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Holger Artus

Warum es zu einer Kundgebung am Meßberghof kam?

Eine Recherche über einen Stolperstein von Gertrud Seidl und Ernst Bauer aus Hamburg machte mich auf das Unternehmen Hugo Hartig in der Burchardstraße 1 aufmerksam, dass 1938/39 “arisiert” wurde. Über die Recherche zur Chemischen Fabrik Kleemann, in der ich Anfang der 1970er Jahre gearbeitet hatte, war ich über auf das Thema “Arisierung” gefallen. Bei mir im Wohnviertel hatte ich ebenfalls recherchiert und über Schicksal der Familie Bernhardt Heinemann die jetzigen Mieter/innen in der Weidenallee 38/40 informiert. Über weitere “Arisierungen” bin ich am zusammentragen und werde weitere kleine Geschichten aufschreiben. Es schmerzt, hier zu leben und darum nicht zu wissen.

Die Enteignung Hugo Hartig in der Burchardstraße 1 habe ich mir genauer angesehen. Beim lesen des Buches von Frank Bajohr über die “Arisierung in Hamburg” habe ich dann festgestellt, dass es insbesondere in der Innen- und Altstadt viele enteignete jüdische Unternehmen gab. Da ich auch immer noch zum Thema eines Zwangsarbeiterlagers in der Schule Schanzenstraße recherchiere (und auch was gefunden habe), ergab es sich, dass in Listen auch neue, bisher unbekannte Zwangsarbeiterlager im Kontorhausviertel entdeckt wurden. In der gefundenen Größenordnung hatte ich das bisher nicht gelesen.

Wie bei der Aktivität zur Deportation über die Schule Schanzenstraße sowie der Anbringung einer Erinnerungstafel am Bahnhof Sternschanze und der Kundgebung am 15. Juli 2019, der Kundgebung am Stolperstein von Zusammenhang mit einer Aktion am 9. November 2019 anlässlich der Nazi-Progrome am 9./10. November 1938 wollte ich irgendwie öffentlich Haltung einnehmen. Wir können das zugefügte Leid nicht wieder gutmachen, aber wir können daran erinnern und in dem wir etwas tun, auch etwas “zurückgeben”. So entstand die Idee einer Kundgebung am 27. Januar 2020 am Messberghof. Es war der 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, dem Gedenktag der Opfer der Nazis. Mit anderen Initiativen hatten wir zur Kundgebung aufgerufen und sie organisiert.

Ab Januar 2020 habe ich Flugblätter vor der U-Bahn und Unternehmen wie bei Mieter/innen in die Briefkästen gesteckt. Freunde von mir übernahmen die Information der Gewerbetreibenden im Kontorviertel, sorgten für eine Plakatierung und organisierten die technischen Fragen.

An der Kundgebung am 27. Januar 2020 nahmen über 100 Menschen teil. Viele kamen aus den Unternehmen wie einzelne im Ihrem Intranet auf die Kundgebung hingewiesen haben. Bereits beim verteilen war ich auf eine aufgeschlossene Stimmung gestoßen. In meiner Eröffnungsrede ging ich auf den konkreten Bezug zum Kontorhausviertel am Beispiel Martin Perlstein ein, dessen Unternehmen “arisiert” wurde und der im KZ Auschwitz ermordet wurde.

Es war nach der Kundgebung am 15. Juli 2019 mit 390 Teilnehmer/innen, dem 9. November 2019 in Kleinen Schäferkamp mit 150 jetzt die dritte Aktivität auf eine sehr kleine räumliche Erinnerungsaktivität ausgerichtet. Hier war es vor allem der Versuch, betriebliche Akteure/innen zu gewinnen. Das ist auf jeden Fall schwerer als der Bezug zu den Menschen im Stadtteil. Hier lebt man und sieht die Dingen im eigenen Umfeld und geht mit ihnen respektvoll um. Betrieblich, so mein Eindruck, fällt es den Menschen schwerer, eine moralische Haltung einzubringen.

In meiner Abmoderation auf der Kundgebung habe ich dann auch noch mal den Gedanken der Haltung zur Geschichte und zum “Zurückgeben” aufgegriffen. Das mit betrieblichen Blick auch weiterhin zu verfolgen, ist in meinen Augen eine Herausforderung. Am 3. Mai 2020 will ich versuchen, an die Befreiung des Zwangsarbeiterlagers in der Sternwollspinnerei in der Griegstraße 75 zu erinnern. Sicher im sehr kleinen Rahmen als zur ersten Erinnerungsaktivität am 11. Mai 2013.

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