Bis heute gibt es keine Aufarbeitung der NS-Geschichte von Strom- und Hafenbau, obwohl es neben der HHLA und dem GHB eine zentrale Rolle in der staatlichen Hafenpolitik spielte. Im Vorfeld der Erinnerung an die italienischen Militärinternierten anlässlich des 80. Jahrestag des 8. September 1943 (Kapitulation Italiens) habe ich mich in einigen Texten mit der NS-Geschichte von Strom- und Hafenbau auseinandergesetzt. Es waren aber nur einzelnen Themen wie der Rausschmiss jüdischer Arbeiter, von Kommunisten und Sozialdemokraten im April 1933.
Am 16. September 1933 lud der Hamburger Senatsrat, Dr. Kaven, zu einer Besprechung ein. Gegenstand war der Stand der Umsetzung des Gesetzes zur “Wiederherstellung” des Berufsbeamten und die dazu erlassenen Verordnungen. Für Strom- und Hafenbau nahmen der Oberbaurat Retzell und Klasing teil: ”Strom- und Hafenbau hat 159 Arbeiter entlassen.” Die Baubehörde informierte darüber, dass “etwa 25 Prozent ihres Arbeiterbestandes gekündigt” wurde. Die Gesundheitsbehörde erklärt, dass 235 Arbeiter entlassen wurden. “Die Zahl der entlassenen Angestellten (Pflegepersonal, Ärzte, Schwestern) beträgt 150.“
Im Ergebnis der Wahlen am 5. März 1933 begann auch in Hamburg die politische Übergabe der Stadt an die Nazis und ihre Verbündeten. Die NSDAP erreiche sowohl im Reich als auch in Hamburg aber nicht die absolute Mehrheit. In Hamburg wählten 26,9 % SPD, 17,6% KPD; auf die NSDAP entfielen 38,8 % der Stimmen.
Am 8. März 1933 wurde die Machtübernahme offiziell durch die Wahl eines neuen Hamburger Koalitionssenats vollzogen. Ihm gehörten Politiker der NSDAP, der Deutschen Staatspartei, der Deutschnationalen Volkspartei, der Deutschen Volkspartei und des Stahlhelms – Bund der Frontsoldaten, an. Sechs der zwölf Senatoren wurden von den Nationalsozialisten gestellt. Bei der Wahl blieben viele Plätze in der Bürgerschaft leer: Die Abgeordneten der KPD waren bereits verhaftet oder mussten beim Betreten des Rathauses eine Verhaftung befürchten. Die Abgeordneten der SPD blieben der Abstimmung aus Protest fern.
Mit der Machtübernahme im Januar 1933 in Deutschland begann die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens auf allen Ebenen durch die NSDAP. Zur ideologischen Säuberungen des öffentlichen Dienstes, der für die Machtkonsolidierung der Partei eine zentrale Rolle einnahm, wurde das “Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” am 7. April 1933 erlassen. Nach Paragraph 4 des Gesetzes konnten “nicht-arische” Beamtinnen, also alle, die keinen bis zur Großelterngeneration “reinen” Stammbaum vorweisen konnten, und nach Paragraph 3 alle politischen Gegner, also “Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten”, entlassen oder frühzeitig in den Ruhestand versetzt werden.
Strom- und Hafenbau war neben dem GHB und der HHLA die zentralen Einrichtungen der Nazis für den Hamburger Hafen. Einmal natürlich zum nationalistischen Ideologietransport, aber vor allem, um die wirtschaftliche Potential für die Unternehmen zu erschließen und zur Unterdrückung der Arbeiterbewegung. Schnell begann die Militarisierung des Hafens wie z.B. des Flughafen-Bau Finkenwerder für Hitlers Kriegsvorbereitung, die Beteiligung an der “Arisierung” jüdischen Eigentums im Hafen, die Planung und Gewährleistung der Logistik der Zwangsarbeitslager sowie der Einsatz von Zwangsarbeiter. Die Hafenbahn unter Verantwortung von Strom- und Hafenbau nahm für die Logistik der Kriegsunterstützung einen besonderen Platz ein. Die Nazi schufen einen sogenannten Hafenkommissar (aus dem dann später der „Arisierungsbeauftrage“ wurde). Als 1940 ein Plan zur Zukunft des Hafen nach dem gewonnen Weltkrieg vorgelegt wurde, gab es auch eine Stellungnahme von Strom- und Hafenbau. Das ganze Nazi-Geschwurbel über den Hafen kam dabei zum Ausdruck: “Der Hafen ist das Herz Hamburgs; er ist der bedeutendste Hafen des Kontinents. ..Der Strom- und Hafenbau hat die gewiß große und verantwortungsvolle Aufgabe, diesen Hafen leistungsfähig zu erhalten, wichtige Verkehrsanlagen in ihm zu betreiben und den Hafen den Erfordernissen des Handels und der Schiffahrt entsprechend auszubauen. Der Herr Reichsstatthalter hat diese Aufgaben immer wieder besonders betont und dem Strom- und Hafenbau, auch besonders im Kriege, die nicht leichte Verpflichtung auferlegt, im Rahmen des Möglichen alles zur Instandhaltung des Hafens zu tun.” (1940 Nahverkehrsplan 621-2/11_B 2/6)
Der Rausschmiss der jüdischen und politischen andersdenkenden Menschen erfolgte organisiert und war ein Zusammenspiel der staatlichen Einrichtungen mit der NSDAP, plus das Denunziantentum. Das Unternehmen stellte Listen von zu befragenden Personen zusammen, die dann Auskunft geben mussten. Die NSDAP-Gliederung schlug vor, die Stadt übernahm und der Betriebsrat stimmte zu. Alle Behörden der Stad Hamburg legten ihre Pläne zum Rausschmiss jüdischer Menschen, der Kommunisten und Sozialdemokraten vor. Ob in der Schulbehörde, der Baubehörde, der Justiz- oder Gesundheitsbehörde, der Innenbehörde u.a. Am Beispiel der Hamburger Friedhöfe kann man belegen, dass Beschäftigte eine Erklärung unterschreiben mussten, dass sie alle Beziehungen zur SPD beenden und sich bewusst sein, wenn sie falsche Angaben machen würden, aus dem Staatsdienst entlassen würden.
