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Holger Artus

Jetzt ist Schluss mit der MOPO

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Heute endet mein Arbeitsverhältnis mit der MOPO. Am 17. September 1985 begannt es, jetzt löst sich nach 34 Jahren auf. Begonnen habe ich in der Buchhaltung, meim Ausbildungsberuf ist der eines Kaufmann. „Gebucht“ habe ich in den Kreditoren, Debitoren oder im Hauptbuch. Mein damaliger Kollege arbeitet noch heute in der Buchhaltung unserer Zeitung und ich freue mich sehr, ihn bei meinen Besuchen in der MOPO zu sehen.

Mit einer Unterbrechung war ich seit 1986 bis 2017 im Betriebsrat und seit 1994 dessen Vorsitzender. Einmal, während der Zeit meines Elternurlaubs (1990) wurde ich nicht gewählt, was ich aber moralisch überlebt habe. Meinen ersten Streik habe ich 1989 in der MOPO organisiert, meinen letzten 2017. Bis auf die Tarifrunde der Redakteure/innen 2003/4 hat sich die Redaktion (und Verlagsbereich) immer an den zentralen Tarifrunden (oder regional) mit Warnstreiks beteiligt und ich glaube, dass klebte auch mit an meiner Person. Die betrieblichen Streiks gehen an die 15 in der MOPO.

Seit 1994 bis 2017 habe ich mich quasi freigestellt. Zu Beginn, um die Funktion des Gewerkschaftsvorsitzenden der IG Medien in Hamburg auch sinnvoll ausüben zu können. Sowenig mir die Rolle „Vorsitz“ jemals lag, ich wollte es nicht nur auf dem Papier sein. Zwei Jahrzehnte gab es um die quasi-Freistellung immer wieder heftige Auseinandersetzungen und Angriffe. In Erinnerung ist mir ein Streit mit der sechsköpfigen Chefredaktion und den Ressortleiter wie der Geschäftsführung, die im Powerplay auf mich einpeitschten. Doch wer Dr. Döpfner kannte, der wusste, dass er keine Kondition hatte und sein Vorgehen auf Versprechen beruhte, sich aber gerne auch dann den Problemen „entzog“. Der damalige Geschäftsführer, Dr. Bodo Almert, appellierte damals an die Runde sachlich zu bleiben und die Probleme zu lösen, nicht die Beziehungen zu vergiften.

Einmal wurde ich wegen meiner Betriebsratsarbeit (1992), der Teilnahme an einem Seminar der IG Medien, außerordentlich gekündigt. Ein weiteres Mal (1998) stand ich mit einem Bein vor der außerordentlichen Kündigung. Daraus wurde eine Abmahnung, der eine zweite folgte, gleich im Anschluss. Ich hatte eine Web-Seite des Betriebsrats 1997 ins Netz gestellt. Eine Intranet-Lösung gab es zum Zeitpunkt nicht. Ich wäre gekündigt worden, wäre da nicht der betriebliche Datenschutzbeauftragte von G+J, der seinen Job im Interesse des Datenschutzes sehr ernst nahm, aber mich auch vertraulich in Szene setzte. Dafür bin ich ihm ewig dankbar. Die zweite Abmahnung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang erhielt ich, da ich das Unternehmen G+J in einer gewerkschaftlichen Publikation als „Erbsenzähler“ bezeichnete. Meine erste Kündigung wurde mit dem Gütetermin zurückgezogen. Der Arbeitgeber hatte für seine Fehler Haltung gezeigt und ich habe dafür Respekt. Mein Weg in die außerordentliche Kündigung hat mich viel gelehrt. Wenn es bei uns Kündigungen in meiner BR-Verantwortung gab, war ich solidarisch mit den Betroffenen, habe sie nicht alleine gelassen und habe die Öffentlichkeit hergestellt. Nicht eine Sekunde habe ich die Betroffenen in der juristischen Begleitung alleine gelassen. Viele Schriftsätze stammen aus meiner Feder. Ich habe sie nie alleine dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz überlassen. Da ich es am eigenem Leben erlebt hatte, wie es in einem abläuft, war ich ihnen nahe. Im Ergebnis wurde keine außerordentlich verloren!

