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Holger Artus

Stolperstein entfernen geht gar nicht

Kann man sich das vorstellen? Am 16. Oktober 2021 wird ein Stolperstein in Hamburg Nord an der Außenalster verlegt. Ein paar Tage später ist er entfernt worden. Professionell wurde eine neue Gehwegplatte verlegt. So als ob es den Stolperstein nie gegeben hat, um so Paul Jacobson erneut vergessen machen zu wollen. An sie erinnerte der klein Messingstein – und wird es wieder.

Heute habe ich meine bisher kleinste Auflage einer Info in die beiden Briefkästen gesteckt, um die dortigen Bewohner:innen in Szene zusetzen. Dabei soll es nicht bleiben, weiteres ist in Planung, aber erst einmal suche ich den Kontakt. Hier mein kurzes Anschreiben:

Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen: Der vor kurzem verlegte Stolperstein für Paula Jacobson vor Ihrem Haus ist leider entfernt worden. Er wurde gestohlen und eine neue komplette Gehwegplatte verlegt – als wenn es ihn nie gegeben hat. Diese Stolpersteine sollen an NS-Opfer von 1933 bis 1945 erinnern. Es gibt über 6.000 dieser kleinen Messingsteine in Hamburg. Wenn Sie durch den Leinpfad, Agnesstraße oder Marie-Louisen-Straße gehen, finden Sie sehr viele von ihnen.

Es belastet mich, dass es gerade jetzt passiert ist, wo am 25. Oktober an den 80. Jahrestag der erste Deportation jüdischer Menschen über die Moorweidenstraße beim Bahnhof Dammtor gedacht wurde. Am 9. November 2021 leuchteten an vielen Stolpersteinen Kerzen. Damit wurde an die Novemberpogrome der Nazi gegen jüdische Unternehmen, Synagogen und Menschen 1938 erinnert.

Vielleicht ist Ihnen etwas aufgefallen und Sie haben gesehen, wann es passiert ist? Sie könnten den Hamburger Stolpersteinen sehr helfen (www.stolpersteine-hamburg.de). 

Es passiert sehr selten, dass Menschen etwas gegen diese Steine haben, sie beschädigen oder versuchen, zu entfernen. Was auch immer die Motive sein mögen, es ist in meinen Augen eine schändliche Tat Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft, die eine Haltung insbesondere zur NS-Zeit hat. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich an Sie wende. 

Ich will mich aus Gründen der Zivilcourage dem Thema stellen. Das geht m.E. nur über die Herstellung einer Öffentlichkeit. Dazu wird bei Ihnen in den umliegenden Straßenzügen über diesen antisemitischen Vorgang eine Information verbreitet. Weiteres ist geplant. Ihr Grundstück selber hat ja eine antisemitische Geschichte und wurde den jüdischen Eigentümern geraubt. Es wird demnächst ein neuer Stolperstein verlegt. Dazu wird dann auch noch einmal eingeladen. Die Absicht, Paula Jacobson, vergessen zu machen, wird scheitern, da wir als Gesellschaft so etwas nicht mitmachen.

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