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Holger Artus

“Nicht vergessen” heißt auch, Stellung beziehen

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Entsetzen packte mich, als ich erfuhr, dass in meiner unmittelbaren Nachbarschaft eine Sammelstelle für die Deportationen von hunderte jüdischen Frauen, Männer und Kinder war, in der damaligen Volksschule Schanzenstraße 105. Meine Kinder habe ich dort zur Schule angemeldet, aber nicht die Erinnerungstafel am Schulgebäude wahrgenommen.

Wir kamen über die Altonaer Straße zur Anmeldung in das Schulgebäude. Aber da es zeitweilig Wahllokal war, hätte ich darüber stolpern müssen. Als ich dann noch begriff, dass sie Jüdinnen und Juden in sogenannten Judenhäuser im Vorfeld Zwangs eingewiesen wurden, bevor sie deportiert wurden und eines in meiner Wohnstraße war, blieb die Betroffenheit groß. Das sie mich gewissermaßen umgeben, ich es nicht gewusst habe, sagt etwas aus über die eigene Reflektion unserer Geschichte. Klar, man vergisst, was in Erinnerung bleibt, ist sind kulturelle Fragen und deren Verankerung. Schön, dass sich der Begriff der „Erinnerungskultur“ ergeben hat. Auch wenn nur moralisch, so will ich meinen Beitrag dazu leisten.

Es hat sich bei uns im Wohngebiet eine Nachbarschaftsinitiative herausgebildet, die eine Kundgebung am 15. Juli 2019 um 18 Uhr organisiert, um an die beiden Deportationen am 15. und 19. Juli 1942 zu erinnern. Dabei geht es aber auch um einen Bezug zu heute, gegen Antisemitismus, Rassismus, gegen rechte Hetze und gegen Rechts.

Zur Kundgebung haben wir uns auch auf einen Aufruf verständigt, für den wir über 50 Unterstützer/innen aus dem Viertel gewonnen haben. Der erste Text deckt sich nicht mehr mit dem heutigen, viele haben daran gearbeitet. Aber gerne möchte ich ihn auch auf meinem Blog nehmen. Zusätzlich habe ich eine Web-Seite unter der Adresse www.sternschanze1942.de initiiert. So etwas hatte ich auch zum Thema Zwangsarbeit in der Sternwoll-Spinnerei gemacht.

Hier der Aufruf zu unserer Kundgebung:

Am 15. und 19. Juli 1942 wurden 1.692 jüdische Frauen, Männer und Kinder  aus unserem Viertel ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Menschen mussten sich auf dem Hof der Schule Schanzenstraße einfinden.

Aus Hamburg und Norddeutschland wurden zwischen 1941 und 1945 insgesamt über 6000 Jüdinnen und Juden in 17 Zügen in verschiedene Ghettos oder direkt in die Vernichtungslager der Nazis transportiert.

An den Planungen waren unter anderem die Polizei, die Oberfinanzbehörde, das Wohnungs- und das Ernährungsamt, die Sonderdienststelle des Arbeitsamtes beteiligt. Die Polizei führte Jüdinnen und Juden zu den Sammelpunkten – für alle sichtbar.

Wir wollen an dieses schreckliche Geschehen erinnern und zu einer Kundgebung am Montag, den 15. Juli 2019 vor dem Sternschanzen-Bahnhof aufrufen und eine Gedenktafel dort anbringen.

Demokratische Verhältnisse leben von Respekt und Achtung gegenüber allen Menschen. Wozu Rassismus und Antisemitismus führen, zeigt die historische Erfahrung.  Die Deportation der Hamburger Jüdinnen und Juden erfolgte mit der Absicht, sie aus Hamburg zu vertreiben, sie zu vernichten.

Heute sind Rassismus und Antisemitismus weiterhin ein gesellschaftliches wie alltägliches Problem und es ist wieder salonfähig, gegen Menschen zu hetzen, sie als „anders” darzustellen und sich von ihnen abzugrenzen. Verunglimpfung und körperliche Gewalt bis hin zur Vernichtung physischer Existenzen können und wollen wir nicht zulassen.

Wir wollen mit der Kundgebung auch zeigen, dass wir uns gegen Nazis, rechte Formierungen und deren Ideologie der Ungleichwertigkeit stellen.  

Wir rufen zu der Kundgebung am 15. Juli auf, um an die Deportation aus dem Jahr 1942 zu erinnern und gleichzeitig lautstark zu verkünden: Wir stellen uns gegen jegliche Form der Diskriminierung und Hetze gegen Menschen aufgrund von Religion, demokratische Überzeugung, Herkunft, körperlichen Merkmalen,  Geschlechteridentitäten oder ihrer sexuellen Orientierung.

Hamburg, im Juni 2019

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