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Holger Artus

Nur noch tapfer durchhalten

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Bis zum 26. Mai 2019, dem Tag der Bezirkswahlen in Hamburg (Eimsbüttel), muss ich noch tapfer den Kandidaten-Status für die Linken in Eimsbüttel durchhalten. Wohl ist mir dabei nicht, aber keiner hat mich zur Kandidatur gedrängt. Hätte ich gewusst, auf was für einen politischen Wirrsinn ich stoße, nie wäre die Idee entstanden, zu kandidieren oder die Linke in Eimsbüttel zu unterstützen. Ganz unkommentiert will ich es aber nicht lassen und auch nicht erst nach dem 26. Mai 2019. Das ich vorher meine Meinung gesagt hatte, versteht sich.

Es war ein großer Fehler, den ich politisch bedauere. Es ist in meinen Augen eine Schande, was politische Menschen in der Linken (in Eimsbüttel) aus dem Engagement linker Kräfte in den vergangenen Jahrzehnten in Hamburg gemacht haben. Unsere Erfahrungen in der Kommunalpolitik werden komplett ignoriert. Seit über 45 Jahren bin ich politisch aktiv und übernehme Verantwortung. Was ich in nur drei Monaten „Kandidat“ erlebt habe, dass ist die schlimmste politische Erfahrung in meinen Leben. Mir begegnete ein Umfeld, das man von misstrauisch bis feindlich umschreiben könnte. Aber selbst wenn ich das „wie“ nur falsch reflektiere, es war eine unkreative, unpolitische und keine Atmosphäre der Offenheit. Der Gedanke, etwas zu gestalten, Spaß an Prozessen zu bekommen, daneben zu liegen und es falsch zu machen, treibt die Bereitschaft, sich im Zusammenspiel zu entwickeln. Das ist hier aber aus strukturellen Gründen nicht möglich. Ein Verbündeten oder Gleichgesinnter war ich nicht für sie (worüber ich jetzt zufrieden bin). Das wäre nachempfindbar, wenn man sich nicht kennt und auch sonst nicht gleiche Haltungen teilt. Aber hier kennen wir uns in Teilen über Jahrzehnte und hatten dabei nie Konflikten, so dass aus „dieser Zeit“ auch nicht nachwirkte. Wo man sich nicht kannte, waren es sehr nette Menschen, die was verändern wollten.

Es geht nicht um die Programmatik der Linken, ihrem gesellschaftlichen Bemühen, sich für eine andere Politik stark zu machen und sich mit anderen zu engagieren. Es ging in erster Linie um das, was da die Linke Eimsbüttel ist, die mich zu dieser negativen Bewertung brachte. Zwar stehe ich mittlerweile auch auf dem Standpunkt, dass es nicht nur um eine „Regionalität“ (Bezirk) geht, aber dafür waren drei Monate nicht wirklich beweisführend – und es war nicht der Zweck meiner Kandidatur, ich wollte wieder in die Kommunalpolitik einsteigen.

