „gesetzwidriger politischer Machenschaften“ von den Nazis verboten wurde. Er engagierte sich in der NS-Zeit über den Freimaurerbund “Zur aufgehenden Sonne” in der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ und wurde wiederholt von der Gestapo vernommen, ohne das ihm etwas nachgewiesen wurden konnte.. 

Nach der Befreiung Deutschlands vom Faschismus am 8. Mai 1945 gründete er den Hamburger Kulturverlag Satow, der erfolgreich Bücher und Magazine verlegte. Am m 27. Mai 1968 starb er in Hamburg.

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