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Holger Artus

mecom im deutschen Zeitungsmarkt (2006-2008)

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Ein Hauch von Internationalisierung und Trends kam 2006 im deutschen Zeitungsmarkt an. Finanzinvestoren unter Führung des amerikanischen Fonds Veronis, Stevenson, Suhlet (VSS) kauften erst den Berliner Verlag von der Verlagsgruppe Holtzbrinck und später die Hamburger Morgenpost von Hans Barlach und Josef Depenbrock. Für VSS war es eine sehr kurze Etappe im deutschen Zeitungsmarkt. Der 15prozentige Minderheitengesellschafter an der Erwerbergruppe, die mecom plc, versuchte ab 2007 seine Wachstumstrategie im europäischen Markt alleine weiter umzusetzen.

In den Unternehmen in Berlin und Hamburg zeichnete sich Widerstand gegen die Übernahme ab bzw. formierten sich die Arbeitnehmer/ innen-Seite gegen die möglichen Folgen des Einstiegs von Finanzinvestoren. In Berlin wehrten sich die beiden Chefredakteure (Berliner Zeitung, Berliner Kurier) gegen die Übernahme, wie sie es sagten, durch eine „Heuschrecke“. In der Redaktion der Berliner Zeitung entstand ein eigenständiger Prozess zur Sicherung der Unabhängigkeit der Inhalte in Form eines Redaktions- ausschusses. Diesen gab es von 2006 bis 2016. Erst mit der Auflösung der Redaktion der Berliner Zeitung und der Neugründung der Gesellschaft Berliner Newsroom 2016 hörte er auf, zu existieren.

mecom gibt es nicht mehr, keine Finanzinvestoren im deutschen Zeitungsmarkt mehr

Heute gibt es mecom plc. nicht mehr. Der damalige Gründe von mecom, David Montgomery, wurde später von seinen eigenen Vorstandskollegen und den Anleger vor die Tür gesetzt. Im deutschen Zeitungsmarkt gibt es keinen Finanzinvestor mehr, der versucht, Zeitungen zu kaufen. VSS sieht heute in den Medien keine Anlage-Option mehr. Auch Aktienunternehmen wie am Beispiel mecom gibt es in der Form im deutschen Markt nicht mehr. Zeitungen, dass sind Familienunternehmen, die damit Geld verdienen wollen oder sie verkaufen, um ein zufriedenes Leben nach der Veräußerung führen zu können. Axel Springer ist ein Aktienunternehmen, aber hier handelt es sich um vinkulierte Namensaktie (eine vinkulierte Namensaktie bedarf zu ihrer Übertragung der Zustimmung der ausgebenden Aktiengesellschaft).

Wie mit Finanzinvestoren im Zeitungsmarkt umgehen?

Die Verlagsgruppe Holtzbrinck hatte 2002 den Berliner Verlag gekauft und trug das Kartellrisko. Nach dem kartellrechtlichen Scheitern, erfolgte die Übernahme durch zwei Finanzinvestoren, den amerikanischen Medienfonds VSS und dem 3i, ein international agierende Fonds. 3i soll ausgestiegen sein, deren Anteile hielt VSS. Der 3i-Berater, David Montgomery und sein Aktienunternehmen, mecom, beteiligte sich mit fast 15 Prozent am Invest. VSS hielt 85 Prozent der Anteile. Mit dem Einstieg von Finanzinvestoren in den deutschen Zeitungsmarkt schreckte die Branche auf, da jetzt jemand am Markt war, der die Konsolidierung im Zeitungsmarkt, also den Kauf von Zeitungsunternehmen, der Neuorganisation auf höherer Stufenleiter (Synergien) und spätere Weiterveräußerung, treiben würde. Schnell war das Bild des „Finanz-Hais“ entstanden, der einfach alles Blut aussauge, so das vom Qualitätsjournalismus nichts mehr übrig bliebe. Die Redakteure/innen machten sich zu Recht Sorgen um ihre redaktionelle Unabhängigkeit, die u.a.auch von den redaktionellen Rahmenbedingungen lebt, sprich Personal und Tendenz. Das Chefredakteurs-Prinzip in den deutschen Medien gewährleistet ausreichend, dass auf die Inhalte nicht durch die operative Führung eingegriffen wird. Sie sahen es gefährdet.

