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Holger Artus

Sozialdemokratischer Widerstand in der NS-Zeit in Eimsbüttel

Zwei neue Stolpersteine, die im Frühjahr 2021 bei uns im Viertel verlegt wurden, erinnern an Willi Tiedt und Herbert Strzoda. Beide wurden zur „Frontbewährung“ im Verlaufe des 2. Weltkrieges abkommandiert und starben. Beide gehörten zur gleichen sozialdemokratischen Widerstandsgruppe in Eimsbüttel.

Herbert Strozda verbreitete kleinauflagige Papiere an vertrauenswürdige Sozialdemokraten in unserer Nachbarschaft. Willi Tiedt ebenso, betätigte sich aber auch noch Organisator. Hier meine Notizen.

Willi Tiedt

Willi Tiedt wurde am 1.März.1911 in Altona geboren. Er war der Bruder von Walter Tiedt, für den letztes Jahr ein Stolperstein verlegt wurde. Die Familie Tiedt wohnte mit ihren beiden Kindern seit 1912 in der Weidenallee 61, zunächst im Haus 4 und später dann im Haus 6.

Willi Tiedt besuchte die Volksschule und erlernte den Beruf des Schriftsetzers. Bis zu seiner Verhaftung im Jahre 1935 arbeitete er bei der Buchdruckerfirma Oscar de Lemos in der Bartelsstraße 92 im Schanzenviertel. Er war seit 1926 in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), der Jugendorganisation der SPD organisiert. Ab 1931 war er Vorsitzender der SAJ Hamburg und blieb auch in der Illegalität ab 1933 einer der führenden SAJ-Funktionäre. Willi Tiedt wurde Anfang Mai 1935 verhaftet und wurde bis November 1935 in „Schutzhaft“ im KZ Fuhlsbüttel festgehalten. Anschließend saß er im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis ein. Der Vorwurf: Von November 1933 bis März 1934 soll er illegale Schriften wie die „Roten Blätter“, die „Sozialistische Aktion, den „Neuen Vorwärts“ sowie Broschüren mit getarnten Titeln wie z.B. „Die Kunst des Selbstrasierens“ (Inhalt Prager Programm der Exil-SPD,), „Platos Gastmahl der Liebe“ und „Das Geheimnis der Kosmetik“ weitergegeben haben. Da die SPD und die SAJ im Juni 1933 verboten worden ware, sah die Hamburger Staatsanwaltschaft darin Hochverrat. Für einen seiner Mitstreiter in Eimsbüttel, Herbert Strzoda, wurde ebenfalls vor kurzen ein Stolperstein in der Lindenallee 74 verlegt. Er gehörte ebenfalls zu dieser Gruppe.

Willi Tiedt wurde am 5. November 1935 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. Er kam am 5. August 1936 aus der Haft. Die Gestapo legte ihm nahe, einen Antrag auf Wiedererlangung der Wehrwürdigkeit zu stellen, die sich aus dem Urteil ergab. Obwohl er ablehnte, wurde er nach Kriegsbeginn zur regulären Wehrmacht eingezogen und zusammen mit anderen politisch Verfolgten zu besonders gefährlichen Einsätzen abkommandiert. Willi Karl Tiedt verlor sein Leben bei einem militärischen Einsatz am 27. Dezember 1941 in Rjabinicka in der Sowjetunion. An ihn erinnert neben dem Stolperstein vor der Weidenallee 61 ein Grabstein auf dem Ehrenfeld der Geschwister-Scholl-Stiftung für ehemalige Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer auf dem Friedhof Ohlsdorf.

Herbert Strzoda

Herbert Strzoda wurde am 19. Juni 1914 geboren und wohnte mit seiner Familie in der Lindenallee 74, Haus 1. Er war mit Herta Below verheiratet. Sie hatten zwei Kinder. Von Beruf war er Polsterer. Als Jugendlicher hatte er sich 1929 in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) organisiert und bekleidete dort die Funktion eines Gruppenleiters. Die SAJ war die Jugendorganisation der SPD und 1922 gegründet worden. Am 22. Juni 1933 wurde sie verboten. Herbert Strzoda beteiligte sich an der illegalen Widerstandsarbeit der SAJ in Eimsbüttel. Er wurde am 18. April 1935 festgenommen und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. 31 Monate lang, vom 18. April 1935 bis 21. Oktober 1937, saß er im Gefängnis Wolfenbüttel ein.

Für was genau wurde er verurteilt? Er hatte nicht etwa Steine geworfen, für Geheimdienste gearbeitet oder andere Dinge unternommen, die man heute mit “Hochverrat” in Zusammenhang bringen würde. Ihm wurde damals vorgeworfen, “den organisatorischen Zusammenhalt der illegalisierten SPD und SAJ aufrecht erhalten und hochverräterische Schriften verbreitet zu haben.” Seit Januar 1934 hatte er die der Verteilung von einer verbotenen Zeitschrift, „Sozialistischer Aktion“, unterstützt. Im Sommer 1934 hatte er weitere SAJ-Materialien verteilt. Dabei handelte es sich um selbst verfasste Broschüren Eimsbütteler Sozialdemokraten hier im Viertel. Sie hatten eine Auflage von 20-25 Exemplaren, d.h. die Zustellung erfolgte an einzelne Adressen.

Im August 1944 wurde er zur “Frontbewährung” abkommandiert, was bedeutete, dass die “die wehrunwürdigen und kriminellen Elemente nicht glauben sollten, den Krieg überleben zu können, während die ‘guten Deutschen” an der Front sterben, so Adolf Hitler. Herbert Strzoda starb am 18. Januar 1945 an der Front in Frankreich.

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