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Holger Artus

Sollte man eine Strategie im Linken–Wahlkampf verfolgen?

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Nach den Bezirksversammlungswahlen am 26. Mai 2019 wird die „Regierungskoalition“ von SPD und Grüne in Hamburg-Eimsbüttel fortbestehen. Die Verhältnisse von SPD und Grün könnten sich umkehren. Die CDU droht, beim vierten Platz in der Wähler/innen-Gunst weiter an Zustimmung zu verlieren. Für eine linke Opposition also alles klar? Dazu noch was für Eimsbüttel oder deren Stadtteile entwickeln? Bleibt man bei seiner heutigen „Linie“, eben auf das Ansehen in der Bundespolitik zu setzen? Die praktischen Erfahrungen mit der Linken in der Planung lassen einem zweifeln, ob sie so etwas wie eine Strategie verfolgen (werden).

Wahlergebnisse 2014/2011 in Eimsbüttel

Die Wähler/innen werden ihre Stimme am 26. Mai 2019 abgeben, dann erst wird man sehen, wie es sich konkret verhält mit den parlamentarischen Kräfteverhältnissen. 2014 stimmten zu den Bezirksversammlungswahlen in Eimsbüttel 33,3 Prozent für die SPD (2011 42,9%). Die Grünen kamen im Bezirk auf 23,1 Prozent (2011 18,1 %). Die Linke erreichte 9,8 Prozent (2011 6,4 Prozent). Die CDU erreichte 22,7 Prozent (2011 21,8 %), die FDP 4,5 Prozent (2011 6,3 %), die AfD 2,9 Prozent.

Staatliches handeln sind enge Grenzen gesetzt

Der „Staat Hamburg“ mit seinem Eigentum und seinen politischen Möglichkeiten der Steuerung, hat sich das Ziel der so genannten Haushaltskonsolidierung gesetzt. Mit einer „Schuldenbremse“ – auch in der Hamburger Verfassung verankert – , will man einen Rahmen haben für eine „solide“‚ Ausgabenpolitik. Neben den Erhaltungsinvestionen (in das öffentliche Eigentum), will man Neuinvestitionen (wie Schulbau) und auch Schulden abbauen, die über die vergangenen Jahrzehnten entstanden sind. Dazu kommen noch die Kosten für den Personaleinsatz der Stadt Hamburg. Der Haushalt besteht natürlich aus noch mehr, aber am Ende bestimmt ein gegebener finanzieller Rahmen die Ausgabemöglichkeiten. Um mehr Gestaltungsrahmen zu haben, müsste man die Einnahme-Seite verbessern. Dafür verkauft man u.a. Eigentum.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine Politik der Umverteilung vorgenommen. Vom Staat, über die Politik und das agieren der Unternehmen. Den Reichen wurden Geschenke gemacht, den normalen Arbeitnehmer/innen und von Arbeitslosigkeit betroffenen, den Senioren/innen betroffenen wurde Geld genommen. Über vielfältige Prozesse, die man auch nicht morgen sofort korrigieren könnte. Sie haben dem Staat mehr Mittel und auch Handlungsmöglichkeiten genommen.

Diese beiden Rahmenbedingungen, Umverteilung von Einkommen in Richtung der Reichen und enge Grenzen bei den Staatsausgaben, sind es, mit denen die Kommunalpolitik konfrontiert ist. Da die Bezirke keine eigenen Einnahmen haben, hängt ihre Strategie absolut von der Hamburger Haushaltspolitik und deren Ausrichtung ab.

Mit oder ohne Strategie in den Wahlkampf?

Legt man die aktuellen Umfragen für die Linke in Hamburg zu Grunde, liegt sie bei 11 Prozent und hat damit deutlich mehr als bei den Bürgerschaftswahl 2015 mit 8,9 Prozent. Gemessen an den letzten Bundestagswahlen liegt sie auf deren Niveau (10,8 Prozent). Man könnte auch sagen, es verändert sich nichts (wie die Wahlen in Hessen). Also alles klar für den Wahlkampf? So weiter agieren wie bisher, denn offenbar bringt das Stimmen.

Und dennoch sollte man sich m.E. die Frage stellen: Gibt es Gründe, sich über seine (linke) Strategie im Wahlkampf einen Kopf zu machen, was man erreichen will. Erreichen insbesondere aus Sicht einer linken Opposition, die darauf setzt, Demokratie und soziale Rechte zu verteidigen, einen Prozess einer anderen Politik einzuleiten (in Deutschland). Deren Anspruch ist, sich mit den Menschen, nicht für sie einsetzen.

Bezirksstrategie der SPD in Hamburg

Wie ist die Strategie bei der Sozialdemokratie? Auf ihrem Parteitag im Oktober 2018 hat die SPD ihre Ziele formuliert: sie wolle ein „starkes Mandat“ in allen sieben Bezirken und die bisherigen Mehrheiten verteilen. Der Blick der SPD ist vor allem auf die Bürgerschaftswahl 2020 gerichtet, die „Bezirkswahlen“ haben für sie den Stellenwert der Verbindungen in die Kommune. Durch die Mitarbeit in den Vereinen, der lokalen Arbeit der SPD in den Stadtteilen, durch das erleben der konkreten Maßnahmen vor Ort, ist die Kommunalpolitik ein wichtiges Welt für ihre Kommunikation. Schule, Sport und Verkehr sind die besonderen Themen „vor Ort“. Für den Wahlkampf 2019 wurde jetzt sogar der Hamburger Haushalt erhöht.

