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Holger Artus

Eine Besuchswoche zum Thema der IMIs geht zu Ende

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Für mich ging eine anstrengende Woche mit dem Besuch der ANEI aus Italien in Hamburg zu Ende. Alles, was geplant und abgesprochen war, wurde von mir eingehalten und umgesetzt. Der aufgebaute Druck im Vorfeld war gut platziert und trug mit dazu bei, praktische Ergebnisse erzielt werden konnten.

Es waren so viele Gespräche, ob in der Vorbereitung des Besuchs, während der Woche und an den Abenden, dass ich noch einige Tage brauche, die Schlußfolgerungen daraus zu bewerten. Da ich noch drei laufende andere Projekte habe, fürchte ich, dass es noch längern dauern kann, bis aus dem „bewerten“ ein „umgesetzt“ werden kann. Sicher muss man neben der Quantität der Punkte noch die Relevanz klärem und geprüft werden, was daraus für Aufgaben entstehen könnten oder man sie nicht weiterverfolgt.

Ich bin in der Stadt ausschließlich auf nette Gesprächspartner*innen gestoßen, die alle extrem aufmerksam, alle dem Thema gegenüber aufgeschlossen und sehr gut vorbereitet waren. Die Worte waren exakt gewählt und hinterlassen auch deshalb bei mir einen starken Eindruck.

Das öffentliche Angebote erreichte mehr Menschen, als angenommen wurde. Die Web-Seite https://imiinhamburg.wordpress.com, die täglichen Tweets auf https://twitter.com/ProjektgruppeI und die weiteren Aktivitäten auf Social Media liegen auch über den Planungen. Meine vergangene Erfahrungen zur Bildung von Europäischen Betriebsräten seit Mitte der 1990er Jahren bestimmten natürlich meine Erwartungen an den internationalen Austausch und Zusammenarbeit. Dass darf man aber in diesem schwierigen Bereich nicht einfach übertragen, geht es doch vor allem um politisch-historische Fragen. Hier meine ersten Überlegungen zum Besuch:

Eine Besuchswoche mit vollem Programm in Hamburg liegen hinter Orlando Materassi und Silvia Pascale von der Nationalen Vereinigung der italienischen Militärinternierten (ANEI). Das Thema der italienischen Militärinternierten sollte gezielt in Hamburg platziert und in die politische Öffentlichkeit transportiert werden. Es sollte aber auch ein Angebot zur Vernetzung der ANEI mit Gesprächspartner hier in Hamburg sein, so dass sie prüfen können, was sich daraus für ihre Anliegen in Italien ergeben kann. Insbesondere für die Betonung der ANEI, dass sie die Geschichten der italienischen Militärinternierter erzählen und ihnen wieder eine Stimme zu Hause geben wollen, wurden durch uns in dieser Woche viele Ansatzpunkte geboten.

Die Gespräche mit Unternehmen bzw. Einrichtungen zum Thema der IMIs und deren Erklärungen waren von Hochachtung vor dieser NS-Opfergruppe gekennzeichnet. Es waren ernsthafte Reflektionen zum damaligen Geschehen und von großer Anteilnahme gekennzeichnet. Es war aber auch das praktische Verhalten, dass einen starken Eindruck hinterlässt. So sollen Erinnerungstafeln an die IMIs in Unternehmen angebracht werden, Unternehmen werden ihre NS-Geschichte auf- oder überarbeiteten. Die Entschuldigung des GHB stellvertretend an die ANEI für den Einsatz und Ausbeutung der IMIs war eine bedeutsame Erklärung. Die gemeinsame Niederlegung von Hamburg Wasser und ANEI am Mahnmal auf der Elbinsel Kaltehofge sind ein Zeichen der notwendigen Gerechtigkeit für diese NS-Opfergruppe.

In vielen Gesprächen wurde die Haltung der “Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg” zu den Entschädigungszahlungen heute an die noch lebenden italienischen Militärinternierten angesprochen und man stieß auf interessierte Gesprächspartner. Die Gespräche mit der Stadt und Politik in Hamburg zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, die Themen der italienischen Militär aus historischer Sicht zu vertiefen. ANEI wurde eine große Aufmerksamkeit in den Gesprächen gebracht und verschiedentlich betont, dass der Blick auf diese NS-Opfergruppe auch durch den Besuch verstärkt in den Fokus gekommen sei. 

Die Kundgebung am 8. September 2021 vor den Lagerhäusern am Dessauer Ufer fand vor dem größten Zwangsarbeitslagern für 5.100 italienische Militärinternierte in Hamburg nicht nur am Jahrestag des Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten statt, die den Anlass für die gefangennahmen der  italienischen Soldaten einleite. Es war auch eine Kundgebung, die die Bedeutung dieses Standort in der Hamburger Erinnerungskultur betonen sollte. Hier waren tausende KZ-Häftlingen aus Auschwitz und Neuengamme fest- und zur Zwangsarbeit eingesetzt worden. Ein großes Anliegen der “Projektgruppe” ist es, dass es ein Dokumentationszentrum zur NS-Zwangsarbeit in Hamburg geben sollte. 

Mit den Kundgebungen an den beiden damaligen Außenlagern des KZ Neuengamme am Dessauer Ufer im Lagerhaus G und am Falkenbergsweg haben wir die Menschen eingeladen, zusammen mit ANEI ihre Haltung zum Ausdruck zu bringen, dass Geschichte auch heute noch aufgearbeitet werde muss. Dass eine Schulklasse sich des Themas der NS-Zwangsarbeiter_innen und der italienischen Militärinternierten im Rahmen eines Projekt annimmt, ist eine hoffnungsvoll stimmende Aktivität.