Gewerkschaften und Betriebsräte standen in der Positionierung vor mehreren Herausforderungen, das sie bis zum Ende von mecom im deutschen Zeitungsmarkt begleitete: fremde Geldgeber sind in ihrer Augen immer böse, internationales Kapital -Finanzhaie – mobilisieren Bilder schlimmster Phantasien bis fragwürdige Bilder. Es ging nicht nur um einen normalen Verkauf von A nach B, es ging um ein Finanzinvest. Gewinne werden schnell schmutzig, wenn sie nicht in Familienhände wandern. Obwohl Renditevorstellungen der Gesellschafter überall gleich sind, sind fremde Anleger eher „bäh“. Da es wenig inhaltliches Wissen über das agieren von Finanzfonds und deren Strategien in den betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretungen gab, herrschte in Teilen das „Hai-Bild“ vor, dass auch die übergroße Mehrheit der Beschäftigten überzeugte. Dieses Bild hatte aber mit dem realen Vorgehen und Zielsetzungen nicht viel zu tun. Es ging nicht um die jährliche Rendite durch Kostensenkung, die mit jedem Jahresabschluss an die Gesellschafter ausgeschüttet wird. Ziel war der Aufbau einer neuen aufgebauten Unternehmensgruppe, die man zu einem hohen Wert an einen Marktteilnehmer verkauft. Der Verkaufserlös ist die Verzinsung der Einlage. Auch die Form der Finanzierung über Kredite war eine Herausforderung. Für einen Fonds geht es um die Verwertung der Einlagen ihrer Anleger. Kredite werden aus den operativen Geschäft bedient (wie überall), aber nicht auf Risiko der Anleger. Die Treiberschaft „Zinsrate“ ist gewissermaßen der Maßstab, um eine forcierte Optimierung zu erreichen. Für die Steuerung der Unternehmen wurde EBITDA-Raten und Working Capital zum Maßstab genommen, also Aktienmarkt-Beurteilungskriterien (war noch mehr).

Im Laufe der Beherrschung durch den Finanzfonds haben sich Betriebsräte gewerkschaftliche Berater organisiert, um auf Basis des vorhandenen Wissen, eine begründete Strategie zu haben, die sich auch auf den Punkt mit fokussierte, wenn wieder veräußert wird. Es ist Normalität, dass im Fall von Neuland Arbeitnehmer/innen-Vertretung auch immer moralisch reagieren, auf ihre bisherigen Kriterien und Bilder zurückgreifen. Erst im Laufe der Zeit wird ein realistisches Bild aufbaut. Alle Flugblätter, die sich zu erst mit der neuen Lage Beschäftigten auseinandersetzten, waren auch von Unwissenheit und Moral geprägt. Der Lernprozess schritt aber schnell voran. Das erging den deutschen Interessenvertretungen nicht anders als den norwegischen, als mecom 2006 Orkla Media kaufte.

Herausgekommen war eine gewerkschaftliche Studie, in der auch um Finanzinvestoren im deutschen Zeitungsmarkt ging.

Am 25. Oktober 2005 kaufte VSS den Berliner Verlag. Am 27. Januar 2006 wurde darüber informiert, dass sie auch die Hamburger Morgenpost gekauft hätten. Der Hamburger Betriebsrat berücksichtigte die Berliner Erfahrungen und positionierte sich anders als vorherige, die die Weltuntergangsituation ausgegangen waren. Der MOPO Betriebsrat sah der Übernahme entlassen entgegen, um dann die Herausforderungen für die Belegschaft durch Synegien und Personalabbau zu benennen. Betont wurde auch, dass man sich seiner Stärke als Belegschaft bewusst sei.

mecom kommt, VSS geht

Nach rund 1 1/2 Jahren stieg der Finanzfonfs VSS aus und das englische Aktienunternehmen mecom übernahm deren Anteile komplett. Alle Versuche, von VSS und mecom, weitere deutsche Zeitungstitel zu kaufen, waren gescheitert. Weder die Braunschweiger Zeitung, noch die FR oder die Süddeutsche wollten sich in die Hände von VSS/mecom begeben. Eine neue große Zeitungs-Gruppe zu bilden, war gescheitert. Also zog sich VSS aus dem deutschen Markt zurück. Mit mecom änderte sich wieder die Geschäftsstrategie, worauf sich die Interessenvertretungen einstellen mussten. Es ging nicht mehr um einen Wiederverkauf. Ein Medienunternehmen sollte etabliert werden, dass weiter auf die Konsolidierung setzt, aber es ging auch darum, den Erwerb in seinen damaligen Zustand zu konsolidieren.

