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Holger Artus

In der Schule Wendenstraße 268 war auch ein Zwangsarbeitslager für italienische Militärinternierte

Von Herbst 1943 bis Mai 1945 war in der Schule Wendenstraße 268 ein Zwangsarbeitslager für italienische Militärinternierten in den Schulräumen. Anfang 1945 sollte hier ein Lager für Juden zur Kasernierung gebaut werden.

Die Schule in der Wendenstraße 268 war 1913 für Jungen gegründet worden. Sie liegt/lag an der Kreuzung Wendenstraße/Ecke Grevenweg. Die ebenfalls 1913 gegründete Schule Sorbenstraße 13 war der südliche Schulflügel des Gebäudes und eine Mädchenschule, an der Ecke Grevenweg/Sorbenstraße gelegen. Heute gehen über 1.500 Schülerinnen und Schüler auf die BS 27, der Beruflichen Schule für gewerbliche Logistik und Sicherheit in der Wendenstraße 268. Insgesamt begleiten sie 92 Lehrkräfte.

Wie kam es zum Zwangsarbeitslager in der Wendenstraße 268? Seit September 1943 war die Baubehörde damit befasst, für 25.000 italienische Militärinternierte Massenunterkünfte un Hamburg zu beschaffen. Was waren italienische Militärinternierte (IMI)? Es handelte sich um kriegsgefangene italienische Soldaten, die die deutsche Wehrmacht ab dem 8. September 1943 gefangenen genommen hatte, da sie sich weigerten für die deutsche Wehrmacht weiter zu kämpfen. 600.000 vom 800.000 italienische Soldaten wurden vor allem nach Deutschland verschleppt und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Ihr Status als Kriegsgefangene wurde ihnen verwehrt, wie es internationale Abkommen vorsahen. Hitler machte sie zu „Militärinternierten“, um nicht an die Regeln gebunden gewesen zu sein, wie u.a. des Nichteinsatzes in der Rüstungsindustrie, aber auch der Unterkunft und Versorgung.

Aus den 25.000 IMI wurden später rund 17.000 in Hamburg. Mit den ersten drei großen Ankunftswellen wurden große Lager wie das am Dessauer Ufer oder in der Speicherstadt, im Alten Wandrahm, geschaffen. Hier konnten tausende IMI in Lagern kaserniert werden, die von der deutschen Wehrmacht bewacht. Eine große Gruppe wurde in dieser Zeit bereits auch in über zehn Hamburger Schulen untergebracht. Die Massenunterkünfte waren nur vorübergehend angedacht. Von hier  erfolgte die Verlegung auf dezentrale Zwangsarbeitslager. Dafür gab es standardisierte Holzbaracken und -ausrüstungen für diese Lager.

Die IMIs wurden in zuerst in der Hamburger Bauwirtschaft eingesetzt, da die Bombardements der Alliierten ab Juli 1943 die Infrastruktur der Stadt defacto komplett zerstört hatten. Sie wurden aber auch in Betrieben für die Wehrwirtschaft (Rüstungszulieferer) und die der Stadt eingesetzt. Das Aufräumungsamt (damals Baubehörde) gehörte mit zu den größten städtischen Einrichtungen, die Zwangsarbeiter aus verschiedenen Ländern angefordert und eingesetzt hatte, seien sie Kriegsgefangene, Verschleppte aus den besetzten Ländern, KZ-Häftlingen, deutsche Staatsbürger oder eben italienischen Militärinternierte. 

Im September 1944 mussten auch die verschiedenen Tiefbauämter in den damaligen Kreisen der Hamburger Gemeindeverwaltung die bei ihnen im Einsatz befindlichen italienischen Militärinternierten beim Hamburger Arbeitsamt melden. Es waren rund 500 IMI, die vermutlich alle für die Müllabfuhr arbeiten mussten. Da die Listen nicht vollständig sind, muss man noch von mehr ausgehen. Damals, im August/September 1944, ging die Zuständigkeit für die italienischen Zwangsarbeiter von der Wehrmacht auf die Stadt bzw. die Unternehmen über, sonst würde es heute diese Übersichten nicht geben.

Zwangsarbeitslager der Müllabfuhr in der Schule Wendenstraße 268

Im März 1943 waren im Rahmen des Projekts zur Freimachung von Schulen bereits zwei Klassenräume der damaligen Volksschulen Wendenstraße 268 von der Hamburger Polizei geräumt worden. Zwischen Juli und September 1943 muss die Schule Wendenstraße von dem Alliierten-Bombardements getroffen worden sein. In der Übersicht der zerstörten Schule im Juli und August 1943 war sie noch nicht aufgeführt. In einer Notiz der Baubehörde, Amt für kriegswichtige Einsätze (AkE) vom 29. September 1943 spricht sie später von der „ausgebrannten Schule Wendenstraße 268“ und weist dem Unternehmen C.H. Boehringen den “ehemaligen Luftschutzkeller (200 qm)” als Lager für ihre Chemikalien zu. In einer Ergänzung zum Schreiben wird vermerkt, dass man mit der Bau eines Zwangsarbeitslagern in der ausgebrannten Schule mit „400 Italienern“ beginnen sollte.