Zum Beginn des Besuchs war ANEI am Mahnmal in der Sternwoll-Spinnerei in Altona, das an die sowjetischen Zwangsarbeiter_innen in der Fabrik in der NS-Zeit erinnert, in der ab 1944 auch italienische Militärinternierte arbeiten mussten. Es sollte auch als Zeichen verstanden werden, dass man alle NS-Zwangsarbeiter_innen im Blick hat. Die Kundgebung im Hamburger Karolinenviertel in der Glashüttenstraße 79 vor einem ehemaligen Lager für sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und einem Zwangsarbeitslager direkt gegenüber für italienische Militärinternierte sollte dieses Anliegen ebenfalls unterstreichen. 

Die Teilnahme und die Reden von Vertretern des italienischen Generalkonsul aus Hannover und des russischen Generalkonsulat aus Hamburg auf den Kundgebungen waren wichtige Punkte in dieser Woche für künftige Aktivitäten. Das Leid und die Vernichtung der sowjetischen Menschen in der NS-Zeit muss in Hamburg wieder stärker in die Öffentlichkeit getragen werden. 

Mit einem Podcast, den täglichen Tweets, der Vor- und Nachberichterstattung über die Web-Seite, einem Live-Stream zum Massaker in Sant’Anna di Stazzema am 14. August 1944 oder den Nachbarschafts-Informationen, zu Zwangsarbeitslagern italienischer Militärinternierter, wurden verschiedene Medienkanäle bespielt und alle Zielsetzungen weit überschritten. Zur Besuchswoche gehört auch, dass ohne die Unternehmensspenden das alles hätte so nicht stattfinden können.

Blickt man auf die Aktivitäten des vergangenen Jahres zurück, die vom 8. September 2020, denen vom 12. und 13. Februar 2021, so waren es insgesamt die bisher größten Aktionen zum Thema der italienischen Militäraktivitäten in Hamburg in den vergangenen Jahrzehnten. Diese Aktivitäten wurden mit wenig Kräften gestemmt, aber mit Wirkung. Mit den Web-Seiten (https:/heinrichbauerhaus.wordpress.com sowie https://imiinhamburg.wordpress.com bzw. https://www.sternschanze1942.de/ zu den verschiedenen „IMI“-Anlässen, dürfte es sich hier auch um die größte Dokumentation zu italienischen Militärinternierten in Hamburg handeln.

Aus der ersten Diskussion um den Besuch ergibt sich, dass man die vielen aufgebauten Kontakte, organisierten Informationen und angefangenen Diskussionen bzw. Bewertungen jetzt gewissermaßen konsolidieren muss, um die Schwerpunkte für die Transformation in die künftigen Schritte und Aufgaben zu finden. Klingt bescheuert, meint aber, was sind die abstrakten Ergebnisse und wie gewinnt man dafür in Zukunft eine neue Trägerschaft. Welche Punkte treibt man politisch? Wir haben 15.000 Namen von IMIs. Sollen sie digitalisiert werden, wenn ja, wer macht es und für wen hätte das einen Wert, was ist der Zweck und das Ziel. Bereits schon einmal sollten die Namen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Hamburg aufgearbeitet werden. Aus irgendeinem „geheimen“ Grunde wurde bei 20.000 Stopp gesagt/gemacht.

Es geht aber auch um die Frage, dass die IMI eine Gruppe sind, es aber am Beispiel der sowjetischen Menschen hier in Hamburg eine weitere Gruppe gibt, die übelst behandelten und die meisten ermorderteten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erfuhr. Die Gesellschaft muss prüfen, wie sie sich dazu heute verhält? Mit dem Besuch am Mahnmal in der Sternwoll-Spinnerei (06.09.2021) und der Kundgebung im Karolinenviertel (09.09.2021), wo ein Vertreter des russischen Generalkonsulats sprach, war dies ein absichtliches Vorgehen, um eine generelle Haltung und Zielsetzung zu zeigen. Sicher auch, weil es immer wieder von Seiten der Unternehmen, aber auch von Einrichtungen der Erinnerungskultur den Hinweis gab, dass wir uns nicht nur um eine Gruppe kümmern sollten. Das ist politisch und sachlich natürlich völliger Blödsinn. Den Herren habe ich meine Meinung gesagt, aber das Anliegen ist mir auch eine Herzenssache – seit dem Mahnmal in der Sternwoll-Spinnerei (https://www.sternwoll-spinnerei.de). Wenn man von den einzelnen Nationen abstrahiert, geht es um die NS-Zwangsarbeit in Hamburg und ihre Darstellung für die Nachwelt.

Fragen der Vernetzung, der Forderungserhebung und der konzentrierten Zielsetzungen in relevanten Fragen stellten sich natürlich immer wieder.

Vieles von den angetippten Punkten wird am Ende nicht weiterverfolgt werden. Es sind materielle Punkte und die nach den personellen Ressourcen, die hier die Rahmenbedingungen setzen. Vor ihnen kann man nicht die Augen verschließen. Insofern wird es auch um abstrakten Schlußfolgerungen gehen, die man aber eben konkret adressieren kann. Zwei Projekte zeichnen sich ab und ich hoffe, ich bekomme alle „gestellt“, die ich herausfordern möchte. Das wird aber dauern, schließlich soll es nicht um heiße Luft gehen. Die dürfen andere generieren, nicht mein Ding.

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