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Holger Artus

Von Strom- und Hafenbau wegen ihrer politischen Haltung rausgeschmissenen Arbeiter 1933

Das Thema der NS-Geschichte von Strom- und Hafenbau begleitet mich schon seit längerem, habe viel über die Jahre gesammelt. Es ist sehr komplex, da sich alles behördliche zum Hafen auch in der NS-Zeit über dieses Amt vollzog.

Manchmal Treiber, mal Beteiligte, mal profitierende, manchmal nur ein vorgeschrieben Verwaltungsvorgang, aber immer für die rassistische und völkische Ideologie zentral, da sie sich natürlich mächtig aufgeblasen haben, wenn es um Hamburg und den Hafen ging. Das Unternehmen war aber an allem beteiligt, setze Zwangsarbeiter direkt oder im Auftrag ein, beteiligte sich am Bau von Zwangsarbeitslagern, setze „Arieriserungen“ im Hafen in größerem Masse um als bisher bekannt, plante sogar den Bau von Bordellen mit u.v.m. Hier geht es um den April 1933, als Strom- und Hafenbau die jüdischen Beschäftigten, die kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiter, Angestellte und Beamten nach dem so genannten Gesetz zur Wiederherstellung des Beamtentums rausschmiss. Es waren 163.

Am 16. September 1933 lud der Hamburger Senatsrat, Dr. Kaven , zu einer Besprechung ein. Gegenstand war das Gesetz zur “Wiederherstellung” des Berufsbeamten und die verschiedenen dazu erlassenen Verordnungen. Für Strom- und Hafenbau nahmen der Oberbaurat Retzell und Klasing teil: ”Strom- und Hafenbau hat 159 Arbeiter entlassen.” Die Baubehörde informierte darüber, dass “etwa 25 Prozent ihres Arbeiterbestandes gekündigt” wurden. Die Gesundheitsbehörde erklärte, dass 235 Arbeiter entlassen wurden. “Die Zahl der entlassenen Angestellten (Pflegepersonal, Ärzte, Schwestern beträgt 150.“

Staatsarchiv Hamburg 241-1 I_1110

Nach der Bildung des neuen Senats im März 1933 unter Führung der NSDAP ging die staatliche Macht an die Nazis und ihre Verbündeten über. Damit wurde umgesetzt, was sie bis dahin nicht konnten.

Am 5. März 1933 fand die Bürgerschaftswahl in Hamburg statt – unter massivem Druck sowohl auf die KPD als auch auf die SPD. Dennoch erreichte die NSDAP sowohl im Reich als auch in Hamburg nicht die absolute Mehrheit. In Hamburg wählten 26,9 % SPD, 17,6% KPD; auf die NSDAP entfielen 38,8 % der Stimmen. Am 8. März 1933 wurde die Machtübernahme auch offiziell durch die Wahl eines neuen Hamburger Koalitionssenats vollzogen. Dem Senat gehörten Politiker der NSDAP, der Deutschen Staatspartei, der Deutschnationalen Volkspartei, der Deutschen Volkspartei und des Stahlhelms – Bund der Frontsoldaten an. Sechs der zwölf Senatoren wurden von den Nationalsozialisten gestellt. Bei der Wahl blieben viele Plätze in der Bürgerschaft leer: Die Abgeordneten der KPD waren bereits verhaftet oder mussten beim Betreten des Rathauses eine Verhaftung befürchten. Die Abgeordneten der SPD blieben der Abstimmung aus Protest fern. Der Senat wurde nicht mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten gewählt.

Nach der Machtübernahme im Januar 1933 trieb die NSDAP die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens auf allen Ebenen voran. Zur ideologischen Säuberungen des öffentlichen Dienstes, der für die Machtkonsolidierung der Partei eine zentrale Rolle einnahm, wurde das “Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” am 7. April 1933 erlassen. Nach Paragraph 4 des Gesetzes konnten “nicht-arische” Beamtinnen, also alle, die keinen bis zur Großelterngeneration “reinen” Stammbaum vorweisen konnten, und nach Paragraph 3 alle politischen Gegner, also “Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten”, entlassen oder frühzeitig in den Ruhestand versetzt werden.

