Ansichten

Holger Artus

Über Herbert van der Zyl

Vor der Lindenallee 46 im Hamburger Weidenviertel erinnert ein Stolperstein an Herbert van der Zyl. Die Akten aus dem Staatsarchiv geben nur wenig her und nichts wirklich persönliches über ihn.

Es sind Akten aus der NS-Zeit, von Tätern. Angeblich hatte er Sex mit einem 14jährigen Jugendlichen gehabt. Vieles lässt einem zweifeln. Es nicht der erste Vorgang in einem staatsanwaltlichen Verfahren gegen jüdischen Männer ist, die angeblich Beziehungen zu Minderjährigen hatten, die ich lese. Alles lebt von Vorverteilungen, dass sich einem die Schuhe aufziehen. Die Vernehmungsprotokolle durch die Kriminalpolizei lassen die erpresserische Situation erkennen. Was hier „ermittelt“ wurden waren Vermutungen und Darstellungen der Polizei. Es war sehr schwer, aus den wenigen Fakten etwas an seinen Lebensstationen zu schreiben. Das wenige, was ich mich getraut habe, zu schreiben, habe ich heute an seine jetzigen Nachbarn verteilt. Hier die Info:

Staatsarchiv Hamburg, 213-11-58300

Vor der Lindenallee 46 erinnert seit kurzem ein Stolperstein an Herbert van der Zyl. In Hamburg gibt es über 6.000 dieser Steine, die an NS-Opfer erinnern. Bei uns im Stadtteil finden sie die in jeder Straße. Sie erinnern an die ermordeten jüdischen Menschen, an Sozialdemokraten:innen und Kommunisten:innen oder Homosexuelle.

Ich möchte Ihnen eine paar Stichworte zu Herbert van der Zyl erzählen, soweit man das aus dem vorliegenden Dokumenten sagen kann. Er wurde am 17. September 1942 im KZ Dachau ermordet. Alle Dokumente stammen aus der NS-Zeit, sind von den Nazis verfasst und erpresst worden. Diese Geständnisse und Zeugenaussagen muss  man in Frage stellen. 

Herbert Peter van der Zyl wurde am 27. April 1905 in Hannover geboren. Seine Mutter, Selma Goldschmidt (geboren am 27. September 1878 in Hannover), war damals mit Adolf van der Zyl (geboren am 28. Mai 1878 in Aurich) verheiratet. Beide trennten sich noch im ersten Lebensjahr von Herbert. Seine Mutter Selma zog 1907 mit Herbert nach Kiel. Sie fand dort Arbeit. Ihr Sohn besuchte hier die Schule, bemühte sich nach dem Abschluss um eine Lehre, fand aber keinen Zugang. Die Folgen des Krieges führten in den ersten Jahren der Weimarer Republik zu schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und es herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit. Herberts Mutter, seine später geborene kleine Schwester und er waren auf Fürsorgehilfe angewiesen. 1923 fand er Arbeit als Schiffbauhelfer bei der Kieler Germaniawerft, wurde auf Grund deren wirtschaftlichen Lage später entlassen. Für einige Zeit arbeitete er als Bote, als Liftboy u.a. Ab 1926 fuhr er zur See und arbeitete auf einem amerikanische Tankschiff vor der amerikanische Küste. Finanziell kümmerte er sich sich immer um seine Mutter.

1930 musste er ausmustern und wurde arbeitslos. Er musste u.a. auf dem Flugplatz Fühlsbüttel Pflichtarbeit verrichten. Um diesen Verhältnissen zu entrinnen, ging er 1931 in die Niederlande und fand für ein Jahr Beschäftigung auf niederländischen Schiffen. Ab 1932 war er wieder in Deutschland und fand immer wieder eine zeitweilige Beschäftigung als Seemann. Von Ende 1936 bis zu seiner Verhaftung Anfang 1939 hatte er eine feste Heuer. Eine Nachbarin, Frau Durin aus der Vereinsstraße 66, zeigte Herbert van Zyl bei der Fürsorge an, weil sie in angeblich mit einem Jugendlichen, der Fürsorge erhielt, auf dem Sofa gesehen hatte und daraus eine sexuelle Handlung konstruierte. Die Fürsorge informierte darüber die Polizei, die ihrerseits Herbert von Zyl am 1. März 1939 in der Lindenstraße 46 festnahm. Hier wohnte er seit kurzem zur Untermiete, vorher hatte er in der Bellealliancestraße gewohnt. Am 6. März 1939 wurde er ins Untersuchungsgefängnis überführt. In den Vernehmungen und vor Gericht hat er immer ausgeführt, dass er nicht homosexuell sei.

Staatsarchiv Hamburg, 213-11-58300

Zum 1. Juli 1939 wurde er zu einem Jahr und sechs Monaten wegen angeblicher homosexueller Handlungen an einem 14-jährigen verurteilt und ins Zuchthaus Fuhlsbüttel überstellt. Am 17. November 1939 erfolgte die Verlegung ins Zuchthaus Celle. Kurz vor dem Ende seiner Haft am 1. September 1940 wurde er am 10. August 1940 ins Zuchthaus Hameln eingewiesen. Da er Jude war, kam nicht mehr aus der Gefangenschaft. Herbert van Zyl kam erst ins KZ Sachsenhausen und am 12. September 1942 ins KZ Dachau, wo er am 17. September 1942 starb. Die Gründe sind unbekannt.

Kommentare sind geschlossen.