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Holger Artus

NS-Zwangsarbeitslager in der Marschländer Straße 11

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Am 8. September 2020 findet im Hamburger Kontorhausviertel eine Kundgebung zur Erinnerung an die italienischen Militärinternierten und deren Opfer vor der Burchardstraße 11 statt. In Vorbereitung habe ich mir überlegt, wie neben der allgemeinen Werbung auch vor Ort in der Altstadt darauf hinweise. Aus Erfahrung weiß ich, dass man mit einem Flugblatt eher wenig Leute erreicht, aber informiert.

Von den drei Zwangsarbeitslagern gibt es zwei Adressen nicht mehr. Zum Lager in der nicht mehr bestehenden Marschländer Straße habe ich ein extra Info geschrieben, um die hier arbeitenden Beschäftigten zu erreichen. Ich habe vor dem Unternehmen am 24. August 2020 verteilt und die Unternehmen am neuen Standort gebeten, ihren Beschäftigten das Info per Mail weiterzuleiten. Beiliegend der Wortlaut der Info und das pdf.

Haben Sie sich schon einmal damit befasst, wie das Unternehmen, für das Sie tätig sind oder einmal waren, in der NS-Zeit agierte und wie es damals rund um Ihre heutige Arbeitsstelle ausgesehen hat? Wie groß war die Zerstörung der Gebäude im Kontorhausviertel und im damaligen Freihafen? Was war hier los Anfang der 1940er Jahre? Als Initiative im Kontorhausviertel haben wir uns auf Spurensuche begeben. Einen Aspekt dieser Recherchen rund um den Deichtorplatz, zwischen Kontorthausviertel und Speicherstadt wollen wir nun erzählen. 

Ein Massenlager für italienische Militärinternierten von 1943 bis 1945 war einst in der Marschländer Straße 11 errichtet worden. Weder diese Straße noch das damalige Kontorhaus mit der Nummer 11 gibt es heute mehr. Dennoch gehen Sie jeden Tag daran vorbei: Sei es, Sie gehen in die Hafencity über den Wandrahmsteg oder Sie arbeiten in einem Unternehmen, das seinen Standort im Deichtor Office Center hat, zwischen der Willy Brandt-Straße und der Elbe. Für manchen Hamburger wird dieses Gebäude vor allem über das ZDF Landesstudio wahrgenommen.

Das Kontorhaus an der Marschländer Straße 11 war 1910 von der Vereinsbank, heute Hypovereinsbank, erbaut worden. Ab 1943 hatten die Nazis im Obergeschoss ein Lager für italienische Militärinternierte eingerichtet und Platz für 350 verhaftete italienische Soldaten geschaffen. Sie wurden zur Arbeit in Hamburger Unternehmen der Rüstungswirtschaft oder der Schuttbeseitigung gezwungen. Man setzte sie auch zum Bau weiterer Zwangsarbeitslager u.a.m. ein. Sie starben nicht an der Front, sondern verhungerten, starben an Erkrankungen oder an den Bombardements, da es sehr wenig Schutz für sie gegeben hatte. 

Wenn Sie über den Wandrahmsteg in die Hafencity gehen, gehen Sie jeden Tag ebenfalls an einem weiteren großen Zwangsarbeitslager, im Wandrahm Block W vorbei. Meistens nimmt man diesen Komplex über den “Dialog im Dunkeln” wahr. Im “Block W” waren 410 Plätze für italienische Militärinternierte geschaffen worden. Im unmittelbaren Umfeld vom Wandrahm Block W gab es weitere Zwangsarbeitslager, wie z.B. im Wandrahm Block S.

In der unmittelbaren Nähe des Messberghofs gab es zwei weitere Massenlager: So im Klostertorhaus in der Burchardstraße 1.  Hier waren 750 Plätze für italienische Militärinternierte geschaffen worden. Dieses Gebäude gibt es auch nicht mehr. Heute biegen hier täglich tausende Autos vom Klostertorwall kommend in die Willy-Brandt-Straße ein. In der Burchardstraße 11 gab es Platz für 250 italienische Zwangsarbeiter. Die Lager waren bis 1944 bewacht. Alle drei Gebäude gibt es heute nicht mehr. 

Insgesamt waren über 12.000 italienische Soldaten nach Hamburg deportiert worden. Zur Zwangsarbeit wurden in dieser Zeit auch verstärkt Inhaftierte aus dem KZ-Neuengamme eingesetzt. Insgesamt gab es in Hamburg 700.000 Zwangsarbeiter/ innen. Um Ihnen eine Größenordnung über die Opfer am Beispiel unter den italienische Militärinternierten zu verschaffen: Auf dem Öjendorfer Friedhof befinden sich die Gräber von 5.847 Italien für Nordwestdeutschland. 

Was wollen wir von Ihnen?

Einmal möchten wir Sie auf das Zwangsarbeitslager in der Marschländer Straße 11 aufmerksam machen. Zum anderen wollen wir an die Menschen in diesen drei Lager im Kontorhausviertel und die Opfer erinnern. Das soll in Form einer Kundgebung am Dienstag, den 8. September 2020 um 17 Uhr vor der Burchardstraße 11 erfolgen. Vielleicht schauen Sie vorbei?

Den 8. September haben wir gewählt, da an diesem Tag im Jahr 1943 die einstigen italienischen Verbündeten Nazi-Deutschland nach dem Sturz von Mussolini mit den Alliierten einen Waffenstillstand abgeschlossen hatten. Daraufhin wurden die italienischen Soldaten von der Wehrmacht festgesetzt und vor allem nach Deutschland verschleppt. Dieser “Front-Wechsel” der italienischen Soldaten führte dazu, dass sie in Deutschland besonders verachtet und sehr schlecht behandelt wurden. 

Hier die Info als pdf

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