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Holger Artus

Betr.: Paul Kroll, Rosenallee 5

2022 schrieb ich einen Text zur Nähstube in der Rosenallee 11, in dem jüdische Frauen zur Zwangsarbeit in der NS-Zeit eingesetzt wurden. Im Gespräch vor Ort gab es damals einen Austausch zum Stolperstein von Paul Kroll, über den es keine weitere Informationen gab. Also habe ich mich auf die Recherche gemacht und einiges gefunden. Das habe ich jetzt auf Papier gebracht und heute in den Briefkästen der Nachbarschaft um die Rosenallee im Hamburger Münzviertel verteilt.

Bei der Recherche habe ich auch die gefragt, die für ich sich an Anspruch nehmen, dass es sich angeblich um „ihre“ Leute handelt, da er in der KPD war. Das ist natürlich ein Trugschluss und Dummheit von denen. Es geht um unser Erbe. Ich greife es gerne auf. Diese Menschen haben im Übrigen auf meine Anfrage auch gar nicht reagiert. Passt alles zusammen.

In der Rosenallee erinnern drei Stolpersteine an NS-Opfer. Zwei liegen vor der ehemalige Mädchenschule Rosenallee 11 und erinnern an Recha Lübke und Bella Spanier, die 1941 und. 1942 deportiert wurde. Ich wohne in der Nähe der damaligen Schule Schanzenstraße, beim Bahnhof Sternschanze, über die Recha Lübke nach Theresienstadt/Terezin in der CSR deportiert und wo sie später ermordet wurde. Im Stadtteil erinnern wir jedes Jahr, am 15. oder 19. Juli, an diesem Tag. Ihr Namen steht auf der Namenstafel der 1.700 Deportierten am Haupteingang der Ganztagsgrundschule Sternschanze.

Was will ich von Ihnen?

Vor der Rosenallee 5 liegt ein Stolperstein für Paul Kroll. Über ihn möchte ich Ihnen etwas erzählen. Er wurde am 29. August 1944 im Strafgefängnis Frankfurt/M-Preungesgeim, so steht es im damaligen Urteil, enthauptet. Welch furchtbarer Gedanke! Das Todesurteil wurde mit Wehrkraftzersetzung und Planung des Hochverrats begründet. Was war sein “Verbrechen”? Er hatte in einem Pflegeheim zwei Karikaturen aus Hamburg mitgebracht, die sich über die NS-Größen lustig machten. Dafür wurde er denunziert.

Einiges zu Paul Kroll und seine Familie

Paul Kroll wurde am  26. März 1884 im damals deutschen Elbing geboren. Heute hat die Stadt nahe an der polnischen Ostseeküste 120.000 Einwohner:innen und heißt Elbdag. Als er 15 Jahre war, zogen seine Eltern nach Hamburg und Paul arbeitete im Hamburger Hafen in Steinwerder (heute Cruise Center) für ein Holzhandelunternehmen. Seine elterliche Familie lebte seit 1904 in der Horner Landstraße.

Paul Kroll war mit Anna Segeler (geboren am 4. Januar 1886 in Brandenburg an der Havel) verheiratet. Das Paar hatte sechs Kinder, von denen eines als Soldat im 2. Weltkrieg 1943 starb. Gertrud (1903), Grete (1908), Ewald (1914), Käthe (1917), Gerda (1924), Alfred (1924). Mit dem Beginn des 1. Weltkrieges wurde er zur Wehrmacht eingezogen und 1916 schwer verletzt, was sein damaliges Leben und das der Familie auf den Kopf stellte: sein linkes Bein wurde bis zum Oberschenkel amputiert. Granatsplitter verletzten ihn schwer am Arm, Schulter und Kopf. Er war arbeitsunfähig und bezog zu 100 Prozent eine Invalidenrente. 1921 trat er in die KPD in Billstedt-Horn ein. Bei Durchsicht der Unterlagen fand ich ein Schreiben von Rudi Giffey, der sich an die gemeinsame Zusammenarbeit mit Paul Kroll ab Anfang 1930 im Stadtteil Billstedt-Horn erinnerte.

