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Holger Artus

Noch fehlt in der Burchardstraße 12 ein Stolperstein

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Für eine geplante Aktivität am 15. Juli 2020 vor dem Bahnhof Sternschanze/Ganztagsgrundschule Sternschanze war ich alle Deportationsliste 1941 – 1945 in Hamburg durchgegangen. Gerne will ich alle Namen der Deportierten aus unserem Wohngebiet, dem „Weidenviertel“, an diesem Tag auflisten. Hierbei fand ich die Namen von Marta und Ewald Markowitz in der Burchardstraße 12.

Im Januar 2020 hatte ich Flugblätter im Hamburger Kontorhausviertel zur „Arisierung“, der Zwangsarbeiterlager und der den namentlich bekannten NS-Opfer verteilt. Damals wusste ich nichts über diese beiden Verfolgten – und ermordeten aus dem Hamburger Kontorhausviertel. Jetzt habe ich der Interessengemeinschaft Kontorhausviertel geschrieben und sie gebeten zu prüfen, ob sie nicht einen Stolperstein für 120 € zu finanzieren. Ich bin gespannt, wie sie reagieren. Noch habe ich keine Planung, wenn sie es ignorieren. Aber auf sich beruhen lassen, werde ich es nicht und Ideen habe ich, da es sich eine andere Aktivität einordnet, die durchgeplant ist.

Heute Morgen bin ich im Staatsarchiv gewesen und habe mir die dort vorliegenden Akten angesehen. Es dürfte noch welche in Bremen und Berlin geben. Fürs erste wollte ich der Interessengemeinschaft nur einige Eckdaten anbieten können. Hier meine Niederschrift:

Ewald Markowitz, geboren am 22. Mai 1901 Berlin und Marta Sydkemski, am 2.2.1899 in Bremerhaven geboren, waren seit dem 18. Oktober 1923 verheiratet. Sie wohnten seit dem 31.12.1931 in der Burchardstraße 12 im III. OG.

Als Beruf gab er „Verkäufer“ in der Textilbranche an, nach 1933 schrieb er „Lagerist“‘ergänzend dazu. Marta arbeitete vor ihrer Ehe als Kindergärtnerin in Bremerhaven, bis beide geheiratet hatten.

Bis 1933 war Ewald Markowitz durchgehend beschäftigt. Nach 1933 folgten Perioden ständiger Arbeitslosigkeit, unterbrochen durch zeitweilige Beschäftigung. Diese  fand er bei jüdischen Unternehmen, die eine hohe soziale Verantwortung ausfüllten. Da sie boykottiert wurden und ihre jüdischen Kunden zunehmend verarmten, verschlechterte sich auch deren wirtschaftliche Lage. Immer wieder musste er Fürsorge beantragen. 

Ewald Markiwitz muss ein sehr pflichtbewusster Mensch gewesen sein. Egal wie prekär sein Lage zeitweilig in der NS-Zeit war, weil er als Jude ausgegrenzt wurde, er hat sich immer um seine finanzielle Verantwortung gegenüber seiner Mutter gekümmert, auch in Zeiten, wo sie nicht wussten, wie sie den Monat überstehen. Sieht man seine Fürsorge-Anträge, so war er immer um eine sehr akkurate Bearbeitung bemüht, um sich nicht angreifbar zu machen.

Marta Markowitz muss sehr unter den veränderten und prekären Bedingungen gelitten haben. Der Antisemitismus wirkte sich auch noch direkter aus. So hatten sie ein Zimmer untervermietet, aber nach den Pogromen gegen die jüdischen Menschen im November 1938 wollte „eine arische Mieterin nicht mehr dort wohnen“. Sie bekamen zu diesem Zeitpunkt die Wohnung nicht mehr untervermietet. Auch wurde ihr gesagt, „das in dieser Gegend keine Juden mehr ziehen wollen.“ Zu dem hatten sie das Problem, dass sie ein unmöbliertes Zimmer hatten. Marta Markowitz litt sehr unter den Verhältnissen. „Frau M.macht einen sehr elenden Eindruck.“ Die Mitarbeiter der Fürsorge schrieben wiederholt. Sie betonen aber auch bei aller Armut: „Das Zimmer der Eheleute ist sehr sauber und ordentlich gehalten. Auf Bett und Divan liegen und sitzen mindestens ein Dutzend Stofftiere.“

Ewald Markowitz arbeitete zum Schluss als Stoffvermesser im Unternehmen von Ernst Fränkel, der es aber auf Weisung der Nazis im Alten Wall 74 schließen musste. Vorher hatten bereits „arische“ Kaufleute, u.a. ansässig im Kontorhausviertel, seine Immobilien gekauft. Nach der Schließung des Unternehmens wurde Ewald Zwangsarbeit bei verschiedenen Unternehmen zur Arbeit gezwungen. Trotz einer Bezahlung konnte er bald nicht mehr die Miete bezahlen.

Ewald und Marta Markowitz wurden am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Danach verloren sich ihre Spuren. Sie wurden 1945 für Tot erklärt. Die Mutter und eine Schwester von Ewald Markowitz wurden ebenfalls 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Auch ihre Spuren verloren sich danach. Die Schwester von Marta Markowitz, Erna Sydkemski überlebte in einer so genannte „Mischehe“. Auch Ihre Schwester Hertha entkam der Nazi-Terror, sie konnte in die USA emigrieren.

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