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Holger Artus

Ein Stolperstein für Isaac Cohn, Schäferkampsallee 18

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Um nachharschaftsnah für eine Kundgebung am 15. Juli 2020 vor dem Bahnhof Sternschanze zu werben, habe ich eine Reihe von Infos geschrieben, die jeweils nur um die Adresse eines NS-Opfers in den Häusern verteilt wurden. Wer da nicht wohnte, bekam nichts davon mit. Es sind 20-40 auflagige Infos.

Ein Gesamtblick zur Kundgebung und den Infos im Vorfeld gibt es auf dem Blog www.sternschanze1942.de. Im Vorfeld der Kundgebung, die an die Deportation der jüdischen Menschen am 15. und 19. Juli 1942 erinnern soll, wird ein Stolperstein für Isaac Cohn am 27. Juni 2020 verlegt. Über ihn habe ich geschrieben. Da es sich um ein reines Gewerbehaus handelt, habe ich die Unternehmen angemailt und in Szene gesetzt. Ich habe sehr nette und freundliche Mails zur Antwort bekommen. Vor allem ging es darum, die Beschäftigten zu informieren. Eine Verteilung hatte ich geprüft, aber sie zu organisieren, wäre zu kleinteilig. Vorab das Info an die Unternehmensleitung. Es wird noch eine Plakat auf dem Fußweg im Vorfeld der Stolperstein-Verlegung geben. Hier der Wortlaut meiner Nachbarschafts-Info.

Am 27. Juni 2020 soll ein Stolperstein für Isaac Cohn in den Gehweg vor dem Haus Schäferkampsallee 18 verlegt werden. In Hamburg gibt es über 5.700 davon, die an die Personen erinnern, die von den Nazi verfolgt und ermordet wurden.

Was will ich von Ihnen? Ich wohne hinter dem „Haus des Sports“, in der Agathenstraße. Hier im Weidenviertel gibt es sehr viele Stolpersteine: So z.B. vor der heutigen Schäferkampsallee 27, der Montessori-Schule. Ehemals befanden sich hier das Doppelhäuser 25/27, in dem sich u.a. eine jüdische Einrichtung für Auszubildende befand. 1941 wurde es ein „Judenhaus“. Ab 1939 hatten jüdische kein eigenes Wohnrecht mehr. Sie wurden schrittweise aus ihren Mietwohnungen vertrieben und zu Massen in diese Judenhäusern“ zwangseingewiesen. In der Nummer 29 war erst ein jüdisches Altenheim, später ein „Judenhaus“ und ab 1943 das Israelitische Krankenhaus. Ihnen direkt gegenüber, in der Schäferkampsallee 11, wohnte u.a. die jüdische Familie Wagner. Sie emigrierten 1939 nach Amsterdam. Später wurden auch sie verhaftet und ermordet. Deren Tochter Ilse war in Amsterdam eine Freundin von Anne Frank. Es gibt viele weitere Stolpersteine in der Schäferkampsallee (30, 41, 56, 61), es noch viel weitere Opfer-Namen allein in der Schäferkampsallee.

Isaac Cohn war am 19. März 1862 in Altona geboren. Er war verheiratet mit Johanna Plaut (1857-1930). Das Paar hatte drei Kinder, Rahel (geb. 1895), Rosa (geb. 1894) und Julius (geb. 1897). Julius starb als Soldat im 1. Weltkrieg, Rosa konnte mit ihrem Mann Max Moritz 1939 nach Palästina emigrieren. Rahel war mit Alfred Rinteln (geb. 1891) verheiratet. Er war Richter und Landgerichtsrat im damaligen Altona. Beide wurden am 25. Oktober 1941 ins Ghetto nach Lódź deportiert. Alfred starb am 20. Juni 1942, Rahel am 21. Mai 1944. Isaac Cohn hatte ein Haushaltswarengeschäft, in dem auch Rosa arbeitete. Er musste Ende 1941 in die Schäferkampsallee 18 umziehen. Am 15. Juli 1942 wurde er über die Schule Schanzenstraße beim Bahnhof Sternschanze nach Theresienstadt  deportiert. Gestorben ist er am 7. Dezember 1942 im Ghetto.

Vielleicht, wenn Sie demnächst am Stolperstein von Isaac Cohn vorbeigehen, haben Sie eine Vorstellung davon, welch menschliche Tragik und welche Verbrechen hier konkret stattgefunden haben. Unser ehemalige Nachbarn waren jüdische Bürger und wurde von den Nazis deportiert. 

Mir geht es bei den Stolpersteinen in unserem Viertel häufig so, dass ich nach unten schaue und mich auch verneige, ohne den Blick für das Leben in unserer heutigen Gesellschaft zu verlieren. 

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