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Holger Artus

Vor der Weidenallee 10 b an Reichs-Pogromnacht vom 9. November 1938 erinnern

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Es ist alles ein Zufall, dass ich über einen Post auf meinen Blog Kenneth Hale und seinen Sohn Kevin kennenlernte. Er schrieb zu einem Blog-Beitrag über Jacob Blanari am 14. Juni 2020, dass er sich gut an ihn erinnere. Er war 1938/1939 in der jüdischen Werkschule in der Weidenallee 10 b Tischlerlehrling. Der Kontakt nahm seinen Lauf und es kam zu einer Veröffentlichung in der MOPO am 12. September 2020.

Olaf Wunder hatte die Geschichte von Kenneth erzählt. Am 15. Juli 2020 erzählte mir Anna von Villiez von der Gedenk- und Bildungsstätte der Israelitischen Töchterschule am Rande, dass sie Kurt Goldschmidt letztes Jahr kennengelernt hatte. Er war Schlosser-Lehrling in der jüdischen Ausbildungswerkstatt in der Weidenallee 10 b. Ihre Frage an mich lautete, ob die beiden sich kennen. Als Kenneth mir schrieb, dass es zwischen den Tischler- und Schlosser-Lehrlingen nur wenig Kontakt gegeben hatte und es sich nicht an seinen Namen erinnere, schrieb ich Kurt Goldschmidt, der wie Kenneth Hale in New York lebt. Kurt rief mich an und ich war wie bereits bei Kenneth wieder sehr gerührt von dem Kontakt und Austausch. Als er mir gestern erzählte, er habe mit Kenneth telefoniert und ihn als einen sehr netten Menschen bezeichnete, war ich wieder gerührt: Beide arbeiteten im 3. bzw. 4. Stock in der Weidenallee in der jüdischen Ausbildungswerkstatt, lernten sich aber erst jetzt kennen.

Doch damit nicht genug: Kenneth hatte auf einen Blogbeitrag von mir auf Jacob Blanari reagiert. Heute, am 5. Oktober, erhielt ich eine Mail von einem Enkelkind von Jacob und Theophile Blanari aus Barcelona. Sein Vater, Erwin, war 1939 über England nach Kolumbien geflohen, während seine Eltern in Deutschland blieben und am 8. November 1941 nach Minsk deportiert, wo sie dann ermordet worden. Er schrieb über seinen Vater und dessen Flucht, aber auch über seine Kinder und Enkelkinder. 

Es ist ein trauriges Gefühl, diese Geschichten zu hören, weil nichts korrigiebar ist. Aber das ist es nicht nur. Wie in der Vergangenheit muss man an die NS-Diktatur erinnern, um eben auch zu mahnen, dass es sich nicht wiederholen darf. Für mich heißt es natürlich auch, gegen Nazis und die AfD auf die Straße zu gehen. Für mich heißt es auch, gegen die neoliberale Politik in Deutschland auf eine soziale und politische Alternative zu setzen. Die Verwerfungen des Neoloberalismus sind heute der Nährboden für die Rechten und Nazis. 

Am 9. November 2020 will ich zusammen mit anderen in meinem kleinen Wohnumfeld an die Reichs-Pogromnacht am 9.11.1938 erinnern. Es soll für die Menschen, die es interessiert, auch ein emotional nachvollziehbares Erlebnis des Erinnerns und nicht Vergessen werden. Dieses Jahr wird unsere Kundgebung vor der Werkschule in der Weidenallee 10 b stattfindrn. Mit Kenneth und Kurt, mit deren Erinnerungen und denen an Jacob Blanari.

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