Im gleichen Atemzug wurden hunderte Sozialdemokraten auf den Friedhöfen rausgeschmissen, da ihnen die NSDAP nicht glaubte.
Doch zurück zu Strom- und Hafenbau, die für alle bauliche und verwaltungstechnischen Arbeiten in Hamburger Hafen verantwortlich war. Auf der September-Sitzung 1933 wurde darüber informiert, dass Strom- und Hafenbau 159 Arbeiter und Angestellte wegen Mitgliedschaft in der KPD bzw. RGO oder ihrer Meinung entlassen wurden. Damals waren ca. 2.000 Beschäfigten bei Strom- und Hafenbau. Auch leitende Beamten von Strom- und Hafenbau wurden nach dem Gesetz entlassen (§ 6). Dazu zählten der Baudirektor Hermann Lamprecht, die Oberbauräte Carl Baritsch und Rudolf Schacht sowie der Baurat Dr. Herbert Schröder.
Zu den entlassenen Arbeitern gehörte auch auch SPD-Mitglieder wie Arnoldus van Riesen. Die Gaufachschaft der NSDAP für Strom- und Hafenbau schreibt über ihn am 30. Januar 1934 an die zuständige Behörde (Technik und Arbeit), dass die Verordnung des Senats zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums auf Arnoldus van Riesen anzuwenden sei. Er war für die SPD Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und im Aufsichtsrats der Hamburger Wasserwerke. In der Personalakte von van Riesen wird ein Aktenvermerk hinzugefügt. „Die Nachprüfung hat im Einvernehmen mit Fachschaft (NSDAP) und Betriebsrat … ergeben, dass die Senatsverfügung 27.September 1933 auf dem seit dem 1. Juli 1933 in den Ruhestand versetzten Polier des Staatszimmerplatz, Arnold van Riesen,“ anzuwenden sei.
Bereits zum 31. Juli 1933 gab es einen Überblick über die rausgeschmissenen Arbeiter bei Strom- und Hafenbau. „Auf Grund des … Senatsbeschlusses ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat einer Reihe von Arbeitern … der vorgeschriebene Fragebogen zugestellt worden.“ Im Ergebnis wurden 33 Mitgliedern der KPD und 17 Mitgliedern der RGO gekündigt. Es folgte eine Liste mit weiteren 108 Namen. Ihnen wurde gekündigt, da sie „in Worten oder durch ihr sonstiges Verhalten gehässig gegen die nationale Bewegung aufgetreten ihre dienstliche Stellung dazu missbraucht haben. Da sie auch in Zukunft nicht die Gewähr dafür bieten dürften, jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat einzutreten, fordert der Betriebsrat ihre fristlose Entlassung.“
Rauswurf jüdischer Beschäftigter bei Strom- und Hafenbau
Mit der Machtübernahme der Nazi wurden auch in Hamburg ab 1933 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus dem Staatsdienst entfernt. Herbert Dierks schreibt dazu in seiner Broschüre „Der Hamburger Hafen im Nationalsozialismus“, dass es in allen Bereichen der Hamburger Hafenwirtschaft jüdische Beschäftigte gab. Ab April 1933 „begann mit Entlassungen, Einschränkungen der Berufsfreiheit … ein Prozess der wirtschaftlichen Verdrängung und Existenzvernichtung.“ Auch bei Strom- und Hafenbau wurden jüdische Beschäftigten entlassen. Über den Umfang kann man heute wenig sagen.
Der jüngste Fund in dem Vorgang über die entlassenen Arbeitern (Staatsarchiv Hamburg 326-2 II A 228) belegt einen jüdischen Arbeiter: “Der Arbeiter Hamlet hat erklärt, dass sein Vater nicht arischer Abstammung sei. „muss seine fristlose Entlassung … ausgesprochen.“ Vermutlich handelt es sich um Ernst Hamlet aus der Pestalozzistraße 4a. Den Rest muss ich noch recherchieren.
Und nach 1945?
Wie schwer sich Strom- und Hafenbau nach der Befreiung Deutschlands von dem Terrorregime tat, kann man am Beispiel von John Behrens erzählen, der auf der Unternehmensliste in der Kategorie “RGO” aufgeführt worden war, also den Kommunisten:innen nahe stand. Er war seit dem 22. Mai 1923 bei der Strom- und Hafenbau als Schiffstakler beschäftigt und wurde nach dem so genannten Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 5. August 1933 entlassen. Als er 1951 darüber informiert wurde, dass er als Schiffstakler „bevorzugt wiedereinzustellen“ und die Zeit seiner Entlassung seit 1933 als Dienstzeit anzusehen sei, hatte er schon einen langen Weg nach 1945 zurückgelegt, um bei Strom- und Hafenbau wieder beschäftigt zu werden. „Seit 1946 habe ich es öfteren persönlich durch Vorsprache bei der Personalstelle Hbg. 11, Dalmannstraße 13 sowie schriftlich um Einstellung nachgesucht, jedoch mit ablehnenden Bescheid.“ Weiter schreibt Behrens, dass „ein Einschreiben vom 3. Juni 1951 … unbeantwortet blieb.