Für die tarifgebundenen Arbeiter in der Druckindustrie gab es am 2. Mai 2019 ein Verhandlungsergebnis. Der Lohnabschluss läuft über 36 Monate und sieht eine Erhöhung in drei Etappen vor: Ab dem 1. Mai 2019 2,4 Prozent, ab 1. Juni 2020 2,0 Prozent und ab 1. Juni 2021 noch einmal 2,0 Prozent. Im Rahmen der Laufzeit des Lohntarifvertrages wird über eine Veränderung des Manteltarifvertrages verhandelt. “Die Verhandlungen finden ergebnisoffen statt. Für den Fall, dass es zu keiner Verständigung über eine Neuregelung kommt, ist die Nachwirkung des MTV ab dem 1. Mai 2021 auf jeden Fall sichergestellt”, erklärte ver.di zum Verhandlungsergebnis.
Die Laufzeit des Lohnabschlusses steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Wirksamkeit des MTV. Das ist der Grund für die 36 Monate Laufzeit. Üblich sind Lohnabschlüsse über 12 Monate, um möglichst jährlich in der Verteilungsfrage eingreifen zu können. Manteltarifverträge haben im Gegenzug meistens lange Laufzeiten. Es sind immer auch grundlegende Auseinandersetzungen (z.B. 35-Stunden-Woche), die die Unternehmer nicht jedes Jahr haben wollen und die Gewerkschaftsbewegung will in dieser Frage Sicherheit für ihre Mitglieder. Über die vergangenen Jahre haben sich längere Abschlüsse über zwei Jahre in den nichtindustriellen Bereichen etabliert. Aber im Zusammenhang mit MTV-Auseinandersetzungen kommt es vermehrt zu längeren Laufzeiten, was nicht Ausdruck von Durchsetzungsstärke ist.
Am 22. November 2018 hatte ver.di die zentralen Verhandlungen für die Druckindustrie nach der sechsten Runde abgebrochen und versucht, in regionalen Runden einen Abschluss zu erzielen. Da ver.di flächendeckend keine Streikkraft hat, war man übereingekommen, in drei Tarifbezirken mit regionalen Streiks die Spannungen bei den Arbeitgebern zu erhöhen, so dass es zu einem Abschluss kommt. Wie nicht anders zu erwarten, waren die Arbeitgeber in den drei Bundesländern nicht bereit, mit ver.di zu verhandeln. Nennenswerte Streiks gab es nur in Bayern und in BaWü. In NRW waren es nur wenige Betriebe, die vereinzelt an Aktionen teilgenommen haben. In NRW, dem Bundesland mit den meisten Arbeitgebern im regionalen Verband der Druckindustrie, gab es nur vereinzelte Aktionen und dann hatten sie auch noch einen betrieblichen Hintergrund.
Jetzt hat man am 9. April und 2. Mai 2019 wieder zentral verhandelt, damit ver.di am Ende nicht komplett das Gesicht in den Belegschaften verliert und es zu einem Tarifabschluss kommt. Die Unternehmer wollten aber auch raus aus den betrieblichen Aktionen der Arbeiter. In den Streikbetrieben von ver.di herrscht durchaus eine radikalisierte Stimmung.
Der jetzige Druckabschluss ist nicht der erste mit einer längeren Laufzeit beim Lohn, da man keine längerfristige Wirksamkeit des Manteltarifvertrages mehr durchsetzen konnte. Historisch kommt in ihm aber die anhaltende Schwäche von ver.di in der Druckindustrie zum Ausdruck. Die Transformation der Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Werbeprospekte etc.) stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Gewerkschaft dar, von der Frage der Verteilungsauseinandersetzung einmal abgesehen. Die Schließung von Druckereien und die Übernahme der Aufträge durch andere, tariflose, Druckunternehmen sind seit Jahren ein üblicher Vorgang. Gerade aktuell hat eines der größten Zeitschriftendruckunternehmen der Welt (Circle Media Group) in den Niederlanden Insolvenz angemeldet und verkaufte Geschäftsaktivitäten wie im April 2019 das (Buch)Druckunternehmen CPI an einen Finanzinvestor. Prinovis, ein Bertelsmann-Unternehmen, will in Deutschland seinen Druckstandort in Nürnberg schließen. Die Funke Mediengruppe will ihre Zeitungsdruckerei in Essen schließen. Weitere Schließungen von Zeitungsdruckereien großer Medienunternehmen in Deutschland werden gehandelt.
