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Holger Artus

Wahlergebnis sollte auch bei der LINKEN zu Veränderungen führen

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Die Wahlen zu den Bezirkswahlen 2019 in Hamburg endeten mit erheblichen Einschnitten für die Hamburger SPD. Mit 24,0 Prozent im Durchschnitt der sieben Bezirke wurde die SPD nur zweitstärkste Partei. 2014 stimmten noch 35,2 Prozent für sie. Die Grünen wurden mit 31,3 in Hamburg erstmals stärkste Partei (2014 18,2 Prozent). Vier von sieben Bezirksversammlungen sehen sie vorne. Auch wenn die Bezirksversammlungen nicht wirklich parlamentarische Gremien sind, der Umfrage-Trend der letzten Monaten setzte sich im Ergebnis fort: SPD und Grüne bewegen sich zusammen auf annähernd gleicher Höhe, nur kommt es zur Verschiebung von SPD auf Grüne als führende Kraft. Im Februar 2020 sind die Wahlen zur Bürgerschaft. Würde der Trend halten, gebe es in Hamburg im kommenden Jahr eine grüne Bürgermeisterin. Die SPD würde voraussichtlich Juniorpartner werden.

Die CDU hat ähnlich wie die SPD erhebliche Stimmen eingebüßt und liegt unter der 20 Prozent-Marke, sie erreichte 18,2 Prozent (2014 24,8 Prozent). Auch wenn sie zu den Bürgerschaftswahlen 2020 voraussichtlich mit Markus Weinberg antreten wird, der eher zu den liberalen Kräften in der CDU gehört, dürfte ihr eine Trendwende nur schwer fallen, denn gegen eine grüne Bürgermeisterkandidatin zu polemisieren, wird in Hamburg keinen mehr erschrecken. Die von der CDU identifizierten Themen innere Sicherheit, Schule und Verkehr werden im Senat von der SPD geführt. Bei der inneren Sicherheit lässt die SPD nichts anbrennen. Für 2019 werden die Haushaltsausgaben für Schule und Verkehr im Hamburger Doppelhaushalt 2019/2020 um sieben Prozent massiv erhöht. Der bürgerlichen Opposition will die SPD die Basis für Ihre Wahlkampfstrategie entziehen und den Grünen hat es, wie die Ergebnisse zu den Bezirkswahlen zeigen, nicht geschadet. Auch werden die üblichen CDU/FDP-Standards von Filz&Co. bei den Grünen nicht greifen, dafür waren sie bisher eine 15-Prozent-Partei.

Die Mehrheiten in vier Bezirken werden die Grünen für ihre Strategie bis zu den Bürgerschaftswahlen in Hamburg mobilisieren. In Hamburg-Nord ist die Stellung der Bezirksamtsleitung vakant. Kostenlose Einlasskarten zu einem Stones-Konzert 2017 für Amtsleiter und kommunale Politiker hat die SPD-Verantwortlichen aus dem Amt getrieben. Auch wenn am Ende der Senat über die Bezirksamtsleiter entscheidet, die SPD wird sich hier nicht in den Konflikt mit den Grünen bewegen in der Bezirksversammlung. In Hamburg-Altona steht ebenfalls eine Neubesetzung an. In den beiden anderen Bezirken, wo die Grünen die stärkste Fraktion sind, gibt es sozialdemokratische Amtsleiter, über deren Fortführung frühestens in zwei Jahren entschieden werden dürfte. Vorher sind die Bürgerschaftswahlen und von dort aus werden dann die Messen für diese Funktionen gesungen.

Die SPD hatte sich im Vorfeld der Wahlen am Beispiel des von ihnen verantworteten Wohnungsbauprogramms in der Öffentlichkeit neu positioniert und war gegen zu „krasse“ Auswüchse im Verhalten von Grundeigentümer in puncto Leerstand vorgegangen. Es kam zu Androhungen und Enteignungen nach dem Gesetz. Auch wurde verschiedentlich betont, dass der soziale Wohnungsbau verstärkt betrieben werden muss, dass sein 30 Prozentanteil nicht reiche. Das aufgreifen von Themen der Linken hat der SPD aber keine Stimmen gebracht.

Das die Stimmen für die SPD in Hamburg, je nach Wahlen, noch weiter in den Keller gehen können, zeigten die am gleichen Tag durchgeführten Wahlen zum EU-Parlament. Hier stürzte die SPD in Hamburg auf 19,8 Prozent. 2014 waren es noch 33,8 Prozent. Die Grünen erreichten 31,2 Prozent (2014 17,2 Prozent).

Die SPD hatte sich für die Bezirkswahlen 2019 das Ziel 30 Prozent gesetzt und wollte die Mehrheiten in allen sieben Bezirken halten. Das hat man völlig verfehlt und ist mit der Situation konfrontiert, erneut ihre Stellung als stärkste Partei nach nur zehn Jahren, wieder zu verlieren.

Die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen Grün und SPD spricht dafür, dass es keine Stimmung gibt, eine völlig andere Regierung zu wählen, wohl aber die Schwerpunkte der Politik neu zusetzen. SPD-Bürgermeister Tschentscher hatte die Wahlkampfphase auch dafür genutzt, ihre für die Unternehmenfreundliche Politik in Treffen mit der Hamburger Wirtschaft zu betonen. Das hat wiederholt zu Konflikten im Senat geführt, da sich die Grünen an der umweltgerechte Ausrichtung dieser Strategie nicht ausreichend beteiligt wurden. Vor dem Hintergrund, dass das Bruttoinlandsprodukt in Hamburg 2018 positiv verlief und über dem Bundesdurchschnitt lag, ist eine Betonung einer unternehmenrsfreundlichen Wirtschaftspolitik nicht zwingend eine erforderliche Strategie der SPD in der Außendarstellung..

