Tarifauseinandersetzung Zeitungsredaktionen 2003/2004
Nach 24. Streiktagen und 14. Verhandlungsrunden endete die wohl schwerste Tarifauseinandersetzung in den deutschen Zeitungsredaktionen 2003/2004. An den Streikaktionen beteiligten sich in Spitzenzeiten 2.200 Beschäftigte aus 70 Redaktionen. Und das Ergebnis? Ein Mobilisierungserfolg der Gewerkschaften, aber es war auch der erste Abschluss, der Verschlechterungen im Manteltarifvertrag mit sich brachte.
„Mantel in Kraft, 1,3 Prozent mehr Gehalt – aber weniger Urlaub“
Trotz der Mobilisierung zeichnete sich mit dem Ergebnis eine Wende in der Tarifpolitik ab, die sich in den kommenden Jahren fortsetze. Seit 2003/2004 wurden der GTV und der MTV in den Zeitungen stark verändert. Jede Gehaltserhöhung wurde teilweise über den Mantel kompensiert. Der letzte strukturierende Gehaltstarifabschluss (GTV) war auch ein Eingriff bei der unmittelbaren Verteilungsfrage: Das bisher hohe Vergütungssystem passt sich mehr und mehr den üblichen Verhältnissen an.
Diese historische Zäsur 2003/2004 und folgende Jahre in der Tarifauseinandersetzung wurden in ver.di nicht aufgearbeitet. Es gab sogar mal eine dju-Bundesberufsgruppenkonferenz 2007, die eine qualifizierte Auswertung der Auseinandersetzungen 2003/2004 per Beschluss forderte. Wie nicht anders zu erwarten, wurde der nicht umgesetzt. Fakt ist: Heute ist man nicht mehr in der Lage, Verhandlungsdruck über Warnstreiks aufzubauen.
Abschluss 2018 und verdi-Strategie schwächt die Tarifbewegung in den Redaktionen
Die Tarifauseinandersetzungen in den Zeitungsredaktionen 2018/2019 befinden sich in einer merkwürdigen Lage. Im Juli 2018 gab es einen Gehaltsabschluss für die Zeitungsredaktionen, der zwischen DJV und BDZV abgeschlossen wurde. ver.di lehnte das Ergebnis ab und verfolgen seit dem das Ziel, einen höheren Tarifabschluss zu erreichen, wenigstens in der Außendarstellung. Mit dem GTV-Abschluss 2018 wurde durch ver.di zusätzlich die Situation geschaffen, dass die bisherige Zusammenarbeit mit der größeren Journalistengewerkschaft, dem DJV, in der Tarifpolitik, stark belastet wurde. Aller Phrasologie der ver.di-Verantwortlichen zum Trotz: ver.di kann sich nicht alleine gegenüber den Verlegern durchsetzen. Ernsthaft kann auch der DJV kein Interesse haben, eine Tarifpraxis an ver.di vorbei zu organisieren. Am 22. Januar 2019 gab es eine Web-Veröffentlichung der dju-BaWü, die auf die Vorbereitung der Tarifrunde 2020 orientierte und sich nicht mehr mit der „Geschichte 2018“ beschäftigte.
An den Streiks 2018 beteiligten sich einige hundert Beschäftigte. Auf einen Überblick der an den Warnstreiks aktiven Redaktionen hat man in allen Meldungen unterlassen, was deren Engagement nicht in Frage stellen soll. Aber eine Tarifstrategie, die nicht neben der Aktionen die Neuformierung im Medienumbruch zum Inhalt hat, wird am Ende nur zu einer Reduktion der Beteiligten führen.
Lageeinschätzung für veränderte Risiken und Chancen für die Tarifbewegung bleibt aus
Man ist organisatorisch geschwächt, hat ein geringeres Mobilisierungspotential, die Zeitungsbranche befindet sich in ihren tiefsten Umbruch und die Verleger reorganisieren betrieblich wie konzernweit. Tarifbindung wird weiter aufgehoben, um die Bezahlung der Redakteure/innen nach unten zu drücken. Der Fakt wird an sich wird dargestellt, aber die dahinter liegenden Prozesse und Schlussfolgerungen für Arbeitnehmer/innen nicht verfolgt. Das Erklärungsmuster für ausbleibende Streikbeteiligung, weniger Redaktionen werden im subjektiven Bereich gesucht. Es sei mehr eine Frage des Willens. Klar ist dann, dass die, die man nicht mobilisiert bekommt, selber Schuld haben oder sogar Schuld sind. Statt sich mit der Frage der Formierung und den Herausforderungen zu beschäftigen, macht man dort weiter, wo man gelandet ist. Die Folge wird eine weitere Schwächung sein. Notwendig ist eine Lageeinschätzung der Zeitungen, keine subjektivistischen Losungen, die sich nur an die eigene Community wendet. Die Zeitungsbranche ist im Umbruch, den muss man beschreiben sowie seine Folgen für die Medien und den in ihnen tätigen.