mecom war in Norwegen, in Dänemark und den Niederlanden 2006 ein großer Akteur im jeweiligen Zeitungsmarkt geworden, da war VSS noch Mehrheitseigentümer der deutschen Beteiligung (14,94 Prozent). mecom war eine Aktiengesellschaft, hatte die ähnlichen Anleger wie VSS hatte, wollte aber eben operativen Geschäft verdienen und durch Wachstum den Wert der Erwerbungen steigern. Im Unterschied zu den mehr risikostärkeren Anlegern in einen Fonds ging es bei den Anleger von mecom um Aktienbeteiligungen, die langfristig eine Verzinsung einbringen sollte. Sie wollten verdienen – wenn man seine Aktien wieder verkauft hat.

mecom war Zeiungsunternehmen, kein Finanzfonds. VSS war der Inhalt des Geschäfts egal. Diesen Wandel im Geschäft und in der Anlage der Interessenvertretungsarbeit zu berücksichtigen erfolgte schnell, auch dank der internationalen Vernetzung und daraus entstandenen Kulturen. Man traf sich irgendwo in Europa und diskutierte über die Ziele des Unternehmens. Trotz des internationalen Austausch dauerte es, bis man auch in Deutschland einen Anlageberater besorgte, der einen das Aktiengeschäft, den Kurs des mecom-Aktie erklärte und Prognosen traf. Die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung war dazu nicht in der Lage, es sei den, man richtete sich an ihrem billigen Vorurteilen aus, die aber nichts mit Wissen zu tun hatten.

mecom scheiterte

Im Oktober 2005 stieg Mecom mit 15 Prozent in den Berliner Markt ein. Im Juli 2007 war man Eigentümer der bisherigen Minderheitbeteiligung. Im November 2008 begannen die Gespräche mit DuMont. Im Januar 2009 war man sich einig. Vorher hatte mecom Teile seines norwegischen und dänischen Geschäfts verkauft. Rückläufige Umsätze, die Rezession 2007/2008, die hohen Schulden auf Grund der Fremdfinanzierung und ein sinkender Aktienkurs zwangen Mecom zum Beteiligungsverkauf. Wollte Mecom überleben, musste Geld besorgt werden.

Später beschwerte sich David Montgomery, das er von den beiden Gewerkschaften ver.di und DJV gewissermaßen unter Dauerbeschuss stand und das die Öffentlichkeitsarbeit der Interessenvertretungen ihn keine Chance bot, dass ein seriöse Bild über ihn entstehen konnte.

mecom gibt es heute nicht mehr. Das Unternehmen wurde 2014 von einer belgischen Zeitungsgruppe gekauft.

Die Perioden aus Arbeitnehmer/innen Sicht

Die betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretungen formierten sich um das Thema Beschäftigungssicherung und in Berlin um die redaktionelle Unabhängigkeit der Berliner Zeitung. Mit dem gewählten Redaktionsausschuss war eine wertvolle Rahmenbedingung geschaffen. Der BLZ-Chefredakteur, Uwe Vorkötter, einer der stärksten Kritiker der neuen Eigentümer, schied im März 2006 aus, ihm folgte der damalige Chefredakteur der MOPO, Josef Depenbrock. Unter dem Eigentümer mecom wurde er später auch noch Geschäftsführer für die Berliner Unternehmen.

Im Juli 2007 übernahm mecom die VSS/Anteile und ging dazu über, umfänglich Personal abzubauen. Es gab sowohl Sozialtarifregelungen, Abfindungsformeln und Altersteilzeit in Berlin und Hamburg, aber auch zu einem Tarifvertrag über dien Bildung von Wirtschaftsausschüssen, der Beteiligung bei der Personalplanung und Qualifizierung (11/12-2007).

Während der Gesellschafter VSS noch auf sein Ansehen für seine Wachstumsstrategie (Aufkauf) bedacht war, änderte sich diese unter dem Gesellschafter mecom . Zum einen wollte er die digitale Transformation treiben und fast eine Art „First Mover“ im Umgang mit der Zusammenführung von Print und Online werden. Auf der anderen Seite gab es einen massiven Wettbewerb im Berliner Zeitungsmarkt um die Anzeigenkunden und im Lesermarketing für die Abo-Zeitung. Die wirtschaftliche Lage änderte sich, die Anzeigenumsätze gingen zurück und statt einer stabilen Entwicklung musste man in Berlin sanieren. Die Lage der MOPO war noch anders, da es den vergleichbaren Wettbewerb in Hamburg nicht gab. Ansonsten wirkten die Marktverschiebungen hier zeitversetzt. Allerdings lag die Rendite der MOPO zum Zeitpunkt des Verkaufs an DuMont noch bei annähernd 15 Prozent.