Das Wirken der Linken in Eimsbüttel hat mit Politik, linker Politik oder gar sozialistischen Vorstellungen nichts zu tun. Das Wahlprogramm der Linken für Eimsbüttel ist nur peinlich. Weder hat es ernsthaft etwas mit Eimsbüttel zu tun, noch mit einer linken Strategie für Eimsbüttel, die irgendein Ziel verfolgt. Noch gibt es ein seriöses Angebot für die eigenen Wähler/innen, dass man angehen will oder ist ein Angebot für die eigene Mitgliedschaft. Das Wahlprogramm ist auch noch schlecht von den eigenen Landesparteitagsbeschlüssen abgeschrieben: Es sind „Forderungen“ aufgeführt, die in Eimsbüttel umgesetzt sind. Bezeichnend war bei der Versammlung über die Beschlussfassung des Wahlprogramms, dass keine inhaltliche Debatte gewollt war, sondern nur noch über vorliegenden Anträge zum Entwurf. Erst dachte ich, es hat diese Debatte im Vorfeld gegeben und meine Gedanken dazu würden nur den Nachmittag verlängern, wenn ich nach dem Charakter des Wahlprogramms frage und ob man nicht ausgehend von Hamburger Forderungen die für Eimsbüttel stellen sollte. Es ging aber nur um den Beschluss eines Stück Papiers. Wahlprogramme sind nicht besonders prickelnd, mehr ein „must have“. Da ich „neu“ in dieser Runde war, dachte ich, über die praktische Stoßrichtung wird später irgendwo gesprochen, egal, was für ein Blödsinn man beschlossen hatte. Doch auch das fand nicht statt. Das „Programm“ stand, jetzt ging es um die „Bewerbung“, nicht um dessen Umsetzung. Mitgliederversammlungen wurden zu „Wahlversammlungen“, wo es nicht mehr um die Anlage der Wahlkampfausrichtung ging, was man wie mit wem machen will etc. Wahlversammlungen, dass waren vereinfachte Darstellungen von Themen. Selbst bei „neuen“ Themen im Wahlkampf, also nicht im Wahlprogramm aufgeführt, wollte man keine Debatte, wie man vorgeht. Das schlimmste aber war, dass man sich nicht in den Dialog, das Gesprächsangebot mit den Menschen begab, um so deren Anliegen, Überlegungen und linke Programmatik wie Alltagsforderungen in eine Nähe zu bringen, um aus den Erkenntnissen und Bewegungen Gestaltungskraft zu gewinnen. Alles ist plakativ, besserwisserisch und belehrend gemeint. Hier und da ist auch immer der Gral Teil der Argumentation.

Die Kernthemen in der öffentlichen Auseinandersetzung, auch aus linker Herangehens- und Sichtweise, werden von SPD und Grünen im Bezirk Eimsbüttel belegt, ohne das die Linke sich einmischt und organisierend wie formierend wirkt. Sicher spricht man mit den öffentlichen „Veranstaltungsangeboten“ die Themen an, aber eben nicht im Bereich der Politik, die etwas mit menschlichem handeln zu tun hat. Es geht ums plakative, nicht um das sich einmischen. Ich verstehe, dass wenn man „Anti“ brüllt, dass auch schon als Politik verstanden werden kann. Aber das ist nicht mein Verständnis, wenigstens dann nicht, wenn man nichts darum organisiert, angeht oder bezweckt (weil man sich was überlegt hatte). Propaganda ist sicher ein wichtiger Teil der Arbeit einer politischen Partei und hat ihre Berechtigung im Gesamtkontext. Das ist mein Maßstab. Bei den Linken in Eimsbüttel unterstelle ich, dass das nicht „deren“ Vorstellung entsprechen dürfte.

Der Umgang mit den politischen Wettbewerbern fand nach meiner Wahrnehmung nur auf der parlamentarischen Ebene statt, das Niveau will ich einmal übersehen. Als politische Partei, die in den Stadtteilen Eimsbüttel einige hundert Mitglieder hat, gab es keine ernsthaften Bemühungen, hier einen Wettbewerb und eine Auseinandersetzung in der Praxis zu führen. Insofern nahm ich in den drei Monaten nur ein unqualifiziertes Bashing gegen SPD und Grünen wahr, ohne das man einen Plan hatte, was man verfolgt oder in konkreten Bewegungen erreichen will. Das die Grünen z. B. für Eimsbüttel ein Wahlprogramm haben, wurde einfach ignoriert oder man machte sich darüber lustig. Da kann nur Senatspolitik drin stehen, so meine Vermutung, die man ruhig ignorieren könne. Man hat ja sein Mantra der Kritik. Das hier interessante Dinge stehen, wo man in den Diskurs treten könnte, die man treiben könnte – nie im Leben. Den SPD-Landesparteitag Ende 2018 zur Wahlkampfstrategie zu den Bezirkswahlen 2019 bis hin zur Bürgerschaftswahl 2020 hat man nicht zur Kenntnis genommen oder sein eigenes Vorgehen überprüft bzw. neu ausgerichtet.