Die eigenständige Rolle der Bezirke für die Politikvermittlung wird unter dem Aspekt der Beteiligung betont, aber nicht im Sinne von Ausbau der Entscheidungen. Für die Mitarbeit in den kommunale Ausschüsse (Bezirksversammmmlungen) sollen mehr Beauftragte bekommen, die auch Rechte haben sollen, aber immer unter dem Aspekt der Beteiligung. Die Klammer für die SPD ist der von ihnen definierte Spielraum in Hamburg, der sich aus der Haushaltslage ergibt. Diese wird bestimmt durch die Haushaltskonsildierung und die damit verbundene Schuldenbremse.

In Eimsbüttel haben die SPD und Grünen auf Basis der gemeinsamen Senatsstrategie eine Vorstellung, wie die im Eimsbüttel umgesetzt werden sollte. In den Wahlprogrammen (aktuell die Grünen in Eimsbüttel) gibt es Vorstellungen, wie sich Eimsbüttel entwickeln soll. Es gibt zu den einzelnen Stadtteilen Positionen, zu denen man stehen kann wie man will, aber es gibt sie. Die Linke hat ein Sammelsurium von Allgemeinplätzen und konkreten Ansprüchen in ihrem aktuellen Wahlprogramm, aber ein Faden im Sinne einer kommunalen Politik, um die herum man in den Streit im Sinne der Aufklärung, Sammlung und Formierung um Alternativen entwickelt, gibt es nicht. Das so etwas nicht leicht ist, steht außer Frage. Das kann nur über einen längeren Prozess erfolgen und geht nicht per Erkenntnis. Aber um eine Alternative zu werden, bedarf es auch der bezirklichen und stadtteilpolitischen Formierung unter Berücksichtigung der vorhandenen Bedingungen. Auf Sicht ist eine Opposition „aus der Hüfte“ keine Strategie für eine politische Kraft, wie eine andere Politik umsetzen will.

Wo ist der Platz einer linken Opposition?

Eher fragwürdig erscheint mir das draufdreschen auf die Regierungspolitik und die beiden sie verantwortenden Parteien, SPD und Grüne. Redewendungen wie „Mehrheitsparteien“ zielen eher auf die Diffamierung denn auf die politische Auseinandersetzung. Diese findet im Wettbewerb statt, aber doch nicht darum, wie die anderen zu seinen scheinen, sondern mit dem Blick auf die eigenen Adressaten bzw. Zielgruppen. Das sind in erster Linie nicht die eigenen Mitglieder, sondern interessierte, sich selber bewegen oder bewegte Gruppen, aber auch das gesamte Spektrum der NGO bzw. die zivilgesellschaftlichen Strukturen bzw. der Austausch und die Zusammenarbeit mit ihnen. gerne auch strittig.

Mit wem will ich was verändern?

Neben der Kritik an den Verhältnissen, der Frage, mit wem bewege ich mich, bedarf es aber auch eines Konzeptes von Alternativen, eben nicht „hau drauf“. Dies kann nur im Alltag, in der gemeinsamen Erfahrung und auch in der Debatte erfolgen. Dazu muss man sich kennen, dazu muss man verstanden werden.

Ein Konzept linker Opposition und Gestaltungswillen bedingt Beziehungen

Auch wenn man aus heutiger Sicht davon ausgehen muss, dass die Mehrheiten von SPD und Grünen in Eimsbüttel sich nicht verändern wird, wohl aber ihre Relationen. Es ist vorstellbar, dass die Grünen im Bezirk Eimsbüttel die stärkste Kraft werden. Insofern muss man sich darauf einstellen, dass sie manches aus den Wahlprogrammen umgesetzt werden in der Zukunft. Damit muss sich linke Politik kritisch auseinandersetzen – oder auch nicht.

Man kann die bisherige Linke Oppositionsarbeit im Sinne der Kommentierung einzelner Maßnahmen der Koalition in Eimsbüttel sicher auch fortsetzen. Handlungsstärke dürfte man durch diese Strategie m.E. aber nicht erreichen. Das aktuelle Wahlprogramm zu den Bezirksversammlung hat interessante Punkte. Das Konzept ist wie bei der SPD ein Beschluss eines Landesparteitages, der die Eckpunkte setzt. Schaut man sich andere Wahlprogramme der Linken in ändern Hamburger Bezirken an, dann wird aber auch sichtbar, dass man es anders, konkreter machen kann.