ver.di sieht in der Schließung von Druckereien leider immer wieder böse Absichten der Unternehmer, die auch im Rahmen von Marktbereinigungen stattfinden, und verordnet sie im Bereich der „Insolvenz-Trickserei“, so die Außendarstellung. Der Transformationsprozess der Gattung der gedruckten Medien wird eher ausgeblendet. Zu Recht führt man einen notwendigen Abwehrkampf in den Unternehmen, die in ihrer Existenz bedroht sind. Wo die Kraft dazu besteht (Pronovis Itzehoe oder LVZ-Druckerei), tritt man in Form von Sozialtarifverhandlungen auf und kämpft um einen ehrbaren Abgang. Intern wird in ver.di mit Blick auf die Druckindustrie aber klar kommuniziert, dass dieser Industriezweig untergeht. Es gibt keinerlei ernsthafte Überlegungen, wie man sich neu formiert. Da ver.di in der Medienwirtschaft lediglich in der Druckindustrie einen nennenswerten Organisationsgrad in Teilbereichen hat, aber nicht in den Verlagen und Redaktionen, wo er unter 5 Prozent liegt, hätte so ein Agieren Folgen für den gesamten Wirtschaftszweig mit seinen rund 200.000 Beschäftigten. Ohne eine grundlegende Neuformierung in den Industriebetrieben (1.100 Unternehmen) der Druckindustrie wird die Tarifbindung und die Streikkraft von ver.di weiter abnehmen. Das ist kein einfacher Weg, weil man nicht einfach Errungenschaften von Tarifabschlüssen abgeben kann, da man dann die streikfähigen Belegschaften verliert.
Die journalistische Sparte in ver.di, deutsche journalisten/innen union (dju), hatte in der Druckrunde 2018 darauf gesetzt, dass sie sich bei ihrer offenen Runde in den Tageszeitungsredaktionen an den Warnstreiks in Bayern und BaWü in der Druckindustrie beteiligt. Man wollte in diesen beiden Bundesländern einen besseren Abschluss erzielen als der DJV. Eine berufsständische Gewerkschaft der Journalisten hat es für alle Zeitungsredaktionen, zuerst im Verbund mit ver.di, ausgehandelt. Formal gab es für die in ver.di organisierten Journalisten/innen keine Erhöhung seit 2017. Faktisch übernehmen die Verlage aber einfach den DJV-Abschluss für alle. Angesichts der aktuellen Abschlusshöhe für die Drucker lag der DJV-Abschluss für die Journaliasten/innen gerade einmal 0,1 Prozent darunter, wenn man den Zeitraum von 24 Monaten vergleicht.
Eine insgesamt sehr schwere Lage für ver.di in den Tarifbereichen Druck, Verlage und Redaktionen. Mit den beiden Abschlüssen (Lohn und MTV) hat man Zeit gewonnen, eine einheitliche Strategie zu entwickeln. Vieles spricht dagegen, dass es so ein Vorgehen geben dürfte. Bei einer Kündigung des MTV durch die Unternehmen dürfte es in Zukunft keinen MTV mehr geben, juristisch wirkt er sowieso nach. Mit den aktuellen Zusammenschlüssen verschiedener Fachbereiche in ver.di, u.a. Medien, Ent- und Versorgung sowie Telekom, wird man seine Ausrichtung auf den Industriezweig Druck weiter runterfahren und es erscheint heute unrealistisch, dass es zu einer längerfristigen Regelung kommt. Es sei denn, man kommt den Unternehmern weitgehend entgegen.