Im Frühjahr 2008 sollte die prekäre Lage, in die das Szene Magazin TIP-Berlin durch rückläufige Anzeigenumsätze geraten war, angegangen werden. Es formierte sich Widerstand gegen die Abbau-Pläne, der im Ergebnis mehrtägige Streiktage mit sich brachte und zu einem Sozialtarifvertrag einer sehr kleinen Belegschaft führte.

In Hamburg wurde im Frühjahr 2008 ein 25prozentigen Abbau bekannt, gegen das sich Widerstand formierte und später zurückgezogen wurde. mecom nicht an zwei Standorten unter Streikdruck kommen.

Um den Druck auf Mecom/Montgomery hoch zu halten, wurde eine Pressekonferenz zu den Plänen von Mecom in Deutschland in London 2008 organisiert. U.a. der Guardian berichtete darüber. Die Pressekonferenz würde anlässlich einer Präsentation von mecom über ihre Zahlen durchgeführt.

Im Juni 2008 wurde ein großes Abbau-Programm in Berlin von 150 Stellen angekündigt. Schnell bildeten sich betriebliche Tarifkommissionen in Berlin und Hamburg. Die Gewerkschaften wurden durch die Forderung nach einem Sozialtarifvertrag wieder ein weiterer Part betrieblicher Auseinandersetzungen. ver.di und der DJV bildeten für beide Standorte eine gemeinsame Tarifkommission. Ende Oktober kommt es zu einem Moratorium, dass zeitlich befristet keine Kündigungen ausgesprochen werden. Anfang November 2008 gab es die ersten Gespräche von DuMont mit mecom.

Nationale und internationale Zusammenarbeit

Die Betriebsräte aus Berlin und Hamburg hatten sich bereits nach der Ankündigung der Übernahme der Hamburger Morgenpost (1/2006) darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit zu strukturieren. Mit der Zustimmung des Kartellamt, aber vor Beendigung des Eigentümerwechsel, gab es bereits einen Konzernbetriebsrat.

In der Phase, in der mecom in Deutschland nur Minderheitengesellschafter war, hatte das englische Unternehmen andererseits bereits Ende 2005 die Zeitungssparte von Orkla Media in Norwegen gekauft, zu dem auch über 20 polnische Regionalzeitungen gehörten sowie Berlinske Media, eine führende Zeitungsgruppe in Dänemark. Im Laufe des Jahres 2006 kam erst die Mediagroup Limburg und später die Wegener Gruppe in den Niederlanden hinzu. mecom wurde dort die größte Zeitungsgruppe und das größte europäische Medienunternehmen.

Durch den Kauf der Orkla Media Group aus Norwegen bestand für mecom ein System der Arbeitsbeziehungen, dass auch strukturell geprägt war durch Sozialpartnerschaft und einflussreiche Gewerkschaften. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Mecom, David Montgomery, berücksichtigte dies und pflege einen umfassenden Austausch mit den Arbeitnehmer- repräsentanten von Edda Media (Norwegen) und Berlinske Media (Dänemark).

Die Arbeitnehmer/innen-Vertretungen aus allen internationalen Beteiligungen pflegten einen engen Kontakt, besuchten sich und nahmen auch an Betriebsversammlungen teil. Bei nationalen Streik wurden Soli-Adressen erstellt. 2007 kam es zu Bildung eines Europäischen Betriebsrat von mecom, der zwar auf dem englischen Recht beruhte, aber geprägt war durch das skandinavische Modell der Arbeitsbeziehungen.

Es gab immer wieder einen Austausch zwischen den Vertretungen auf internationalen Meeting, was auch immer ihr Anlass war. Es entstand eine internationale Web-Seite (Mecom-Watch), die englischsprachig über das Geschehen in den Ländern informierte. Dieser kleine Blog schlief mit dem Ende von Mecom in Deutschland ein.

Inhalte zur Geschichte der Gegenwehr in den mecom-Unternehmen von ver.di gelöscht

Die Auseinandersetzungen in den deutschen und internationalen Unternehmen von mecom plc. wurden auf den Web-Servern von ver.di dokumentiert. Es gab eine eigene Domain (mecom.verdi.de). Leider ist es auch Teil der Geschichte, dass diese Inhalte von ver.di gelöscht wurden, da die Gewerkschaft nie eine Content-Strategie verfolgt hat. Jetzt wurden die meisten Texte wieder hergestellt. Hier die Meldungsübersicht:

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