Ansichten

Holger Artus

Wenn Unternehmen sich eher nicht mit der NS-Geschichte befassen wollen, z.B. die HPA

| Keine Kommentare

Das eine Frage zum Einsatz italienischer Militärinternierte einem Unternehmen der Stadt Hamburg so schwer fällt und aufwendig wie bei der HPA gestaltet, hatte ich in dem Umfang nicht erwartet.

Mir ist die Bandbreite der Reaktionen der Unternehmen auf Basis von 65 Anschreiben vertraut. Aber das die Presseabteilung eines öffentlichen Unternehmens auf zwei Anschreiben nicht reagiert, kannte ich zu dem Zeitpunkt nur vom Bauunternehmen Aug. Prien, was sicher Zufall ist. Erst nach einem Schreiben an den Geschäftsführer der HPA, Jens Meier, kommt Bewegung in das Geschehen. Allerdings bleibt es eine zähe Sache. Es wird zwar betont, dass man ja wohl eine eigene Meinung zu den italienischen Militärinternierten haben darf, auch wenn man das NS-Zwangsarbeitssystem ablehne. Immerhin war es eine besondere Gruppe untern den Zwangsarbeitern. Außerdem stehe man auf dem Standpunkt, dass man bei Erinnerung an Zwangsarbeit nicht nur an eine Gruppe erinnern sollte. Das ist m.E. bei dem Anliegen zu den IMIs eher ein merkwürdiges Argument, um sich klar zu positionieren. Immerhin waren bei der Strom- und Hafenbau auch italienische Militärinternierte.

Das ärgerliche am Verhalten der HPA ist aber vor allem der Ansatz, man habe keine Unterlagen und man solle sich an die zuständige Behörde bzw. das Staatsarchiv. Man sei ein Unternehmen der Stadt und diese Einrichtungen, hier Staatsarchiv, hätten ausgesourcte Unterlagen erhalten. Mein Ansatz vom „ärgerlichen am Verhalten“ entsteht allerdings nur im Abgleich mit anderen öffentlichen Unternehmen und

eben dem Verhalten der HPA. Diese hatten auf meine Anfrage nach weiteren Informationen z.B. zu den Arbeitorten der IMIs sich eigenständig an das Staatsarchiv gewandt. Andere bedauerten, dass sie nicht mehr hätten und bedankten sich für die ihnen überlassenen Unterlagen. Andere nahmen Kontakte zu ehemaligen Mitarbeitern auf. Hier betonte die HPA so schnell auf meine Mail, dass es bei ihnen so eine Resource nicht gebe. Prüfung sieht m.E. anders aus. Es gab aber auch Unternehmen der Stadt, die sagten, dass sie zu wenig für die Erinnerungskultur (des Unternehmens) machen und den Besuch der ANEI gerne zum Anlass nehmen, den Kontakt herzustellen.

Nach meinen oberflächlichen Recherchen zur NS-Geschichte von Strom- und Hafenbau wäre es angesagt, dieses Themen aufzuarbeiten. Als Behörde war Strom- und Hafenbau Teil der Machtübernahme des Staatsapparats durch die Nazis und ihrer Unterordnung. Genau hier liegt m.E. das Problem, weshalb man die Rolle aufarbeiten sollte.

Hier meine Notizen zu Strom- und Hafenbau bei den IMIs

Im Hamburger Hafen, in der Werftindustrie und der Seeschifffahrt wurden zehntausende Zwangsarbeiter in der NS-Zeit nach 1939 eingesetzt. Die Map von der Web-Seite www.zwangsarbeit-in-hamburg.de vermitttelt ein Bild, dass der Hafen ein regionales Zentrum für den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern war.