Mit meiner Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden 1994 war es die Absicht, für eine hohe Transparenz über unsere Arbeit zu sorgen. Es erschienen wöchentliche Aushänge über die Inhalte der Betriebsratssitzungen. Nach einiger Zeit war aber klar geworden, dass man Transparenz nicht mit einem Aushang schafft. Nötig war, die Vorgänge, um die es ging, zu erläutern. Seit 1998 erschienen regelmäßig die so genannten „BR-Infos“. Es waren in der Zeit an die 500. Es gab Perioden, in den wir wöchentlich erschienen.

Seit 1998 haben wir als Betriebsrat am Ende eines Kalenderjahres einen „Jahresrückblick“‚erstellt. Der letzte erschien 2017. Sie dokumentieren auch die Prozesse am Markt, die Konzernstrategie und die organisierte Gegenwehr, das Geschehen in der MOPO war der Spiegel. Über die Jahrzehnte geschrieben, sind sie auch ein Stück Unternehmensgeschichte, aber nicht aus Unternehmenssicht, sondern aus der von Arbeitnehmer/innen. Die Betriebsrats-Info beschäftigten sich immer mit aktuellen Themen, ihnen lag aber eine Einschätzung zu Grunde, wo die Unternehmensleitung hin will und um welche Grundprozesse es geht. Da Arbeitnehmer/innen gegen dieses Planungen nur reagieren können, beschreiben sie die Gegenwehr. Seit 2014 wurde der Versuch einer längerfristigen Formierung und Sammlung um eine eigene Strategie über einen längeren Zeitraum gestartet. Es war und ist ein widersprüchlicher Prozess, der unvollendet blieb, wohl auch, weil ich ausscheide. Aber mit der Theorie vom Umbau, statt Abbau in der MOPO gab es die Ideen, wie Arbeitnehmer/innen im Transformationsprozess eine gestaltende Kraft einnehmen können. In Mittelpunkt stand nicht, dass man betriebliche Regelungen abschließt, sondern wie Sichtweisen auf den Gattungswandel von Print in die virtuellen Raum ihren Eingang in die Veränderungsprozessen praktisch nehmen. Das ging (und) geht nur gegen die Interessen der anderen. Sich zu behaupten ist eine Herausforderung. Heute weiß ich mehr und was falsch angelegt war, wo Fehleinschätzungen von mir vorlagen.

Ich hatte das Glück, an der Herausbildung eines Euro-Betriebsrats bei Gruner+Jahr beteilig gewesen zu sein und dabei den damaligen IG Medien-Funktionär, Hermann Blanke, kennen gelernt zu haben. Er hatte sicher eine andere politische Haltung als ich, aber er war ein exzellenter Handwerker und hatte ein systematisches Vorgehen, von dem man viel lernen konnte. Ich genoss es. Er hatte eine Vision vom Charakter einer europäischen Arbeitnehmer/innen-Vertretung, die nicht eine Kopie des deutschen Modells zum Ziel hatte, sondern Arbeitnehmer/innen-Beteiligung wie deren Austausch. Von 1994 bis 1996 liefen die Verhandlungen bei G+J. Die Europäischen Unternehmen konnten bis dahin eigene Regelungen aushandeln, bevor es eine gesetzliche Regelung in Deutschland gab. Mein Ansatz war der Herausbildungsprozess. Seine spätere Bildung und Formierung ist im wenigstens ein institutioneller denn politischer Prozess. Es ging mehr um den Austausch der europäischen Interessenvertretungen. Die Idee, dass wir einen Sachverständigen „Topf“ bekommen und darüber die Teilnahme der Gewerkschaften finanzierten, war eine meiner Idee. Wie irritiert reagierte der damalige G+J-Vorstandsvorsitzende, als die Geschäftsführerin der Europäischen Druckergewerkschaft auf diesem Ticket an einer EBR-Sitzung teilnahm. Die Unternehmen wollten mit den freiwilligen Vereinbarung – vor einem deutschen Gesetz – die Gewerkschaften raushalten. Bei G+J funktionierte es damals nicht. Später kam auf diesem Ticket ein französischer Gewerkschaftssekretär aus Prisma Presse zur EBR-Sitzungen.