Strom- und Hafenbau war neben dem GHB die zentrale Einrichtung der Nazis für den Hamburger Hafen. Einmal natürlich zum nationalistischen Ideologietransport, aber vor allem die wirtschaftliche Potential für die Unternehmen zu erschließen. Schnell begann die Militarisierung des Hafens wie z. B. der Bau des Flughafens Finkenwerder für Hitlers Kriegsvorbereitung, die Beteiligung an der “Arisierung” jüdischen Eigentums im Hafen, die Planung und Gewährleistung der Logistik der Zwangsarbeitslager sowie der Einsatz von Zwangsarbeiter. Die Hafenbahn nahm für die Logistik der Kriegsunterstützung einen besonderen. Die Nazi schufen einen sogenannten Hafenkommissar (aus dem dann später der „Arisierungsbeauftrage“ wurde).  Als 1940 ein Plan zur Zukunft des Hafen nach dem gewonnen Weltkrieg vorgelegt wurde, gab es auch eine Stellungnahme von Strom- und Hafenbau. Das ganze Nazi-Geschwurbel über den Hafen in der Zeit kam darin zum Ausdruck: “Der Hafen ist das Herz Hamburgs; er ist der bedeutendste Hafen des Kontinents. … Der Strom- und Hafenbau hat die gewiß große und verantwortungsvolle Aufgabe, diesen Hafen leistungsfähig zu erhalten, wichtige Verkehrsanlagen in ihm zu betreiben und den Hafen den Erfordernissen des Handels und der Schifffahrt entsprechend auszubauen. Der Herr Reichsstatthalter hat diese Aufgaben immer wieder besonders betont und dem Strom- und Hafenbau, auch besonders im Kriege, die nicht leichte Verpflichtung auferlegt, im Rahmen des Möglichen alles zur Instandhaltung des Hafens zu tun.” (1940  Nahverkehrsplan 621-2/11_B 2/6)

Der Rausschmiss der jüdischen und politisch andersdenkenden Menschen erfolgte organisiert und war ein Zusammenspiel der staatlichen Einrichtungen mit der NSDAP, plus das Denunziantentum. Sie stellten Listen von zu befragenden Personen zusammen, die dann Auskunft geben mussten. Die NSDAP-Gliederung schlug vor, die Stadt übernahm und der Betriebsrat stimmte zu. Alle Behörden legten ihre Pläne zum Rausschmiss jüdischer Menschen, der Kommunisten und Sozialdemokraten vor. Ob in der Schulbehörde, der Baubehörde, der Justiz- oder Gesundheitsbehörde, der Innenbehörde u.a.m. Am Beispiel der Hamburger Friedhöfe kann man belegen, dass Beschäftigte eine Erklärung unterschreiben mussten, dass sie ihre Beziehungen zur SPD „gelöst“ hätten.

Staatsarchiv Hamburg 422-11 C II a 4 Band III

Im gleichen Atemzug wurden hunderte Sozialdemokraten auf den Friedhöfen rausgeschmissen, da ihnen die NSDAP nicht glaubte.

Staatsarchiv Hamburg 422-11 C II a 4 Band III

Doch zurück zu Strom- und Hafenbau, die für alle bauliche und verwaltungstechnischen Arbeiten in Hamburger Hafen verantwortlich war. Auf der September-Sitzung 1934 wurde darüber informiert, dass Strom- und Hafenbau 159 Arbeiter und Angestellte wegen Mitgliedschaft in der KPD bzw. RGO und ihrer politischen Haltung entlassen worden. In der Zeit waren ca. 2.000 Beschäfigten bei Strom- und Hafenbau. Auch leitende Beamten von Strom- und Hafenbau wurden nach dem Gesetz entlassen (§ 6). Dazu zählte der Baudirektor Hermann Lamprecht, die Oberbauräte Carl Baritsch und Rudolf Schacht sowie der Baurat Dr. Herbert Schröder.