Apropos Diskurs: Auch das gehört zu den grundlegenden Entwicklungen unserer Zeit, dass stimmungstechnisch die Rechten gestärkt aus den aktuellen Auseinandersetzungen heraus kommen werden. Diese Entwicklung sollte m.E. auch in einer Positionierung im eigenen Wahlkampf gegenüber SPD und Grünen in Eimsbüttel berücksichtigt werden. Gerade außerhalb des Parlaments, in den Stadtteilen, wo es um konkrete Anliegen konkreter Menschen geht, muss und kann man den Diskurs mit der SPD und den Grünen führen. Die einen sind in der Krise, die anderem im Hoch, aber in den Forderungen links von der SPD. Der Gedanke, dass zum 26. Mai 2019 in Eimsbüttel die Grünen die stärkste parlamentarische Kraft werden könnten, sollte bei den Linken wenigsten dazu führen, Schlussfolgerungen zu diskutieren, was es für die Anlage des Wahlkampfes bedeutet und wie man nach dem 26. Mai 2019 agiert. Die AfD wird gestärkt in die Bezirksversammlung einziehen, vom Wahlergebnis zum Europa-Parlament einmal abgesehen. Vor allem werden sie ihren Einfluss in Europa nutzen, um ihren Einfluss in der Gesellschaft auszubauen. Diese Grundentwicklung hätte man m.E. berücksichtigen müssen. Es geht um die Verteidigung der demokratischen und sozialen Inhalte der Nachkriegsordnung.

„Hau drauf„, das ist m.E. die Zusammenfassung, um was es der Linken in Eimsbüttel geht. Ein politischer Dialog mit Wettbewerbern auf Ebene der Stadtteile ist nicht gewollt, da man keine eigene Ziele in der Selbstorganisation, der Formierung von Gegenwehr und deren Akteuren/innen oder der Einflussnahme hat. Es gibt weder eine politische Strategie für den Wahlkampf noch gab es eine Klärung, was man erreichen wollte. Das Wesen ist, sich selber als die linke politische Instanz darzustellen und unangreifbar erscheinen, die weder einen Diskurs will und dabei die Wettbewerber diffamiert.

Die Instrumentaliserung von politischen Losungen drückte sich darin aus, dass man eher Öko-Partei ist als eine politische Kraft ist, die den Alltag mit den künftigen Fragen und gesellschaftlichen Lösungsangeboten verbindet. Es gab und gibt keinen Grundkonsens, was man gestaltend verändern will und was sich ändern müsste etc. Unter der Flagge „Stop den Grünfras“ oder „Tempo 30“ wurde gebasht und auf „Anti“ gesetzt. Kriterienlos wurde die Phrase vom Grünfras verwendet, ohne auch nur für eine Sekunde einen Ansatz von Konzept zu bieten. Schnell war man beim „Grünfrass“ bei jenen politischen Kräften, die den Stammtisch bedienen und z. B. den Wohnungsneubau in Eidelstedt ablehnen. Wegen der „Grünvernichtung“ , aber die Flüchtlinge meinte, für die angeblich Wohnungen gebaut werden sollten. In Schleswig-Holstein, einige Meter weiter, könne man eher bauen, hier sei es nicht so verdichtet wie im Eimsbüttel. Für Teile der Linksfraktion war die Wohnungsfrage keine soziale, sondern eine von „bösen Sozies“, die Flächen bebauen und Grün vernichten.

Die Fraktion hat nicht nur ein Eigenleben, sie hat überhaupt kein Interesse, sich abzustimmen, einen roten Faden zu verfolgen und sich politisch mit den eigenen Strukturen, vor allem aber in den Themen in ihren und anderen Strukturen zu verständigen. Zugegeben, nach drei Monaten das zu sagen, ist anmaßend. Aber in allen Fragen, die ich konkret angegangen bin, war das Prinzip: wir sind als Fraktion nicht der Adressat von Aktivitäten in der Politik in Form der Verbindung der außerparlamentarischen Opposition mit einer „parlamentarischen“ Vorgehensweise. Wenn es um parlamentarische Bezüge gingen, dann auf jeden Fall nicht mit „Dir“, dafür haben wir keine Zeit.