Im Anschluss an die Erfahrungen mit dem EBR von G+J konnte ich später eine mitinitierende Rolle bei anderen Medienunternehmen spielen. In dem Moment, wo Selbstdarsteller oder „Macht-Menschen“ glaubten, hier die entscheidende Rolle einzunehmen, aber keine Gemeinschaftsleistung sahen, zerlegen sich diese Dinge. Es war bis dahin eine tolle und begeisternde Arbeit, der ich mich widmen konnte, aber es gab nach fast zehn Jahren ein plötzliches Ende. In meinen Augen waren es kleinkarierte Interessenvertretungsstrukturen, mit denen eine gleichberechtigte, an Inhalten und globalen Zielen ausgerichtete Arbeit nicht möglich war. Die Gründung vieler EBR konnte nicht mehr umgesetzt werden, die Prozesse kamen zum Erliegen. Ich konnte mich den Themen und Kontakten widmen, da ich ein BR-Büro hatte, wo ich mit einem PC und Telefon ausgestattet, mir die Zeit nahm.

Ein besonderes Erlebnis in meiner Arbeit war der Prozess um diese Erinnerung an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Sternwollspinnerei-Spinnerei, dem Unternehmensstandort der MOPO von 1984 bis 2018. Am 3. Mai 2013 wurde eine Wandskulptur und Erinnerungstafel der Öffentlichkeit auf einer Kundgebung übergeben.

Meine erste Web-Erfahrungen hatte ich seit 1995, als ich html-Seiten für den Betriebsrat baute. Zu erst waren es Web-Seiten zu Konzern- und Eurobetriebsrats-Sitzungen. Später kam eine (zu)öffentliche für den Betriebsrat dazu, die wegen der dort aufgeführten Personen aus dem Unternehmen beinahe zu meiner Kündigung geführt hatten (1998). Die Web-Seite zum Streik in der Sächsischen Zeitung (1999), ihre Bewerbung um die Newsgroups habe ich im wesentlichen aus dem Betriebsratsbüro organisiert. Seit dem habe ich an die 100 Web-Seiten zu diversen Anlässen produziert. Rund 15 betreibe ich heute noch aktiv.

Die Arbeit in betriebsrätlichen Bezügen außerhalb der MOPO ergab sich in der Regel aus dem herrschenden Unternehmen, ob nun Gruner+Jahr, der Frank Otto Medien, Mecom oder jetzt zum Schluss der DuMont Mediengruppe. Wir wurden als Vertretung nicht gerade freundlich behandelt, wenn auch unter Freunden, aber in der Regel wollte man uns am Katzentisch sehen oder ausgrenzen. Damit konnten wir uns aber in diesen Bezügen leise bewegen, um verschiedene Bündnisse einzugehen. Dank der Überheblichkeit, Geringschätzung und auch den Versuchen der Ausgrenzung anderer Betriebsräte ergab sich die Notwendigkeit, begründet ein Vorgehen zu entwickeln, was mir über die Jahre aber nützliche Erfahrungen verschaffte. Meine Ideen und Initiativen führten zu verschiedenen Strukturen in einzelnen Gruppen, die bis heute bestehen.

Ich erlebte ich acht Gesellschafterwechsel und habe viele Geschäftsführer/in wie Chefredakteure/in der MOPO kennengelernt. Ich habe sie zum Schluss nicht mehr gezählt, aber es waren über 40. Die meisten von ihnen habe ich geschätzt, einzelne mag ich gerne und haben von ihnen eine hohe Meinung in ihrer Rolle. Als Betriebsratsvorsitzender habe ich mich auch immer wieder mit ihnen ausgetauscht, um den Ansatz einer neuen Unternehmensleitung bei uns in den laufenden Prozessen zu verstehen, sofern sie nicht mehr verantwortlich waren.

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