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Holger Artus

Einladung der Nachbarschaft im Karolinenviertel

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Mit einer Nachbarschaftsinfo, die ich heute in der Flora-Neumann-Straße im Hamburger Karolinenviertel verteilt habe, verfolge ich meinen kleinteiligen Ansatz weiter, mit der Nachbarschaft über die NS-Geschichte irgendwie in einen Dialog zu kommen. Es geht vor allem um die Werbung für unsere virtuellen Kundgebung am Donnerstag, den 8. April 2021.

Liebe Nachbarn,

in Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft befindet sich die Gedenkstätte der Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße 35. Sie wurde zum 14. Mai 1942 auf Anweisung der sogenannten NS-Reichsstatthalters Hamburg, Karl Kaufmann, geschlossen. Ein jetzt wiedergefundenes Schreiben der Schulleiterin der Schule Schanzenstraße/Altonaer Straße aus dem Hamburger Schanzenviertel vom 2. April 1942 wirft ein neues Licht auf die Schließung und die Folgen für die jüdischen Schülerinnen der Israelitischen Töchterschule.

Im Schreiben lehnt Emma Lange aus der Schule Schanzenstraße, die sich fünf Minuten Fußweg von hier entfernt befindet, die Aufnahme der jüdischen Schülerinnen und Schüler aus der Israelitischen Töchterschule ab. Es sei den „arischen“ Kinder nicht zuzumuten, „Judenkinder“ in der Nähe zu haben. Sie können sich sehen oder treffen. Die Nachbarschaft würde sich gegen die Schule stellen, wenn hier jüdische Kinder wären. Aber auch dem „arischen“ Lehrkörper sei eine Begegnung mit den Lehrer/innen der „Judenschule“ nicht zuzumuten. Das Schreiben richtete sich an die Schulbehörde, die die Israelitische Töchterschule für sich haben wollte. Sie war es, die mit der Gestapo Absprachen traf, um die jüdische Schule zu übernehmen.

Das tragische ist, dass am 15. und 19. Juli 1942 genau über die Schule Schanzenstraße Schülerinnen und Schüler aus der Israelitischen Töchterschule ins Ghetto nach Theresienstadt deportiert wurden. Vier überlebten, die anderen wurden ermordet. Daran wollen wir mit einer virtuellen Online-Veranstaltung am Donnerstag, den 8. April 2021 um 17 Uhr Live auf YouTube erinnern.

Auf der virtuellen Kundgebung wird eine der letzten lebenden Schülerin der Israelitischen Töchterschule, Erika Estis, zu sehen und zu hören sein. Erika Estis war als Erika Freundlich 1922 geboren. Sie wohnte mit ihrer Familie in der Fruchtallee 27. Zwei Stolpersteine erinnern heute an ihre Eltern, Paul und Irma Freundlich. Ihr Weg zur Schule in der Karolinenstraße führte sie regelmäßig auch durch den Schanzenpark. Erika lebt seit Jahrzehnten in New York, von hier werden wir die 98 jährige Live zuschalten. Neben ihr wird auch die Leiterin der Gedenkstätte der Israelitischen Gedenkstätte, Anna von Villiez und die heutige Schulleiterin der Ganztagsgrundschule Sternschanze, ehemals Volksschule Schanzenstraße/Altonaer Straße, Svenja Hohnke sprechen. In einer szenischen Lesung an Hand der damalige Dokumente soll die Geschichte der Schließung der Israelitischen Töchterschule erzählt werden. Dazu wird es eine musikalische Begleitung geben.

Sie können sich auf unserer Web-Seite https://www.sternschanze1942.de über unsere virtuelle Veranstaltung, den Brief der Emma Lange, den Umstände zur Schließung der Israelitischen Töchterschule 1942 im Karolinenviertel und einigen ihrer Schülerinnen informieren. Auch der Link für den Live-Stream befindet sich hier.

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