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Holger Artus

Zum Stolperstein von Alphons Friedberg

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Es war schon länger geplant, mehr Nachbarschafts-Info in das Wohngebiet zwischen Bellealliancestraße, Eimsbütteler Chaussee und Altonaer Straße zu den Stolpersteinen zu erstellen. Was einst mit dem Straßenzügen zwischen Weidenallee und Schäferkampsallee begann sollte gewissermaßen „ausgebaut“ werden. Gleiches ist zu den Straßenzügen im Schanzenviertel angedacht.

Was 2018 mit einem Aufruf zur Reinigung der Stolpersteine um die Weidenallee begann, ist zu einer größeren Aktivität der Aufbereitung der NS-Geschichte im einem sehr kleinen Wohngebiet geworden. Die Form ist nicht, sie nur aufzuschreiben, sondern ein Angebot zu Information und Beteiligung zu machen. Die Schicksale der NS-Opfer sind emotional wie der beste Vermittlungszugang. Das erfahre ich immer wieder, wenn ich die Nachbarschafts-Info in den Häusern verteile. Wir suchen den Kontakt in die Nachbarschaft, um eben neben der Information die Chancen zu verbessern, dass Nachbarn sich an öffentlichen Aktivitäten beteiligen. Unsere Angebote sind die Kundgebung am 15. Juli anlässlich der Deportation jüdischer Menschen 1942 und der 9. November, den November-Pogromen 1938. Hier eine Nachbarschafts-Info zu Alphons Friedberg, mit der wir für unsere Kundgebung am 9. November 2020 werben wollten. Die verlagert sich jetzt ins Netz und wird eine virtuelle Kundgebung.

Vor Ihrem Haus liegt ein Stolperstein für Alphons Friedberg. Bewusst will ich zu Beginn einen Abschnitt aus seinem Leben herausgreifen, um einen Bogen zu heute zu ziehen. Es geht um die November-Pogrome 1938. Wir wollen in unserem Viertel am Montag, den 9. November 2020 mit einem Stadtteilrundgang an die Pogrome gegen die jüdischen Menschen erinnern. Alphons Friedberg wohnte am 9. November 1938 zu Untermiete mit seiner Familien in der Grindelallee 168 bei Cäcilia Vogel und Bernhard Kargauer. Die Kargauer lebten von der Fürsorge. In einem Bericht vom 30. November 1938 habe ich folgende Passage gefunden: „Bernhard Kargauer und Sohn Gerd wurden am 10. November 1938 verhaftet, der Sohn befindet sich noch in Haft sowie der Untermieter Alphons Friedberg.“

Alphons Friedberg war einer der 890 jüdischen Menschen Hamburgs, die am 10. November 1938 von der Gestapo willkürlich festgenommen wurde. Ob er nur Tage im Hamburger Stadthaus am Rödingsmarkt festgehalten wurde oder monatelang verschleppt wurde, ist mir nicht bekannt. Ivan Andrade hatte in der Bellealliancestraße 66 ein kleines Geschäft, dass am Morgen des 10. November 1938 zertrümmert wurde. Er war monatelang im KZ Sachsenhausen und wurde dort schwer misshandelt.

Zurück zum Stolperstein vor Ihrer Haustür. Alphons Friedberg ist am 25.11.1885 in Altona geboren. Er war mit Wilhelmine Schwetscher verheiratet. Das Paar hatten zwei Kinder. Helmuth Friedberg war am 27. Juni 1921, Irma Friedberg wurde am am 10. August 1907 geboren. Die beiden Kinder überlebten den NS-Terror.

Aus den Unterlagen ergibt sich, dass Alphons Friedberg Kaufmann war. Er hatte seit dem 4. Juli 1917 offenbar in der Telemannstraße 7 ein kleines Geschäft gehabt, über das Zigarren, Zigaretten, Tabake und Postkarten verkauft wurden. Bis zu Beginn 1930 lag sein Jahreseinkommen zwischen 4 ½ bis 6.000 RM. Mit dem Machtantritt der Nazis 1933 veränderte sich die Lage für die jüdischen Menschen grundsätzlich. Der Antisemitismus wurde auch Maßstab für staatlichen Entscheidungen. Die wirtschaftliche Lage für die Juden erlebt massive Einschnitte. In den Jahren 1936 bis 1939 hat Alphons Friedberg kaum noch Einkommen gehabt. Auf seiner Steuerkarte sind verschiedene Adresse aufgeführt, so auch die in der Vereinsstraße 61. Seine Deportation erfolgt über das so genanntes “Judenhaus” in der Beneckstraße 22, hier in Eimsbüttel.

Alphons Friedberg wurde am 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße am Bahnhof Sternschanze nach Theresienstadt deportiert und kam dort am 20. Juli 1942 mit dem „Hamburger Transport VI/2“ an. Er ist 1. Juni 1943 in Theresienstadt an Fleckfieber, damals als Hungertyphus bezeichnet, gestorben sein. Von den am 19. Juli 1942 über die Schule Schanzenstraße deportierten 805 jüdischen Menschen überlebten nur 94.

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