Staatsarchiv Hamburg 353-2 II_240

Die IMIs wurden nach der Ankunft in Hamburg von September bis Dezember 1943 von den große Massenunterkünften auf dezentrale Lager verteilt. Weiteren Schulen wurden Zwangsarbeitslager, eines war die Volksschule Wendenstraße 268. Sie wurden irgendwann im November 1943 in den Räumen das Aufräumungsamt in der Schule, das seinen Sitz im Erdgeschoss hatte, einquartiert. Aus einem Schreiben vom 27. September 1944 über einen Streit um die Belegung von freien Räumen in der Schule ergibt sich ein Hinweis, wo die IMI gelebt haben mussten. Der Rüstungszulieferer Market & Kunze bittet darum, dass ihnen der “große Flur 18 x 2 ½ mtr. mit dem Eingang zum Schulhof” als Firmenunterkunft zur Verfügung gestellt wird. Dann heißt es:. “Der andere Flügel der Schule ist mit italienische Arbeitern (früher Militärinternierten) belegt, welche die Aufräumungsarbeiten durchführen.” Weiter wurde noch angemerkt, dass im Keller keine Räume frei sein (durch C.H. Boehringer-Lager).

Staatsarchiv Hamburg 353-2 II_240
Staatsarchiv Hamburg 353-2 II_240

Die IMI dürften nicht die ganze Zeit bis 1945 in der Wendenstraße 268 untergebracht gewesen sein. Ab 1944 gab es eine Verlagerung der IMIs in Hamburg in die Rüstungsbetriebe oder städtische Infrastruktur (HEW, HWW, HGW). So wurden viele von ihnen in die gegenüber liegende Schule Sorbenstraße oder die Trabrennbahn Farmsen verlegt.  Zum 20. November 1944 wurden auch 18 IMI ins Zwangsarbeitslager im Moorkamp bei Stadtpark verlegt, um bei Menck & Hambrock zu arbeiten. 

Ein geplantes Gemeinschaftslager zur Kasernierung von Hamburger Juden

Im Januar 1945 plante die Gestapo, in der Schule Wendenstraße 268 ein Zwangsarbeitslager für die noch in Hamburg lebenden jüdischen Menschen, die noch nicht deportiert wurden, aufzubauen.” Dieser Einsatz muß nach Weisung des Herrn Reichsstatthalter schnellstens kaserniert werden.”  Am 17. Januar 1945 schreibt die Baubehörde: „Auf Antrag des Aufräumungsamtes soll die Schule Wendenstraße … zur Unterbringung jüdischer Mischlinge verwendet werden.“ Am 20. Januar werden „erhebliche Bedenken“ gegen dieses Lager aus der Baubehörde angemeldet. Einmal wird auf den Arbeitsaufwand hingewiesen, der hier zu erbringen ist. Zum anderen wird zu Bedenken gegeben, dass die Anwesenheit jüdischer Menschen in der Nachbarschaft befremden auslösen dürften, auch weil es so einen Aufwand für die „deutschen Volksgenossen“ nicht geben würde.

Staatsarchiv Hamburg 353-2 II_240

Dann wird Dr. Zipfel von der Baubehörde aber noch deutlicher und schreibt zynisch: “Es kommt hinzu, dass durch die Aktion nicht etwa anderweitig Wohnraum frei wird, denn die Kasernierung betrifft lediglich den berufstärtigen Teil der Halbjuden-Familie. …. Praktisch handelt ea sich also um eine Raumausweitung zugunsten der Juden.” Am Ende kommt es nicht zum Bau des Zwangsarbeiter in der Wendenstraße 268 für jüdische Menschen. Es wird zwar im März 1945 noch mit dem Bau des Lagers begonnen, aber es wird nicht fertig gestellt. Dafür  wird eines auf dem Ohlsdorfer Friedhof errichtet. Ein Teil der jüdischen Menschen wurde noch im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert.

Nach der Befreiung Hamburg am 3. Mai 1945 und den beginnenden Abtransporten der vielen zehntausenden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in ihre Heimat wird die Schule Wendenstraße 268 am 7. Juli 1945 wieder der Schulbehörde übergeben.

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