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Holger Artus

Ingeborg Schulz, Burchardstraße 12 – deportiert am 8. November 1941 nach Minsk

Bei der Anlage und Konzeptionierung einer Stolpersteinverlegung am 5. Oktober 2021 in Hamburg-Eimsbüttel war ich noch einmal zur Recherche in die Hamburger „Hausmeldekarteien“ eingestiegen (heute so etwas die wie Einwohnermelddaten). Was ich suchte, fand ich im ersten Anlauf nicht (kommt aber noch), aber beim durchscrollen dachte ich noch einmal über mehrere Namen ehemaliger Mieter/in im Kontorhausviertel, in der Burchardstraße 12, nach.

Warum ich den Vermerk „8/11.41 nach Minsk“ bei der Recherche zu Martha und Ewald Markowitz aus der Burchardstraße 12 auf der Rückseite der Kartei nicht gesehen hatte, weiß ich nicht mehr. Jetzt habe ich es getan und herausgefunden, das die damals dort auch wohnende Ingeborg Rosenblum am 8. November 1941 über den Hannoverschen Bahnhof nach Minsk deportiert wurde.

Über Ingeborg Paula Schulz

Ingeborg Schulz, geborene Rosenblum, wurde am 8. November 1941, zusammen mit Martha und Ewald Markowitz, nach Minsk deportiert. Sie wohnte mit den beiden für einige Tage mit in deren Wohnung in der Burchardstraße 12 im Hamburger Kontorhausviertel. Den „Deportationsbefehl“ erhielt sie nach Angaben von Susanne Rosendahl, die ihre biographoschen Eckdaten für die Hamburger Stolpersteine aufgeschrieben hat, sie unter der Adresse Deichstraße 23. „Sie war zu einer Bekannten, der Gastwirtin Frieda Hillers (späterer Name Grimpe), gezogen“, schreibt Rosendahl. Aus der Hausmeldekartei geht hervor, dass sie am 24. Oktober 1941 bis zum 8. November 1941 in der Burchardstraße 12 im III. bei den Markowitz lebte. Ihre Spuren verloren sich in Minsk.

Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 332-8_A 51/1 741-4 Fotoarchiv, K 2314

Ingeborg Rosenblum war am 19. Juli 1912 in Oldenburg geboren. Ihre Eltern, Minna Horwitz und Siegfried Rosenblum, waren seit dem 16. Oktober 1911 verheiratet. In den 1920er Jahren zog die große Familie nach den schweren Jahren der Inflation in Deutschland nach Hamburg und hoffte offenbar auf einen Neuanfang. Ihre Mutter war zwischenzeitlich verstorben. „Die Kinder besuchten in Hamburg die Volksschule in der Angerstraße 33 in Hamburg-Hohenfelde. Als Älteste führte Ingeborg den Haushalt und versorgte die jüngeren Geschwister. Sie erhielt eine Ausbildung zur Stenotypistin und ging dann ihre eigenen Wege. Sie zog in die General-Litzmann-Straße 9a (heute Stresemannstraße) in die Altstadt von Altona.“

Nach der Heirat mit Johannes Schulz am 11. April 1934 wohnten sie zu erst im Hamburger Schanzenviertel, im Schulterblatt 84. Er war Konditor und hatte 1935 seine Meisterprüfung bestanden. Beide arbeiteten in der Konditorei Schuback am Steindamm. Im Mai 1938 übernahmen sie eine Konditorei in Barmbek und zogen in die Hellbrookstraße 4

Am 15. April 1939 wurde Johannes Schulz gezwungen, die Konditorei aufgegeben, das Geschäft des „jüdisch Versippten“ wurde boykottiert. Er lebte in einer von den Nazi titulierten „Mischehe“ mit einer jüdischen Frau. „Ein Großteil ihres Haushaltes, wie die Kücheneinrichtung, musste das Ehepaar verkaufen, um seinen Lebensunterhalt zu fristen. Johannes Schulz zog dann als Untermieter in die Innenstadt Colonnaden 82 und fand wieder Arbeit als Konditor, Koch und Patissier in verschiedenen Cafes und Konditoreien, bis er Anfang 1940 als Soldat eingezogen wurde. Ingeborg lebte als Untermieterin am Schulterblatt 78.“

Johannes Schulz erreichte vor der Deporation von Ingeborg Schulz am 8. November 1941 noch ein letzter Abschiedsbrief von Ingeborg Schulz: „Mein liebes Ghandilein! Soeben habe ich Bescheid bekommen, dass ich ausgewiesen bin, morgen geht es schon los. Dieses werden wohl die letzten Zeilen sein, die Du von mir erhältst. Ich bete, immer für Dich, dass Du Gesund aus dem Krieg zurückkehrst. Mein liebes Ghandilein ich werde Dich nicht vergessen. In liebe Deine Dich nie vergessene Ingeborg.“

Ein Stolperstein vor der Deichstraße 23 erinnert an Ingeborg Schulz, vor dem Restaurant „Deichgraf“.

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