Man wird durch ein kommunales agieren nicht die neoliberale Politik der Bundesregierung verändern können. Dazu bedarf es anderer Kräfte- und gesellschaftlicher Verhältnisse. Aber man kommt bei einem strukturierten Vorgehen seitens der linken Opposition dichter an die interessierten, bewegten und zu bewegenden Menschen heran. Dazu gehört der Streit im Parlament, dazu gehört das parlamentarische Überprüfen, was man eigenständig zum Thema macht und vom den anderen aufgegriffen wird, bis hin zu der Frage, was macht man gemeinsam. Seine Beziehungen zu den NGOs, denen der Zivilgeselschaft sollte man verändern, im Sinne der Ansprechpartner, im Sinne eines streitbaren Kontaktes und auch im Sinne, dass wenn man gemeinsame Sichtwiesen hat, was man damit macht, um daraus Gestaltungsmacht zu generieren.

Strittigen Diskurs mit der SPD und den Grünen führen

Eine linke Strategie greift nur, wenn man eine eigene Stimme, eine Organisationskraft, mit eigene Vorstellungen und Alternativen hat. Man muss m.E. auch den Diskurs mit der SPD und den Grünen in Eimsbüttel führen.

Die anhaltende Krise der SPD schafft Möglichkeiten, über Alternativen zu reden

Die SPD verliert bei den jüngsten Bundes- und vor allem Landtagswahlen massiv. Es drohen 2019 weitere Wahlniederlagen und im Osten die Gefahr einer weiteren Marginalisierung. Das Vertrauen in die SPD ist im Tiefflug, die Glaubwürdigkeit der SPD ist stark ramponiert, aber nicht nur das von der SPD. Es gibt eine Erneuerungsdebatte in der SPD. Will sie nicht wie die Sozialistische Partei in Frankreich unter 10 Prozent fallen, muss sie sich erneuern. Das heißt, es gibt mehr Debatten und damit Chance, gemeinsames zu suchen. Das sozialdemokratische Nachfolge System von Hartz IV ist so ein Beispiel. Die SPD will das Drangsalierungssystem verändern, glaubt man den Papieren, sogar abschaffen. Damit würde eine zentrale Kritik der Linken, Gewerkschaften und Hartz IV-Bewegungen übernommen.

Das Erstarken des Rechtdpopulismus ist eine ernste Gefahr für die politische Lage

Das Erstarken des Rechtspopulismus, deren Setzen auf Vorurteile in Bevölkerungsgruppen ist nicht nur eine Stimmungslage. Sie wirkt politisch und verschieb die Kräfteverhältnisse nach rechts. Das sich das gesellschaftliche Klima nach rechts entwickelt, das rechte und rassistische Positionen in die Debatte und Entscheidungen der Politik kommen, daran kann man kein Interesse haben. Die Rechtspopulisten erschließen neue Gruppen wie sich Wähler/innen von den traditionellen Partei abwenden. Das erfährt aber auch die SPD. Auch wenn es der Partei nur um ihre eigene Rolle geht, gegen Rechts und Rechtspopulismus gibt es mehr Gemeinsamkeiten. Die in meinen Augen richtige Kritik von links ist, dass die Ursache der Rechtsentwicklung, die soziale Spaltung in der Gesellschaft, eine neoliberale Politik, die zur Umverteilung in die Kasse der Reichen geführt hat, die Sozialsysteme zu Lasten der Menschen verändert hat u.v.a.m, nicht von der SPD angegangen wird. Solange dies nicht erfolgt, wird es bei der Lage eines anhaltenden Wachstums der Rechtspopulisten bleiben. In den ostdeutschen Bundesländern stehen 2019/2020 fast überall Landtagswahlen an. Bei den Umfragen liegt liegt die AfD in Brandenburg, Thüringen und Sachsen bei über 20 Prozent. Das Interesse in der SPD, was man gegen Rechts und Rechtspopulismus macht, ist im Osten fast eine Existenzfrage geworden.

Eine demokratische, soziale und ökologische Wende kennt viele Akteure

Das Gefühl für die Verantwortung der heutigen Gesellschaft für die nachfolgenden Generationen ist hoch. Ob in der Klima- und Umweltpolitik gibt es über viele Spektren- und Strömungen hinweg einen allgemeinen Konsens, dass sich etwas ändern muss. Aktuell sind es die Grünen, die von diesen Themen profitieren. Der Fokushima-Effekt 2011 war schon gewaltig, aber jetzt hat die Stimmungslage eine neue Qualität bekommen. Wenn Frage des Lebens, des Überlebens die Menschen bewegt, die sich engagieren, dann muss man diese neue Lage erschließen.

Der neue PCF-Nationalsekretär, hat es auf derem letzten Parteitag im Dezember 2018 in schöne Worte gefasst: „Wir sagen, dass die ökologische Umstellung, die so lebenswichtig ist in einer Zeit, wo die Menschheit von schrecklichen Katastrophen bedroht ist, nicht zum Erfolg gebracht werden kann ohne sozialen Fortschritt und ohne unsere Wirtschaftsmodell zu verändern. Mit den Frauen und Männern, die auf den Straßen, in den Betrieben, in den Wohnvierteln mobilisiert sind, wollen wir eine Wirtschaft im Dienst des Menschen. Notwendig ist eine andere Verwendung des Geldes, um auf andere Weise zu produzieren und die durch die Arbeit geschaffenen Reichtümer anders zu verteilen“.

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