Nachbarn haben mich auf die erneute Attacke auf den Stolperstein in Erinnerung an Renata Drehmel vor der Gärtnerstaße 117 in Hamburg-Eimsbüttel hingewiesen. Auch wenn hier offenbar ein Wiederholungstäter sein schändliches Spiel treibt, meine ich, darf man das nicht tolerieren. Jetzt habe ich an den Häusern rund um die Gärtnerstraße 117 jetzt eine Nachbarschaftsinfo und die Biographie von Renata Drehmel angebracht und angekündigt, dass ich den Stolperstein reinigen werde. Die Form habe ich gewählt, um wieder in den Dialog treten zu können. Bereits beim letztenmal gab es viele Reaktion, ob Mails oder Anrufe. Gegen Rechts hilft nur Haltung. Ich habe ich in dieser Ecke von Eimsbüttel Ende der 1950er Jahre einen Teil meiner Kindheit verbracht, so dass mich diese Attacke gegen den Stein besonders betroffen macht. Hier meine Nachbarschaftsinfo.
Liebe Nachbarn,
Sicher beschäftigt sich Sie wie mich auch das Coronavirus und die staatlicherseits getroffenen Maßnahmen in großem Maße. Andere Themen bekommen derzeit einen anderen Stellenwert und Wichtigkeit. Ich möchte Sie trotzdem auf eine mir auch wichtige Angelegenheit aufmerksam machen.
Anschlag auf Stolperstein
Leider hat es wieder eine Attacke auf den Stolperstein von Renata Drehmel vor der Gärtnerstraße 117 gegeben. Er wurde mit Farbe beschmutzt. Erst im September letzten Jahres wurde ihr Stein komplett zerstört. Vorher hatte bereits eine teilweise Zerstörung stattgefunden. Die Bezirksversammlung Eimsbüttel hatte danach die Finanzierung seiner Erneuerung übernommen. Offenbar handelt jemand bewusst wiederholt. Möglicherweise ein Nazi, der sein Unwesen treibt, und es fortsetzen wird. Wie auch immer man sich gegen Nazis zur Wehr setzt, eines scheint mir wichtig: Dass man diese Tat nicht toleriert und nicht als Normalität anerkennt.
Ich werde daher am Montag, den 20. April 2020, um 12 Uhr, den Stein vor der Gärtnerstraße 117 reinigen und Blumen hinlegen.
Vielleicht erinnern Sie sich: Renata Drehmel war ein Opfer des NS-Regimes. Sie wohnte seit 1935 mit Mann Fritz und Sohn Werner in der Gärtnerstraße 117. Ihr Vater wurde 1941 nach Minsk deportiert, ihre Schwestern Frieda und Rosa wurden im April 1942 im KZ ermordet. Ihr Mann Fritz war im April 1942 verstorben. Sie und ihr Sohn waren zu diesem Zeitpunkt in ein so genanntes “Judenhaus” in der Rutschbahn 25 a im Grindel-Viertel eingewiesen worden. Hier lebten jüdische Menschen auf beengtem Raum, bevor sie deportiert und die Reise in den Tod antreten mussten. Für Renata Drehmel eine schier unlösbare Situation: Sie versuchte sich mehrfach selbst zu töten. Kurz bevor sie auch nach Theresienstadt deportiert wurden sollte, versuchte sie es erneut und wurde am Ende in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert. Dort starb sie am 11. Juni 1943. Werner Drehmel wurde nach Auschwitz deportiert und sollte hingerichtet werden. Fast auf den Tag genau vor 75 Jahren, am 27. April 1945, wurde das Lager befreit. 100 von 15.000 Kindern wurden gerettet. Werner Drehmel war eines dieser befreiten Kinder. Er starb 2008 in den USA.
Ich finde, dass es gerade in diesen Tagen – erst recht und trotz Corona – wichtig ist, sich engagiert gegen rechts aufzustellen. Am 8. Mai 1945 wurde Deutschland vom Hitlerfaschismus befreit. Wir feiern in Gedenken an die Verfolgten, Toten und staatlich verordnete, antisemitische Hetze das Kriegsende. Stolpersteine sind wichtige Mahnmale, denn sie erinnern an die Menschen, die unsere Nachbarn waren.