Staatsarchiv Hamburg 135-1 I – IV 7655

Zu den entlassenen Arbeitern gehörten auch Sozialdemokrat wie Arnoldus van Riesen. Die Gaufachschaft der NSDAP für Strom- und Hafenbau schreibt über ihn am 30. Januar 1934 an die zuständige Behörde für das Unternehmen (Technik und Arbeit), dass die Verordnung des Senats zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums auf Arnoldus van Riesen anzuwenden ist. Er war Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und des Aufsichtsrats der Hamburger Wasserwerke. In der Personalakte von van Riesen wird ein Aktenvermerk hinzugefügt. „Die Nachprüfung hat im Einvernehmen mit Fachschaft (NSDAP) und Betriebsrat … ergeben, dass die Senatsverfügung 27.September 1933 auf dem seit dem 1. Juli 1933 in den Ruhestand versetzten Polier des Staatszimmerplatz, Arnold van Riesen, anzuwenden sei.

Staatsarchiv Hamburg 326-2 II A 228

Bereits zum 31. Juli 1933 gab es einen Überblick über die rausgeschmissenen Arbeitern. „Auf Grund des … Senatsbeschlusses ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat einer Reihe von Arbeitern … der vorgeschriebene Fragebogen zugestellt worden.“ Im Ergebnis wurden 33 Mitgliedern der KPD und 17 Mitgliedern der RGO gekündigt. Es folgte eine Liste mit weiteren 108 Namen. Ihnen wurde gekündigt, da sie „in Worten oder durch ihr sonstiges Verhalten gehässig gegen die nationale Bewegung aufgetreten ihre dienstliche Stellung dazu missbraucht haben. Da sie auch in Zukunft nicht die Gewähr dafür bieten dürften, jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat einzutreten, fordert der Betriebsrat ihre fristlose Entlassung.“

Auch jüdische Beschäfigte von Strom- und Hafenbau wurden entlassen. „Der Arbeiter Hamlet hat erklärt, dass sein Vater nicht arischer Abstammung sei. „muss seine fristlose Entlassung … ausgesprochen.“

Rauswurf jüdischer Beschäftigter bei Strom- und Hafenbau

Mit der Machtübernahme der Nazi wurden auch in Hamburg ab 1933 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus dem Staatsdienst entfernt. Herbert Dierks schreibt dazu in seiner Broschüre „Der Hamburger Hafen im Nationalsozialismus“, dass es in allen Bereichen der Hamburger Hafenwirtschaft jüdische Beschäftigte gab. Ab April 1933 „begann mit Entlassungen, Einschränkungen der Berufsfreiheit … ein Prozess der wirtschaftlichen Verdrängung und Existenzvernichtung.“ Auch bei Strom- und Hafenbau wurden jüdische Beschäftigten entlassen. Über den Umfang kann man heute wenig sagen.

Der jüngste Fund in dem Vorgang über die entlassenen Arbeitern (Staatsarchiv Hamburg 326-2 II A 228) belegt einen jüdischen Arbeiter: “Der Arbeiter Hamlet hat erklärt, dass sein Vater nicht arischer Abstammung sei. „muss seine fristlose Entlassung … ausgesprochen.“ Vermutlich handelt es sich um Ernst Hamlet aus der Pestalozzistraße 4a. Den Rest muss ich noch recherchieren.

Und nach 1945?

Wie schwer sich Strom- und Hafenbau nach der Befreiung Deutschlands von dem Terrorregime tat, kann man am Beispiel von John Behrens erzählen, der auf der Unternehmensliste in der Kategorie “RGO” aufgeführt worden war, also den Kommunisten:innen nahe stand. Er war seit dem 22. Mai 1923 bei der Strom- und Hafenbau als Schiffstakler beschäftigt und wurde nach dem so genannten Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 5. August 1933 entlassen. Als er 1951 darüber informiert wurde, dass er als Schiffstakler „bevorzugt wiedereinzustellen“ und die Zeit seiner Entlassung seit 1933 als Dienstzeit anzusehen sei, hatte er schon einen langen Weg nach 1945 zurückgelegt, um bei Strom- und Hafenbau wieder beschäftigt zu werden. „Seit 1946 habe ich es öfteren persönlich durch Vorsprache bei der Personalstelle Hbg. 11, Dalmannstraße 13 sowie schriftlich um Einstellung nachgesucht, jedoch mit ablehnenden Bescheid.“ Weiter schreibt Behrens, dass „ein Einschreiben vom 3. Juni 1951 … unbeantwortet blieb.

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