Von den Themen ist die Positionierung der Grünen bis zur Bürgerschaftswahl 2020 für die außerparlamentarischen Bewegung und in der Zivilgesellschaft interessant, auch wenn es mit ihnen nicht zu einer Wende in der Politik kommt. Die Schuldenbremse wird von den Grünen vertreten. Sie kann nur mit einer ⅔ Mehrheit in der Bürgerschaft aus der Hamburger Verfassung gestrichen werden. Das dürfte aus heutiger Sicht unrealistisch sein. Bei der Verteilung der Töpfe würde auch eine grüngeführte Landesregierung den einem Geld nehmen und den anderen nehmen müssen. Die soziale Spaltung in der Stadt hat nichts ursächlich mit dem Senat zu tun, aber was für eine regionale Politik verfolgt wird, die eingreift und in welchen Feldern, das sollte man mit Blick auf die Formierung der Gegenkräfte nicht achtlos liegen gelassen werden. Im Bereich des Wohnungsneubaus bedeutet die heutige Ausrichtung, dass ⅓ sozialer Wohnungsbaus sein müsse, dass der faktische Bestand an Sozialwohnungen weiter rückläufig sein wird, da es eine größere Anzahl aus der Sozialbindung herausfallen. Hier bedarf es einer Kurskorrektur. Wie man auf die Höhe der Mieten Einfluss nimmt, was unter bezahlbarer Wohnraum verstanden wird, da gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Grünen und der SPD.

Wenn die SPD in Hamburg an ihrer Politik festhält, wie sie die Linie zu den Bezirkswahlen war, dann wird sie nicht aus der Junior-Rolle herauskommen. Das hängt sicher aber auch noch von dem Fortgang der Großen Koalition ab. „Gutes regieren“‘ greift nicht mehr als Mehrheitsbringer. Als Bild für einen abgewirtschafteten CDU-Senats und eines Investitionsprogramms für Hamburg reichte es für die SPD 2011 und folgende Jahre. Im Zusammenhang mit der aktuellen SPD-Führungskrise erklärte Olaf Scholz: Es war von ihnen ein „Fehler, in der vergangenen Legislaturperiode zu glauben, dass wir mit gutem Regieren alleine durchkommen. Wir mussten einsehen: Es reicht nicht.«

Die AfD ist in allen sieben Bezirksversammlungen vertreten, aber nicht überall in Fraktionsstärke. Ihre 6,3 Prozent sehen sie auf dem Niveau der Bürgerschaftswahlen 2015. In den Stadtteilen, wo es eine so genannte Flüchtlingsproblematik in der Form

gibt, dass hier größere Menschen-Gruppen leben, erreichten sie an die zehn Prozent. Aber ihre Hetz-Strategie der Wählermobilisierung hat für Hamburg nicht gegriffen, andere Themen war mehr in der Öffentlichkeit, wie die große Demonstration „frydays for future“ zwei Tage vor den Wahlen symbolisiert hat. Fragen eines besseren Lebens wie die Klimapolitik waren die öffentlichen Thema.

Die LINKEN bewegen sich auf dem Niveau der Umfragen, sind aber unter dem Ergebnis der Bundestagswahlen 2017 (12,2 Prozent) und kommen im Durchschnitt auf 10,7 Prozent (2014 10,2 Prozent). Das ist im Verhältnis zu den letzten Bezirkswahlen 2014 ein kleines Plus von 0,5 Prozent. Gewissermaßen kann sie mit ihrer plakativen Politik keine weiteren Wählerschichten erreichen. Ihre Kernfrage ist und bleibt, wie man die politische Prozesse vernetzt und in reale politischen Bewegungen treibt. Allein Parlamentsstimme zu sein, reicht dafür nicht aus. Bezogen auf die absoluten Stimmen hat die Linke aber stimmenmäßig zu 2014 zugelegt, wie auch bei den EU-Wahlen.

In Eimsbüttel sind die Grünen erwartungsgemäß mit 35,5 Prozent stärkste Kraft vor der SPD (24.4 Prozent), der Linken (11,5) und der FDP (6,6) geworden. Fünf von acht Wahlkreisen gingen an die Grünen, drei konnte sich die SPD noch einmal „erwählen“. Mit den 11,4 Prozent liegt die Linke auf erfreulichem Niveau, aber deutlich unter dem der Bundestagswahl 2017 (12,4 Prozent). Praktische Politik, die irgendwas bewirkt, steht bei den Linken in Eimsbüttel nicht dahinter, aber sie versteht sich als Opposition, die die Schwächen in der schön gezeichneten Senatspolitik aufspießt. Im Zuwachs kommt die Sympathie für Links in Eimsbüttel zum Ausdruck und verdeutlicht das Potenzial. Der Wahlerfolg der Grünen als jetzt stärkste Fraktion stellt auch für die Linke eine grundlegende Herausforderung dar und verlangt m.E. einer strategischen Neupositionierung bzw. Haltung, Die AfD hat in Eidelstedt mit 9,8 Prozent ihr höchstens Ergebnis in Eimsbüttel erreicht, hier wurde auch schwerpunktmäßig gegen Geflüchtete gehetzt.

Ich habe mich nach drei Monaten des Erlebens der Linken in Eimsbüttel Ende Februar 2019 aus dem Wahlkampf zurückgezogen, da man mit den Akteuren auf Fraktionsebene und Bezirk in Eimsbüttel nichts bewirken kann. Es war meine unangenehmste politische Erfahrung in meinem ganzen Aktivisten-Leben im linken Spektrum gewesen.

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