Zwangsarbeiter bei Strom- und Hafenbau

Auch Strom- und Hafenbau als damals staatliche Behörde setzte – nach der Verschleppung der italienischen Soldaten ab September 1943 nach Deutschland – italienische Militärinternierte als Zwangsarbeiter an verschiedenen Standorten in Hamburg ein. Bereits vorher war die Beschäftigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus anderen Ländern bei der Behörde der Fall. Allerdings hatte sich die Lage 1943 grundlegend geändert. Nach Moskau und Stalingrad war es zur militärischen Wende gekommen. Auch bei Strom- und Hafenbau machte sich der Abzug deutscher Beschäftigte bemerkbar: Waren 1940 noch 1.800 Beschäftigte bei der Behörde, waren es zwei Jahre später nur noch 700 deutsche Arbeitskräfte. Um diese „Personalverlust“ zu kompensieren, wurde die Abläufe neu organisiert, aber ohne den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ging nix mehr.

Exemplarisch wird diese Lage für das Amt in einem Schreiben vom 27. September 1944 vom Verwaltungsleiter für Handel, Schiffahrt und Gewerbe sichtbar. Für den Industrieblock Hafen wurde durch den NSDAP-Gauleiter für Hamburg angeordnet, „alle Betriebe des Hafenblocks darauf hinzusehen, ob noch Gefolgschaftsmitglieder … der Wehrmacht zur Verfügung stellt werden können. Für die Sparte Strom- und Hafenbau ist nunmehr festgestellt worden, dass hier … rund 85 Gefolgschaftsmitglieder der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden können, wenn für diese Kräfte Ersatz angelernt wird. … Bei Strom- und Hafenbau sind z.Zt. ca 300 Arbeitsstellen frei, von denen allerdings 150 für die Einstellung der freien Italiener in Anspruch genommen werden müssen.“ Er habe sich bereits mit dem Arbeitsamt in Verbindung gesetzt. Aber eine „Vermehrung des Personalstandes würde nicht stattfinden.“ Und wenn es deutsche Personal gäbe sollten so schreibt der Verwaltungsleiter weiter, würde es sich um Personen handeln, die der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden müssten. 

Über die Beschäftigung italienischer Militärinternierter bei Strom- und Hafenbau

Über den Einsatz von italienischen Militärinterniert bei Strom- und Hafenbau gibt es mehrere Belege (wie auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus anderen Ländern). So eine Mitteilung an das Arbeitsamt Hamburg, dass im August 1944 um die Namen der im Unternehmen im Einsatz befindlichen italienischen Militärinternierten gebeten hatte. Nach diesen Unterlagen setzte zum September 1944 die Behörde 120 italienische IMIs ein. In welchen Lagern die IMIs untergebracht waren, ist zurzeit nicht bekannt. 

Schluisgrove

Einer der Standorte war das Materiallager S(ch)luisgrove, hier waren nach Unternehmensangaben acht IMIs. 

Hinzu kamen noch Gefangene IMIs aus dem Arbeitserziehungslager Langer Morgen. Bereits seit Oktober 1943, der erste Ankunftswelle italienischer Militärinternierter in Hamburg, wurden IMIs vom Strom- und Hafenbau eingesetzt, wie ein einem Schreiben zur Beförderung das Amtsgehilfen Carl Rausch vom 23. Mai 1944 aus der Baggereiabteilung belegt: „In der Zeit vom 15.10.43 bis 15.1.44 wurden bei der BA 45 militärinternierte Italiener beschäftigt, und seit dem 11.4.44 stehen BA 15 Sowjet-Kriegsgefangene zur Verfügung.“

Zimmerplatz Lübecker Ufer

Hier beschäftigte Strom- und Hafenbau im September 1944 nach Unternehmensangaben 27 IMIs.

Hierbei handelte es sich die Schmiede und Schlosserei, die für alle der 230 eisernen Pontons, 169 Schwimmkränen, 95 Brücken und 140 hölzernen Wasertreppen und – Schlengel die anfallenden Reparaturarbeiten ausführte musste.

Baubüro Ellerholz

Hier beschäftigte Strom- und Hafenbau ab September 1944 nach Unternehmensangaben 12 IMIs. Wo dieses Baubüro war, ist nicht geklärt.

