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Holger Artus

Italienische Militärinternierte in unserem Hinterhof

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Es geht um eine Geschichte aus der NS-Zeit in unserem Wohnfeld, in der Weidenallee 10 bc und Weidenallee 37 in Hamburg-Eimsbüttel. Es geht um das Thema der NS-Zwangsarbeit. Anlass für mich ist ein Besuch aus Italien von einer Organisation, in der sich die ehemaligen italienischen Militärinternierten nach 1945 zusammengeschlossen hatten. Italienische Militärinternierte wurden in der NS-Zeit seit September 1943 als Zwangsarbeiter eingesetzt, auch tausende in Hamburg.

In ANEI, so heißt die Vereinigung, sind heute vor allem Angehörige organisiert, die sich mit dem Leben ihrer Väter und Großväter in Deutschland bis 1945 als Militärinternierte befassen. 

Hitlers Krieg und dessen späterer Verlauf führte dazu, dass immer mehr deutsches Personal zur Wehrmacht einberufen wurde und Arbeitskräfte fehlten. Die Rüstungsproduktion musste aber forciert werden. Von der Wehrmacht wurden Millionen Menschen nach Deutschland verschleppt, hinzu kamen auch die kriegsgefangenen Soldaten aus Polen und der Sowjetunion, aber auch Frankreich, den Niederlanden, Serbien, Italien (ab September 1943)  u.a. Ländern. 

Im Hinterhof der Weidenallee 37 war der Standort des damaligen Rüstungsunternehmen Anton Kaeser, dass seinen ursprünglichen Standort zu Beginn des 20. Jahrhunderts zuerst im Klocksweg hatte, dann aber im Weidenstieg 7 bzw. Schäferkampsallee 46 (Kontor) und der Weidenallee 36, Haus 3 bis 5. Seit 1943 war die Produktion in der Weidenallee 37.

Anton Kaeser belieferte die Kriegs- marine in der NS-Zeit und setzte in seinem Unternehmen französische Zwangsarbeiter ein. Später schlossen sich Anton Kaeser und R.Noske Nachf. zusammen, dass auch 29 italienische Militärinternierte in der Arnoldstraße 26-30 einsetze. Daraus entstand später der Rüstungskonzern Noske & Kaeser, der bis heute von der Kriegsproduktion lebt. In der Weidenallee 37 im Hinterhof ist der Abgang in die Tiefen des Gebäudes heute versiegelt. 

Das zweite Unternehmen im Gebäude war das Rüstungsunternehmen Wilhelm Schriever. Einst nur mit kleiner Produktion im 2. Stock der Weidenallee 10 bc, musste 1940/1941 die jüdische Werkschule im 3. und 4. Stock 1940/1941 für die Fertigung von Munitionskisten Platz machen. Seit 1941 wurden 50 sowjetischen Zwangsarbeiterinnen hier eingesetzt. Seit 1943 waren es  46 italienische Militärinternierte (IMI) und auch noch französische Zwangsarbeiter. Wahrscheinlich lebten die IMIs in Zwangsarbeits1lager in der Schilleroper. Ein französischer Zwangsarbeiter kam aus einem Lager in Billstedt.

Im Gewerbehaus in der Weidenallee 10 bc waren auch zwei Unternehmen, die Zwangsarbeiter*innen für ihre Kriegsproduktion einsetzen. August F.M. Bonhoff hatte das Gewerbehaus 1910 gebaut und lieferte bereits im 1. Weltkrieg Kantinen für die Kriegsmarine. Gefunden habe ich, dass das Unter- nehmen hier 18 italienische Militärinternierte als Zwangsarbeiter in der NS-Zeit einsetzte. Nach meinen Recherchen hat das Unternehmen sich nicht am Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft für Zwangsarbeiter beteiligt und antwortet nicht auf meine Anfragen. Fast 80 Jahre sind seitdem vergangen und das Schweigen spricht für mich Bände. Es gehört zu den wenigen Unternehmen, die sich so verhalten. Selbst bezeichnet es sich als Traditionsunter- nehmen. Es gibt auf seiner Web-Seite an, dass sie Rüstungsaufträge erfüllten, so zur Herstellung von Teilen für die Flugmotorenfertigung. Von den Zwangsarbeiter*innen in der NS-Zeit keine Wort. 

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