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Holger Artus

Sowjetische Zwangsarbeiter in der Lippmannstraße, im Schanzenviertel

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Zum Besuch der ANEI in Hamburg Anfang September 2021 soll(te) es nicht nur Besuche und Gespräche geben oder eine Kundgebung. Ich wollte auch die Nachbarschaft mit dem Thema in Beziehung bringen. Es sind zwar nur sehr kleinauflagige Nachbarschafts-Informationen, aber darum geht es, die Teilhabe der unmittelbare Nachbarschaft anlässlich des Besuch. Mit den Infos zur Glashüttenstraße, Bellealliancestraße, Weidenallee und jetzt der Lippmannstraße habe ich das umgesetzt.

In der Lippmannstraße 53-55 (ehemals Friedensstraße) war der Standort von Dennert & Pape. Das feinoptische Unternehmen produzierte u.a. die einst bekannten Rechenstäbe/ -schieber. Seit 1884 war es hier ansässig. 1938 kaufte es noch das Gebäude in der Juliusstraße 10 und mietete Räume in der Pianoforte- Fabrik, Schulterblatt 58, im Block C. Zu Beginn der 1940 er Jahre hatte das Unternehmen einen monatlichen Umsatz von über 20.000 Reichsmark. Zum 1. April 1945 waren 296 “Arier” bei Dennert & Pape beschäftigt.

Dennert & Pape setzte für die Rüstungsproduktion seit November 1942 sowjetische und französischen Zwangsarbeiter*innen ein. So habe ich 18 Namen sowjetischer Frauen gefunden. Sie lebten in einem Zwangsarbeitslager im Schulterblatt 58, Block C. Im September 1944 wurden sie in ein Lager u.a. der Hamburger Hochbahn verlegt. Weitere 36 Namen sowjetischer Zwangsarbeiter kann ich noch keinem Lager zuordnen, die aber für Dennert & Pape arbeiteten. Es gibt noch weitere Dokumente aus dem Juli 1942, die von Zwangsarbeiterinnen aus dem Lager am Dammtor (heute Messehallen) sprechen.

Dennert & Pape gibt es seit 1978 nicht mehr bei Ihnen im Viertel. Heute hat es seinen Sitz in Österreich. Die jetzigen Eigentümer verurteilten den damaligen Einsatz der Zwangsarbeiter* innen. Es hat sich u.a. an einem Fonds beteiligt, der für die Entschädigung der Zwangsarbeiter*innen insgesamt 10 Mrd. € aufbrachte. 

An der Ecke Stresemannstraße/Juliusstraße 1-9, wo heute das Hotel „Superbude“ ist, war in der NS-Zeit u.a. ein Telegraphenamt, in dem 13 italienische Militärinternierte (IMI) arbeiten mussten. Deren Zwangsarbeitslager war vermutlich im Kontorhausviertel. In der Schule Schanzenstraße 103 mussten 400 IMIs leben. Montblanc, in der Schanzenstraße 75/77, setze 22 IMIs ein. 

Auf der Höhe des Delphi-Theaters war ein weiteres Lager für 400 Zwangsarbeiter u.a. aus Frankreich und Italien, im „Theater des Westens“ (damals Schulterblatt 151-155). Seit Jahren steht hier eine Bauruine. An der Sternbrücke war auch ein Zwangsarbeitslager für hunderte IMIs, im Gästehaus Wensin. Heute eine Baulücke in der Max Brauer Straße (damals Hamburger Straße in Altona).

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