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Holger Artus

Posse um Verkauf des Berliner Verlages 2003/2005

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Der gesamte Wachstumskurs in den 1980 und 1990er Jahren von Gruner+Jahr erhielt mit der Ablösung des Vorstandsvorsitzenden Gerd Schulte Hillen durch Bernd Kundrun (eine kurze Etappe) eine Neubewertung. Man trennte sich von den Zeitschriftenaktivitäten in den USA, die völlig überteuert eingekauft waren, auch andere Auslandsaktivitäten wurden beendet. Der Zeitungsmarkt wurde als zu verkaufendes Portfolio bewertet. Dagegen wollte man groß in den Wirtschaftspressemarkt eintreten und plante die FTD. Die Werbemarkt spielte tonnenweise die Erlöse in die Zeitschrift Capital. Die Erscheinungsweise wurde von monatlich auf alle 14 Tage verändert. Börse Online wurde erworben, auch hier schlug der Werbemarkt positiv zu Buche. Die Umsätze wollte man anfangen, insbesondere auch den Boom bei den neuen Internet-Unternehmen und deren Finanzierung über Aktien. Mit der Weltwirtschaftskrise platze die Blase und die Start-Ups verabschiedeten sich reihenweise aus dem Markt. Die werbetreibende Wirtschaft reagierte auf die Rezession und änderte ihr Schaltverhalten.

Holtzbrinck kauft den Berliner Verlag (2002)

Bernd Kundrun war gerade Zeitungsvorstand von G+J geworden und war zuerst noch auf dem Trichter, im Zeitungsmarkt zu wachsen. Die kostenlosen Sonntagszeitungen waren im Blick. Doch schnell zeigte sich, dass hier redaktioneller Wettbewerb entstand, aber nicht die Renditen. Die Strategien von G+J im Zeitungsmarkt waren so wie die Phrasen der Verleger heute. „Wir greifen noch mal an“ bis „Restrukturierung, um erfolgreich in der Zukunft zu werden“. 1999 kam es zum Verkauf der Hamburger Morgenpost. Nach einer Invest-Strategie in Berlin setzte man auf einen Restrukturierungskurs. 2002 kam der Wechsel. G+J sprach von einer strategischen Neuausrichtung (26.06.2019). Im Rahmen eines Bieterverfahrens wurde der Berliner Verlag an die Verlagsgruppe Holtzbrinck verkauft (26.06.2002), die in Berlin als Zeitung den Tagesspiegel und im Zeitschriftenmarkt Zitty, eine Szene-Magazin. Der Berliner Verlag hatte den Tip-Berlin Mitte der 1990er Jahre erworben, ebenfalls eine Szene-Zeitschrift.

Kartellamt sagt nein, keine Ministererlaubnis und kein Erfolg im Verkaufsverfahren des Tagesspiegels (2004)

Der Erwerb stand unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Kartellamts. Solange dies nicht zugestimmt hatte, konnte es keinen Eigentümerwechsel geben. Das Kartellamt lehnte die Übernahme ab (12.12.2002). Holtzbrinck bemühte sich um eine Ministererlaubnis durch den damaligen Wirtschaftsminister (15.01.2003). Da das Verfahren beschrieben ist, musste erst eine Stellungnahme durch die Monopolkommission erfolgten (01.09.2003). Es kommt zu einer ersten Anhörung im Bundeswirtschaftsminister (22.04.2003). Holtzbrinck überlegt sich, die Übernahme zu erreichen, in dem sie die Investmentbamk Sal. Oppenheimer beauftragt, Investoren für den Kauf des Tagesspiegels zu finden. Jedoch seinen die Angebote enttäuschend gewesen (11.07.2003). Zu einer erneuten Anhörung zu Gewährung im Bundeswirtschaftsministerium (08.09.2003) werden weitere Angebote zum Kauf des Tagesspiegels unterbreitet. Auch die Verlagsgruppe Ippen bekundet ihr Kaufinteresse. Vorher gibt die Monopolkommission ihre anlehnende Stellungnahme zur Übernahme des Berliner Verlages und zur Ministererlaubnis ab (01.09.2003). Holtzbrinck zieht den Antrag auf eine Ministererlaubnis zurück und hat sich ein neues Modell zum Verkauf des Tagesspiegels überlegt (28.09.2003). Man kam noch einmal auf die Idee, Redaktion und Verlag zu trennen und die Redaktion zu verkaufen. Das Manöver scheiterte, da es sich um einen Vertrauten von Holtzbrinck handelte. Das Kartellamt untersagt trotz des Verkaufs des Tagesspiegels an einen Mittelsmann Holtzbrinck erneut die Übernahme des Berliner Verlages (19.12.2003). Auch ein Verfahren gegen die Entscheidung des Bundeskartellamts vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf scheitert am Ende (28.10.2004). Am Ende verkaufte Holtzbrinck an den amerikanischen Finanzfonds, VSS (25.10.2005), der vom ehemaligen G+J-Vorstandsvorsitzenden, Gert Schulte-Hillen, beraten wurde und später auch eine Art stiller Gesellschafter für deren deutsche Beteiligungen wurde.

Damalige Zeitungsgruppen gibt es heute so nicht mehr

Die ehemalige Verlagsgruppe Holtzbrinck mit einem großen Standbein im Zeitungsmarkt gibt es so nicht mehr. Die Aktivitäten wurden verkauft. VSS als Erwerber des Berliner Verlages 2006 trennt sich ein Jahr später wieder davon und verkaufte den Berliner Verlag an mecom plc. Auch deren Beteiligung dauerte nur eine kurze Zeit. Heute gibt es das Aktionunternehmen mecom plc. nicht mehr. Es wurde von einem belgischen Medienunternehmen übernommen.

Interessenvertretungen haben sich immer eingemischt, Perioden nicht nur reflektiert

In den ganzen Jahren der strittigen Zukunft des Berliner Verlages veränderte sich die Marktlage für die Zeitungen. Jeder Erwerbe setzte auf seine Strategie. In die Mühle kamen die Interessen der Arbeitnehmer/innen und Redaktion. Im Web wurde dieser Prozess auf verschiedenen Web-Seiten begleitet. Wir fassen hier den Trennungsprozess von G+J zu Holtrbrinck sowie die Auseinandersetzungen um das Kartellrecht in dieser Zeit aus Reflektion der verschiedenen Interessenvertretungen zusammen. Es ist die einzige und umfassendste Darstellung dieser Periode. Es gab diese Meldungen auch auf den Server von verdi, doch deren ständige Neuausrichtung im Web führte zur Löschung dieser Geschichte. Auch das ein sehr trauriges Kapitel der Geschichte aus Arbeitnehmer/innen Sicht.

Hier die Meldungsübersicht über den die Periode des Verkaufs des Berliner Verlages durch G+J an Holtzbrinck (26.06.2002) und am Ende des Weiterverkaufs an den amerikanischen Finanzfonds VSS.

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