Baubüro Hansabrücke:

Hier wurden 26 IMIs beschäftigt. Wo dieses Baubüro genau war, ist nicht geklärt.

Baubüro Altona

Hier wurden nach Unternehmensangaben neun IMIs beschäftigt. Wo dieser Ort genau war, ist ungeklärt. 

Baubüro Grasbrook

In der Werkküche auf dem Gr. Grasbrook und bzw. dem Baubüro Grasbrook waren nach Unternehmensangaben 23 IMIs.

Schuppen 24

Im Schuppen 24 wurden nach Unternehmensangaben acht italienische Militärinternierte eingesetzt. Was hier für Arbeiten zu erledigen war, ist zurzeit nicht bekannt.

Voratslager H/W

Im Vorratslager W waren nach Unternehmensangaben drei IMIs beschäftigt. Um was es um „H“ oder „W“ handelt, ist nicht klar. Bei Strom-und Hafenbau gab es nachweislich ein „Vorratslager H“. 

Beteiligung von Strom- und Hafenbau am Barackenbau

Die Rolle der Strom- und Hafenbau als staatliche Behörde im Hafen war u.a. bei der gesamten Logistik für das NS-Zwangssystem von großer Bedeutung. Die Behörde war direkt und indirekt an der Planung und der Bau von Barackenlagern/Zwangsarbeitslager bzw. die Beauftragung beteiligt. Nachweislich war das z. B. beim Bau von Barackenlagern im Falkenbergsweg und Waltershof. 

Einsatz von Zwangsarbeitern durch Strom- und Hafen beim Bau des Flughafen Finkenwerder

Als Arbeitgeberin beschäftigte sie nicht nur direkt italienische Militärinternierte, sondern auch Zwangsarbeiter aus anderen Ländern. Als Auftraggebern für Projekte der Nazis in der Periode von 1941 bis 1945 beauftragte sie u.a. Unternehmen und bezahlte die dafür eingesetzten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Hier gibt es hunderte von Abrechnungen an Strom- und Hafenbau.

Ein Beispiel ist der Bau des Flugplatz Finkenwerder ab 1941. Die Behörde war „mit der Bauleitung, für das Bauvorhaben Finkenwärder einschl. Vergabe, Abwicklung, Abrechnung der Verträge“ des Flughafenbaus verantwortlich. Seit 1941 setzte Strom- und Hafenbau direkt auf das Regime der Ausbeutung fremder Arbeitskräfte. Später wurden hier vor allem so genannte „Ostarbeiterinnen“ von den Bauunternehmen und Lieferanten eingesetzt. Deren Arbeitskosten übernahm Strom- und Hafenbau. Aus Unterlagen ergibt sich, dass hier auch Italiener beim Flughafenbau eingesetzt wurden. Ob es sich dabei um italienische Soldaten, also IMIs handelt, ist bisher nicht klar. Auch nicht, für welches Unternehmen sie hier arbeiten mussten und ob es mit der Strom- und Hafenbau einen solchen Auftrag gab, der von ihr auch bezahlt wurde.

Die Hafenbahn von Strom- und Hafenbau

Da die Hafenbahn Strom- und Hafenbau gehörte, dürfte sie bei der gesamten Logistik in dem Zwangsarbeitssystem eine wichtige Rolle eingenommen haben. Ob und in welchem Umfang sich das konkret niederschlug, kann man aber nur vermuten. Der abstrakten Platz dieser Logistik wurde in der Broschüre „Deportationsstätte Fruchthafen C“ zur Deportation der Sinti und Roma so kommentiert: „… dass die einzelnen Kräfte der (Kriminal-) Polizei, der Hamburger Verwaltungen, insbesondere der Sozialverwaltung, der HHLA und der Hafenbahn und die der Reichsbahn ein System der Deportationslogistik entfalteten, dass den Opfern kaum eine Chance des Entkommens“ bestand… Die Definition und Erfassung entwickelten Polizei und Sozialverwaltung. Zur Konzentration leistete die HHLA ihren Beitrag. Den Abtransport leisteten Hafenbahn und Reichsbahn.“