Die Ablehnung von Social Media im Wahlkampf als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit und der Beziehungen war das verbindende Glied der Linken im Eimsbüttel gegen jede Überlegung in der Anlage von Planungen oder Vorgehen. Für sie ist das Netz eher eine Teufel, der manipuliert. Einige Woche habe ich im Zuschauerraum der Bezirksversammlung gesessen und der Fraktion Vorschläge zur Berichterstattung vor, während und nach den Sitzungen gemacht. Das Wesen, sie befassen sich nicht damit, da es nicht ihr Ding ist, zu informieren, Widerspruch zu erhalten, zu kommunizieren und auch noch eine Linie zu verfolgen. Verfolgt man die Web-Veröffentlichungen des Bezirks oder der Fraktion der Linken in Eimsbüttel, dann sind die Seiten zum fremdschämen. Es geht den Linken nicht um Kommunikation, um Austausch und Beziehungen mit den Menschen in den Stadtteilen, es geht um die Darstellung ihrer phrasiologischen Lösungen, die einen Dialog ausschließen.

Auf einer kleinen Feier zum Jahresausklang 2018 wurde in einem Redebeitrag das ganze Dilemma der Fraktion und damit auch der Mitgliederorganisation deutlich: Man greife die Fragen auf, die die „großen Parteien“ liegen lassen. Es werden eben nur Randthemen eigenständig verfolgt, aus den zentralen Fragen hatte man sich verabschiedet, vermutlich weil man sich nicht traut, sich der Debatte mit SPD und Grünen zu stellen. In der Frage „Tempo 30“ war man z. B. parlamentarisch in dem Sinne aktiv, dass man das Thema verfolgte, aber nur zur Selbstbefriedigung. Das twittern von Fahrrad-Leichen war kaum noch zu toppen, wie man eingeengt in dieser Frage wirkt(e). Das hier der Wirrsinn besonders groß war, möchte ich allerdings nicht der Linken als politischen Partei vorhalten.

Ich habe verschiedene Episoden am Rande erlebt, die mich erschauen ließen, insbesondere der Umgang mit dem historischen Erbe in Kerngebiet von Eimsbüttel und deren eigene Haltung dazu. Ich habe unterstellt, das unser politisches Erbe, das Verhältnis zum Antifaschismus, eine moralische und praktische Frage linker Politik ist. Das sich die Fraktion zu großen öffentlichen Ereignissen im Viertel nicht positionierte, wie die Umbenennung des Sportplatz von Gustav Falke auf „Walter Wächter Platz“, nicht präsent war und auf Einladungen nicht reagierte – für mich ein „No Go“.

Auch die Frage der eigenen Formierung als Organisation wurde nicht verfolgt bzw. hintertrieben. Statt den Wahlkampf zu nutzen, um eigene Gliederungen zu reorganisieren, wurde abgelehnt. Selbst das Anschreiben der eigenen Mitglieder im Wahlkreis/Stadtteil bedurfte angeblich einer Entscheidung des Bezirksvorstandes, der alle vier Wochen tagt. Natürlich kam es auch nicht dazu. Nicht einmal die eigenen Mitglieder wurden im Wahlkampf informiert.

Natürlich hoffe ich, dass die Linke zu den Wahlen mehr Stimmen als 2014, den letzten Bezirksversammlungen, bekommt und ihre Ergebnisse im Bezirk Eimsbüttel zu den letzten Bundestagswahlen 2017 überschreiten wird. Für die allgemeine Formierung, für die kommenden Bürgerschaftswahlen 2020 in Hamburg und für die politische Moral wäre das politisch gut. Aber für die LINKE Eimsbüttel als praktische Struktur, so wie sie heute ist und agiert, sehe ich keine Zukunft.

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