Staatsarchiv Hamburg 351-11_8600

Ich lernte später Rudi Giffey, ein kleiner und bescheidener Mann, der auch nach 1933 Widerstand gegen Hitler geleistet hatte. Sein Schwiegervater, Fiete Schulze, war bereits 1934 in Hamburg enthauptet worden. Mit der Machtergreifung der Nazis 1933 wurden die KPD, die SPD und die Gewerkschaften 1933 verboten. Gegen die beiden Arbeiterparteien (KPD und SPD) richtete sich die Verfolgung und der staatliche Terror. Paul Kroll wurde im November 1933 mit anderen KPDler im Gefängnis für drei Monate festgehalten. Sie konnten ihm nichts nachweisen, so dass er wieder freigelassen wurde. Seine Ehefrau, Anna Kroll, erinnerte sich daran, wie Paul den Widerstand gegen Hitler versuchte zu organisieren: „Mein Mann ging nachts kleben, verteilte Flugblätter und ging auf verbotene Versammlungen. 1936 hat Gestapo mehrmals die Wohnung durchsucht, aber nichts gefunden.“ Im August 1936 war erneut wegen Vorbereitung zum Hochverrat festgenommen, aber es konnte ihm nichts nachgewiesen werden und er kam frei.“

1943 Einzug in die Rosenallee 5

Nach den Alliierten- Bombardement im Juli 1943 wurden die Häuser in der Horner Landstraße zerstört und Paul, Anna und deren Kinder zogen in die Rosenallee 5. Sie fanden Unterkunft bei Frau Meininger, die im 3. Stock wohnte. Auf Grund seiner schweren Weltkriegsverletzung war er im April 1944 nach Göttingen in ein so genanntes NS-Pflegeheim geschickt worden, heute würde man von einer Reha-Maßnahme sprechen. Hier wird er denunziert. An seine Tochter schreibt er nach der Festnahme in einem Brief: „Man hat bei mir etwas gefunden, die Bilder, die ich dir in Hamburg gezeigt hatte und ein Flugblatt.“ Die Bilder waren zwei Karikaturen der Nazi-Größen. Die Unterlagen sind leider nicht erhalten geblieben.  Mit der Verhaftung wird seine Rente eingestellt und Anna Kroll steht vor dem finanziellen Ruin. Die Kinder schlagen sich alleine durch, Anna lebt noch bis 1945 in der Rosenallee 5, dann findet sie eine neue Unterkunft.

Staatsarchiv Hamburg 351-11_8600

Paul Kroll am 30. Mai 1944 von Göttingen ins Landgerichtsgefängnis in Marburg verlegt. Dort wurde er am 7. Juli 1944 vom Strafsenat des OLG Kassel zum Tode durch Enthaupten verurteilt. Am Folgetag kommt er ins Strafgefängnis Frankfurt/M-Preungesheim. Das Urteil wurde am 29. August 1944 vollzogen. Im Laufe des Krieges diente das dortige Gefängnis als eine der zentralen Hinrichtungsstätten in Hessen. Es wurden bis zu 500 Hinrichtungen vollstreckt, mit Blick auf politische Straftaten waren es von 1941 bis 1944 262 Hinrichtungen.

Der damalige Richter, der das Todesurteil gegen Peter Kroll entschied, ein gewisser Werner Massengeil, wirkte 1944 an 119 Verfahren in Marburg mit. Dazu gehörten Todesurteile auch gegen Heinrich Dolde, Jakob Nester, Heinrich Wilhelm Schäfer und Paul Kroll. Massengeil, seit 1924 in der NSDAP, wurde nach der Befreiung Deutschland am 8. Mai 1945 bereits wieder 1947 Richter am Amtsgericht Biedenkopf und war vonV 1951 bis zu seiner Pensionierung 1961 Direktor des Amtsgerichts Marburg. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Rechtsbeugung im Fall Paul Kroll wurde 1960 eingestellt.  Heute erinnert eine Mahntafel in Frankfurt-Preungesheim an die hier von der deutschen Justiz in der NS-Zeit ermordeten. Hier finden Sie auch den Namen von Peter Kroll.

Quelle: Wikipedia

Gedenkstätte an die hier im Preungesheimer Gefängnis ermordeten Opfer des Nationalsozialismus aus vielen Ländern. Im Hintergrund eine Gedenkwand mit einem Spruch von Ricarda Huch. Vorne links die Tafeln mit den Namen.

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