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Holger Artus

Ein volles Programm zum Besuch der ANEI in Hamburg 2023

Es waren fünf vollgepackte Tage, die wir mit der italienischen ANEI in Norddeutschland verbrachten. Anna Maria Sambucco, die neue Präsidentin der Nationalen Vereinigung der ehemaligen italienischen Militärinternierten, kurz ANEI, und Marzio Lauto, waren zum Jahrestag der Befreiung des Kriegsgefangenen Stammlager Sandbostel (XB) am 29. April 1945 dorthin eingeladen worden – und die ANEI-Präsidentin als Rednerin auf der Kundgebung in der Gedenkstätte Sandbostel am 29. April 2023. Um diesen Anlass herum hatten wir die Besuchsplanung gelegt.

Drei Tage Hamburg, ein Tag im Gedenkort Bunker Valentin und der Besuch in Sandbostel waren die regionalen Stationen.

Es war ein sehr herzlicher und offener Austausch, was atmosphärisch natürlich immer gut ist. Es lassen sich Fragen einfacher stellen, man kann über zu klärende Punkte leichter ins Gespräch kommen, ohne dass es belastend, sondern eben klärend ist. Für uns gibt es z.B. sprachlich die Unterscheidung, ob es sich um ein Konzentrationslager handelt oder um ein Zwangsarbeitslager, in dem die italienischen Militärinternierten leben mussten. In den Kontakten mit Angehörigen und in Foren zu IMI kommt es hier immer wieder zu Nachfragen, weil in der Tendenz die Zwangsarbeitslager als KZ bezeichnet werden. Mit Blick auf die der KZ, die Bewachung durch die SS, den Terror und die Ermordung der Häftlinge aus deutscher Perspektive nur schwer mitzugehen. KZ werden in der Italien eher als Vernichtungslager bezeichnet. Die Zwangsarbeitslager für die IMI wurden zu erst von der deutschen Wehrmacht kontrolliert und die IMI zu ihren Arbeitseinsätzen begleitet, später waren sie unter der Kontrolle der Gestapo. Darüber zu sprechen hatte für uns einen Wert, so dass man künftig erklärender argumentieren kann, wenn es anderswo Thema werden würde. Das Beispiel ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, soll aber etwas die geschaffene Atmosphäre umschreiben.

Es war ein informative Austausch, da er dem gegenseitigen kennenlernen diente, die Erwartungen waren darauf ausgerichtet. Wir konnten ruhig Projekte zur Erinnerung an die IMI in Hamburg vorstellen und auch einen offenen Blick auf die Lage um das Grundthema der italienischen Militärinternierten werfen, ohne Herausforderungen zu umgehen. Das ist normal, aber bei angespannter Atmosphäre wie in der Vergangenheit, würde man immer vorsichtiger aufgetreten und hätte darauf geachtet, dass es wenig Spannungen gibt, die die künftigen Beziehungen belastet bzw. bereits den Besuch.

Der Besuch der Erinnerungsorte zu den IMI bei den damaligen Hamburger Wasserwerken an der Süderstraße 112/114, der Elbinsel Kaltehofe und eines künftigen am Billhorner Deich, vor Hamburg Wasser, haben uns gezeigt, welchen besonderen Stellenwert das Unternehmen bzw. die Stiftung dem Thema der IMI widmet. Das ist sehr angenehm und auch beispielhaft für ein öffentliches Unternehmen. Leider ist es das einzige, aber aus dem Gespräch mit Manfred Hessel-Stahl, der das Mahnmal für die IMI auf der Elbinsel Kaltehofe angeschoben hatte, erfuhren die italienische Gäste, dass der Anfang auch hier schwer war.

Mit dem Blick muss man mit die eher doch anlehnendem Haltungen der anderen öffentlichen Unternehmen sehen. Aus meiner Berufssicht weiß ich natürlich, dass das immer etwas mit der Kommunikationsstrategie der Unternehmensleitung zu tun hat, die ja auf einer Geschäftsstrategie fußt. Wird die neu bestimmt, ändert sich vieles. Bezogen auf Hamburg Wasser und der Stiftung Elbinsel dürfte der letzte Besuch von Gianna Ruga hier aber auch eine positive Rolle gespielt haben. Ich freue mich auf die Fortsetzung.