Tarifbegleitung im Web und auf Social Media vor der Zeit Facebook/Twitter
2002/2003 und 2003/2004 wurde die Tarifrunde für Zeitungsredaktionen unter der Internet-Adresse dju.verdi.de begleitet. Es war damals das erste eigenständige Web-Angebot Angebot nach der Fusion der fünf Einzelgewerkschaft (u.a. IG Medien) zu ver.di in einer Tarifrunde. Es gab bereits vorher, ob als IG Medien und auch unter verdi, eine Web-Aktivität, aber es waren wie heute eine Wiedergabe der eigenen Positionen, nicht der Versuch eines Abbilds der Bewegung und ihrer auch Gegensätzlichkeit. Im Laufe der Tarifrunde 2003/2004 wurden auf der Web-Seite auch inhaltliche Angebote zur Lage des Zeitungsmarktes und der versuchten Bauernfängerei des BDZV mit seinen Zahlen angegangen. Die Methode des Streits war einfach: den BDZV in die Lage versetzen, dass man über die gleichen Zahlen (Brutto oder Netto-Werbeumsätze, mm oder Wert) sprach. so dass die Interpretation der Streit war. Eine gewisse Zeit wurde der inhaltliche Streit sogar öffentlich ausgetragen.
Web-Seiten dju.verdi-Verlage.de wieder hergestellt
Das damalige Internet-Angebot 2003/2004 wurde jetzt wiederhergestellt. Es hat auch nur dokumentiert, was andere geschrieben haben, aber es war nicht nur das allgemeine der ver.di-Bundesverwaltung, sondern auch die Info über die Darstellung der anderen Akteure wie DJV und BDZV, aber auch der lokalen Aktivitäten. Am Ende der Auseinandersetzung um den Tarifabschluss gab es noch einmal das Angebot einer ersten Debatte über eine Chat-Tool. Es war, bevor es Facebook gab. Neben den Angebot der Kommentierung einzelner Meldungen zur Drucktarifrunde 2003/3005 war auch hier ein inbteraktives Angebot geschaffen worden. Beide Angebote wurde nicht weiterentwickelt, sie waren eher Angebote, die man verdi-seitig bekämpfen musste. Heute hat sich das mit Facebook und Twitter erledigt. Alle Versuche, sich in der Tarifbewegung abzuschotten, sind gescheitert. Um ein wenig den geschichtlichen Kontext auf Seiten der Tarifauseinandersetzung mit der Jahrtausend-Wende zu halten, wurden noch weiter Tarifrunden der Zeitungsredaktionen rekonstruiert.
Tarifauseinandersetzungen Zeitungsredaktionen 2011
2011 war ebenfalls mit Warnstreiks und einer Urabstimmung über einen Streik begleitet worden. Bis 1.500 Redakteure/innen aus rund 50 Redaktionen nahmen insgesamt an den gewerkschaftlichen Aktivitäten teil. Im Ergebnis gab es einen niedrigen GTV-Abschluss (1,5 Prozent), der Bedrohung der Altersversorgung war vom Tisch und es wurde eine Öffnungsklausel für Unternehmen bei schwieriger wirtschaftlicher Lage in den MTV eingefügt, der die Anrechnung von Jahresleistung und Urlaubsgeld bis zu 50 Prozent vorsah. Es gab aber nachfolgende betriebliche Auseinandersetzungen durch OT-Mitgliedschaften und anderen Formen der Tarifflucht. Für Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurde der Flächenabschluss nicht übernommen. Es kam zu einem Streik im Schwarzwälder Boten, der nach 27. Streiktagen mit einem Erfolg für die Beschäftigten endete. Es gab die OT-Mitgliedschaft der NWZ in Oldenburg. Die Auseinandersetzung endete mit einer Niederlage. Auch ein zweiter Versuch, eine gewisse Tarifbindung zu erreichen endetet später mit einer tariflichen Niederlage.
Tarifauseinandersetzung Zeitungsredaktionen 2013/2014
Der Überblick auf dieser Web-Seite endete mit der sechsten Verhandlungsrunde 2013. Es gab am 24. April 2014 ein Verhandlungsergebnis, dass der GTV in seiner bisherigen Struktur aufgebohrt wurde in niedriger Gehälter für Onliner/innen verankert wurde. Der MTV konnte langfristig festgeschrieben (bis 31.12.2018) werden, aber im Gegenzug wurden über einen längeren Zeitraum Urlaubsgeld und Jahresleistung reduziert und die Anzahl der Urlaubstage für neueingestellte Redakteure/innen gesenkt. Für die Redakteure/innen im Norden (ohne Hamburg) gab es weitere Zugeständnisse beim Jahresgehalt. Die Verhandlungen erstreckten sich über elf Termine. An den Streiks beteiligten sich an die Tausend Redakteure/innen.
Meldungsübersicht über ein Jahrzehnt Tarifverhandlungen Zeitungsredaktionen
Hier die Meldungsübersichten zu den verschiedenen Tarifauseinandersetzungen in den Zeitungsredaktionen