Beteiligung von Strom- Hafenbau an den Raubkäufen/“Arisierungen“

Zur Rolle von Strom- und Hafenbau in der NS-Zeit gehört sicher auch deren Beteiligung am Raubkauf deutsche Unternehmen von jüdischen Eigentum („Arisierung“). Das die Behörde daran beteiligt war und auch finanziell daran verdiente, lässt sich nachweisen. Die bekanntesten Raubkäufe von jüdische Eigentum im Hafen sind die Reedereien Blumenfeld und Schindler sowie dessen Mineralölunternehmen, die Fairplay Schleppdampferschiffs-Reederei Richard Borchard, die Arnold Bernstein Schiffahrtsgesellschaft oder die Schiffswerft „Köhlbrand-Werft Paul Berendsohn“. Aber es gibt noch weitere jüdische Unternehmen, deren jüdischen Eigentümer gezwungen wurden, an einen „arischen“ Unternehmer zu verkaufen. Hier kann man die Beteiligung von Strom- und Hafenbau belegen. Aus systematischen Gründen dürfte es aber auch bei den anderen jüdischen Unternehmen der Fall gewesen sein, so die Annahme. 

Rauswurf jüdischer Beschäftigter bei Strom- und Hafenbau

Mit der Machtübernahme der Nazi wurden auch in Hamburg ab 1933 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus dem Staatsdienst entfernt. Herbert Dierks schreibt dazu in seiner Broschüre „Der Hamburger Hafen im Nationalsozialismus“, dass es in allen Bereichen der Hamburger Hafenwirtschaft jüdische Beschäftigte gab. Ab April 1933 „begann mit Entlassungen, Einschränkungen der Berufsfreiheit … ein Prozess der wirtschaftlichen Verdrängung und Existenzvernichtung.“ Auch bei Strom- und Hafenbau wurden jüdische Beschäftigten entlassen. Über den Umfang kann man heute wenig sagen. 

Wie schwer sich Strom- und Hafenbau nach der Befreiung Deutschlands von dem Terrorregime tat, kann man am Beispiel von John Behrens erzählen. Er war seit dem 22. Mai 1923 bei der Strom- und Hafenbau als Schiffstakler beschäftigt und wurde nach dem so genannten Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 5. August 1933 entlassen. Als er 1951 darüber informiert wurde, dass er als Schiffstakler „bevorzugt wiedereinzustellen“ und die Zeit seiner Entlassung seit 1933 als Dienstzeit anzusehen sei, hatte er schon einen langen Weg nach 1945 zurückgelegt, um bei Strom- und Hafenbau wieder beschäftigt zu werden. „Seit 1946 habe ich es öfteren persönlich durch Vorsprache bei der Personalstelle Hbg. 11, Dalmannstraße 13 sowie schriftlich um Einstellung nachgesucht, jedoch mit ablehnenden Bescheid.“ Weiter schreibt Behrens, dass „ein Einschreiben vom 3. Juni 1951 … unbeantwortet blieb. 

Die Historische Aufarbeitung der NS-Geschichte der Strom- und Hafenbau ist angesagt

Das heute die HPA keinen aktiven Beitrag zur Aufarbeitung (als Rechtsnachfolger vom Strom- und Hafenbau) ihrer NS-Geschichte am Beispiel der italienischen Militärinternierte leistet, sondern einfach auch die Zuständigkeit der Stadt und das Staatsarchiv verweist, kann man gerade in diesem Zusammenhang kritisch bewerten. Es gibt neben der historischen Aufarbeitung als Teil der Unternehmensgeschichte auch das Argument der moralischen Verantwortung gegenüber den Betroffenen bzw. ihren Familien. Eine Aufarbeitung der NS-Geschichte von Strom- und Hafenbau wäre auch noch heute ein sinnvolle Aktivität, dem sich das Unternehmen stellen sollte.

Schreiben Sie einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.