Der Besuch auf Kampnagel, das Gespräch mit dem Projektteam zur NS-Geschichte der damaligen Maschinenfabrik, dass erleben deren schrittweisen und des offenen Vorgehens war beeindruckend. Hier stimmt gefühlt die Anlage des Projekts, dass mit aus Mitteln der EVZ gefördert wird. Es gibt z.B. zweimonatliche Jour Fix für die Öffentlichkeit, dass Vorgehen ist transparent und beteiligungsorientiert.

Die Zielsetzung eines AR-Projekt wie die Suche nach Formen der Darstellung im digitalen Theater lassen das Herzen höher schlagen. Der Besuch der alten Fabrikhallen, die heute auf die Bedürfnisses des Kulturbetriebs Kampnagel zugeschnitten sind, ließen aber auch Anna Mario Sambucco und Marzio Lauto ein wenig die vergangene Zeit nachempfinden.

Die Gespräche im Lagerhaus G am Dessauer Ufer mit der Stiftung Lagerhaus G, haben unseren Gästen vor Augen geführt, dass die Erinnerungsarbeit mit Problemen belastet ist, wie es Güven Polat dargelegt hatte. Das es hier immer noch keinen würdigen Erinnerungsort gibt, hat in meinen Augen mit der Stadt zu tun.

Gefreut habe ich mich, dass es zu einem Gespräch im Rathaus mit Gabi Dobusch, der Vorsitzenden des Kulturausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft, kam. Dem Parlament ist die Erinnerungsarbeit der Stadt ein Anliegen. Der Senat war vom Ausschuss aufgefordert worden, seine Grundstrategie in diesem Themenfeld vorstellen. Als Abgeordnete werden sie sich mit dem Papier befassen.

Unsere italienischen Gäste haben wir fünf Tage lang zugetextet. Sie haben immer geduldig zu gehört. Wenn auch manchmal von uns zuviel, sollte es doch unser ernsthaftes Engagement betonen.

Wir wollten mit der neuen ANEI-Präsidentschaft einen Neustart unternehmen. Die gemeinsame Schnittmenge ist die Erinnerung an die IMI. Unsere Verantwortung liegt bei uns selber, für die aufgeklärte und ansprechbare Öffentlichkeit in Hamburg. In Italien stellt sich die ANEI ihre Aufgaben wie wir sie für uns in Hamburg formulieren. Ob aus einer positiven Grundbeziehung weitere Potentiale entstehen, hängt von unseren Aufgabenstellungen ab und wo ein Austausch diese stärkt. Das kann nur die Zukunft zeigen. Aus vergangenen Erfahrungen wissen wir, genau zu prüfen, was man sich vornimmt. Es muss einen Nutzen haben, für die Beteiligten. Wir wissen auch, dass man sehr konkret formulieren muss, was man will. Je abstrakter und unkonkreter, desto weniger ist es zu bewerkstelligen. Nicht zu realisierendes ist immer auch unbefriedigend und für die Zusammenarbeit nicht förderlich. Wir haben zwei Projekte mit Blick auf die IMI bei den Wasserwerken und der Kampnagel eingebracht.

Wir haben uns in der Zusammenarbeit in den letzten Jahren breiter aufgestellt und ein Beziehungsnetz zu anderen aufgebaut, so dass auch die Vielfalt dieser Beziehungen für alle von Nutzen sein kann.

Auf dem Besuchsprogramm standen noch weitere Punkte, so der Besuch bei der Stolperschwelle vor der Bauer Media Group, wo Anna Maria Sambucco und Marzio Lauto die dortige Schwelle gereinigt haben.

Wir haben den Ort genutzt, um auf unsere Entstehungsgeschichte als “Projektgruppe italienischen Militärinternierte Hamburg” hinzuweisen, die sich mit einer Kundgebung zum 8. September 2019 erst herausbildete.

Zusammen sind wir auch im “Rosengarten” von der Vereinigung der Kinder vom Bullenhuser Damm gewesen, in dem an die ermordeten Kinder, Ärzte und die sowjetischen KZ-Häftlinge erinnert wird. Wo sich bis 1944 ein IMI-Lager befand, entstand später das KZ-Außenlager Bullenhuser Damm.

Anna Maria Sambucco und Marzio Lauto gedachten still Sergio de Simone, der hier ermordet wurde.

Zum Abschluss haben wir noch die italienische Ehrenanlage auf dem Öjendorfer Friedhof besucht. Wie zu anderen Orten, war auch hier das italienische Kulturinstitut aus Hamburg mit dabei.

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