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Holger Artus

Ein Versuch, ein virtuelles Angebot in die Öffentlichkeit zu tragen – und eine Absage

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Die vor der Weidenallee 10b geplante Kundgebung am 9. November 2020 werden wir ins Netz verlagern. Ursprünglich wollten wir vor dem Gewerbehaus in der Weidenallee 10b, eine jüdische Lehrlingswerkstatt von 1935 bis 1941, anlässlich der November-Pogrome 1938, eine öffentlichen Kundgebung durchführen. Die Corona-Lage und sich abzeichnende Beschlüsse haben uns dazu veranlasst, die Kundgebung ins Netz zu verlagern, die Bewerbung aber wie geplant in der Öffentlichkeit auf dem Papier zu organisieren.

Die Hemmnisse, bei der Corona-Lage am Stadtteilrundgang und der Kundgebung sich öffentlich zu beteiligen, sind sehr groß geworden, so dass der Schritt ins Netz eine Option war, die wir abgewogen haben.

Es wird wie im vergangenen Jahr den Aufruf im Weidenviertel geben, vor die Stolpersteine Kerzen zu stellen. Das ist die sichtbarste und öffentlich Aktivität und führt im Wohngebiet zu größte Diskussion im Zusammenhang mit den Nazi-Verbrechen. Und es ist für viele ein emotionales Erlebnis, wenn sie sich dessen bewusst werden, dass man etwas gegen Rechts tun kann, bezogen auf die Haltung.

Es bleibt bei unserem geplanten Ablauf, einiges wird aufwendiger, da wir nicht nur in die Bewerbung im Wohngebiet auf die Straße gehen, sondern auch für das virtuelle Angebot noch zusätzliches produzieren müssen.

Bei der Gestaltung der virtuellen Kundgebung musste ich mit den Gästen klären, ob sie auch virtuell dabei bzw. die technischen Voraussetzungen gegeben sind, was noch zu klären ist.. Eine Absage einer Erzählerin zum Stolperstein von Helene Heykendorf in der Vereinsstraße 59 bekam ich. Sie war in der KPD und 1945 in Neuengamme ermordet worden. Das war aber nicht der Grund, hatte die Erzählerin doch für die Ausführungen auf der Straße zugesagt. Für sie war es zu viel Tamtam um das Thema, wo doch in Griechenland 100.000 mit Maske und Abstand demonstrieren, wir einen Stadtteilrundgang und eine Kundgebung ins Netz verlegen. Überhaupt begann der Terror der Nazis nicht erst 1938, sondern ab 1933. Empörend sagte sie, dass Gruppen ausgegrenzt werden, wenn sie nicht eingeladen würden. 

Ich kann damit leben, denn das ist alles bullshit und der Versuch, irgendetwas auf einer Nebenschiene aufzubauen, was alles nicht mit der Aktivität zu tun hat, um sich nicht dem Thema der virtuellen Kommunikation praktisch zu stellen. Wo ist der Unterschied, sich vor ein Stolperstein zu stellen und etwas zur Person zu erklären, es aber an der Cam nlcht? Ich will aber nicht spekulieren, wenn ich eine Haltung zur Absage habe. 

Wir organisieren uns Aktivität öffentlich, laden öffentlich dazu ein, rufen zur Aktion, zum praktischen tun ein. Wir tauschen ein Hemmnis, der Sorge vor einer Corona-Verbreitung und Anstecking, sich an einer Aktivität auf der Straße zu beteiligen, also nicht zu kommen, mit der Barriere der Hürde virtuell daran teilzunehmen. Viele werden es nicht werden, aber wir bleiben in der Öffentlichkeit, wir organisieren nicht die griechische Öffentlichkeit, sondern machen unsere Nachbarschaft ein Angebot zu einem konkreten Thema, das nicht das vorderste Thema in der öffentlichen Debatte ist. Und: ich werde mich von politischen Schwachköpfen nicht davon abhalten, NS-Opfer gegeneinander auszuspielen.

Den Stolperstein für Helene Heykendorf hatte ich letzte Woche, wie auch andere, gereinigt. Meine Erzählerin war es nicht.

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